Der jagende Fürst
Der barocke Fürst: Sofort assoziierten wir ein prachtvolles Schloss mit einem eindrucksvollen Prunkbett an zentraler Stelle, eine sorgfältig arrangierte Gartenszenerie, in der kostspielige Banketts und noch teurere Ballette inszeniert werden, Intrige, Reifröcke, nicht zu vergessen die hochtoupierten Perücken, die ihren Träger noch größer erscheinen lassen. Und dabei vergessen wir, dass die ganze barocke Hofgesellschaft wild darauf war, ihr ganzes Zeremoniell hinter sich zu lassen, um als Jäger und Jägerin durch die Natur zu reiten.
Los 3157. Habsburger. Ferdinand II., 1619-1637. 3facher Jagdtaler 1626, Breslau. Rv. Der Kaiser mit Federhut reitet n. l., gefolgt von Jägern mit zwei Jagdhunden vor den Toren von Wien. Äußerst selten. Sehr schön bis vorzüglich. Taxe: 20.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Als dieser dreifache Jagdtaler mit dem Porträt Ferdinands II. geprägt wurde, war das kleine Jagdschloss, das Ludwig XIII. sich in Versailles erbauen ließ, gerade einmal drei Jahre alt. Überall in ganz Europa erholten sich die Fürsten bei der Treibjagd. Allein oder mit einem kleinen Gefolge pflegten sie ein Privileg, das den Adel vom gemeinen Volk unterschied.
Denn die hohe Jagd, die Jagd nach dem Hochwild war für den Hochadel reserviert. Der niedere Klerus und das Bürgertum durften mal einen Hasen oder einen Rehbock schießen, aber das Wildschwein und vor allem der Hirsch gehörten dem Herrscher alleine.
Los 3286. Stolberg. Johann Martin, 1638-1669. 2 Dukaten 1646, Rottleberode. Av. Hirsch vor Säule nach links stehend. Äußerst selten. Sehr schön bis vorzüglich. Taxe: 7.500,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Deshalb wurde der Hirsch relativ früh zu einem der Tiere, die besonders häufig auf Wappen dargestellt werden, so zum Beispiel hier auf dieser Prägung Johann Martins von Stolberg-Stolberg. Die Grafen von Stolberg zeigten bereits vor 1429 einen Hirsch in ihrem Wappen.
Los 3166. Österreichische Stände. Grafschaft Sporck. Franz Anton, 1679-1738. Goldmedaille 1723 zu 1 1/2 Dukaten. Av. Kniender hl. Hubertus vor Hirsch, neben ihm Pferd und zwei Jagdhunde. Rv. Adler, um den Hals ein Jagdhorn und die Hubertus-Medaille. Äußerst selten. Vorzüglich. Taxe: 5.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Und deshalb konnte der Hirsch geradezu zum Inbegriff des fürstlichen Jagdvergnügens werden, wie wir es hier auf dieser Medaille sehen, die von Franz Anton, Reichsgraf von Sporck in Auftrag gegeben wurde. Sie zeigt den hl. Hubertus, Patron von Jagd und Jägern. Der hl. Hubertus soll sich bekehrt haben, als er auf der Jagd einen Hirsch antraf, dem zwischen den Geweihstangen ein Kreuz wuchs.
Franz Anton von Sporck war selbst ein begeisterter Jäger, der von seinem Aufenthalt am Hof des Sonnenkönigs die Parforcejagd nach Böhmen mitgebracht hatte. Er kaufte von Kaiser Leopold I. zum Preis von 120.000 Gulden für sich und seine Nachkommen das Recht, im kaiserlichen Jagdrevier bei Lissa jährlich achtzehn Stück Wild zu erlegen, zur Hälfte Hirsche, zur Hälfte Wildschweine. Befreundete Herrscher, die ihn auf der Jagd begleiteten, nahm er in seinen Hubertusorden auf. Dessen Mitglieder gehörten zur jagenden Elite Europas: So trugen Kaiser Karl VI., König Friedrich August II. von Polen und König Friedrich Wilhelm I. von Preußen den Hubertusorden des Franz Anton von Sporck.
Los 3183. Hessen-Darmstadt. Ludwig VIII. Jagdtaler 1751, Darmstadt. Av. Hirsch von Jagdhunden gehetzt. Rv. Die Führer der Hundemeute galoppierend. Sehr selten. Fast vorzüglich. Taxe: 7.500,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Die Parforce-Jagd war also nicht nur ein fürstliches Vergnügen, sondern auch ein Statussymbol mit dessen Hilfe sich manch Herrscher ruinieren mochte. So zum Beispiel Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt, der nicht nur als Jagdlandgraf in die Geschichte einging, sondern auch die wohl umfangreichste Münzprägung mit Jagdmotiven initiierte.
Los 3169. Hessen-Darmstadt. Ludwig VIII., 1739-1768. 2 Dukaten o. J. (um 1750), Darmstadt. Av. Parforcejagd auf einen Zwölfender. Rv. Der Zwölfender ist von drei Jagdhunden gestellt. Sehr selten. Vorzüglich bis Stempelglanz. Taxe: 10.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Auch Ludwig begeisterte sich für die Parforce-Jagd, wie wir auf diesem Doppeldukaten sehen: Der Hirsch wird von der Hundemeute gehetzt, die von den Pikören, den Treibern der Meute, mit ihren Peitschen vorangetrieben wird.
Los 3178. Hessen-Darmstadt. Ludwig VIII., 1739-1768. Hirschtaler o. J. (um 1750), Darmstadt. Av. Hirsch vor Schloss Kranichstein. Rv. Aufgespannte Hirschdecke (= Hirschfell) mit anspielungsreichem Spruch auf gehörnte Ehemänner. Sehr selten. Vorzüglich. Taxe: 4.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Der Fürst selbst ist nicht zu sehen. Er reitet weiter hinten, an der Spitze der höfischen Jagdgesellschaft durch eine inszenierte Landschaft. Der Akt des Jagens ist für ihn nicht nur Sport und Vergnügen, sondern auch ein barockes Gesamtkunstwerk, das möglichst viele Sinne anspricht. Unverzichtbar war dafür natürlich die aufwändige Jagdmusik, die das Geschehen begleitet. Aktiv wird der Fürst erst, wenn der Hirsch ermattet ist und sich stellt. Dann ist es das Privileg des Herrschers, ihn zu töten…
Los 3184. Hessen-Darmstadt. Ludwig VIII., 1739-1768. Doppelter Jagdtaler 1765, Darmstadt. Av. Parforcejagd vor Schloss Dianaburg. Rv. Stehender 32-Ender. Selten. Sehr schön. Taxe: 2.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
…oder ihn zu begnadigen, wie den kapitalen 32-Ender, der als „Battenberger Hirsch“ in die Jagdgeschichte eingegangen ist. Das Tier wurde am 11. November 1763 lebend eingefangen und in einem eigens dafür angefertigten Wagen rund 200 Kilometer weit in einen Park bei Darmstadt gebracht, wo er erst ein Jahr nach dem Tod Ludwigs VIII., 1769, erlegt wurde.
Ludwig von Württemberg nach der Jagd bei Bebenhausen. Ölgemälde Württembergisches Landesmuseum. Foto: KW.
Neben der Parforce-Jagd war im Barock die „Eingestellte Jagd“ äußerst beliebt. Sie stellte weniger Anforderungen an die Fitness des königlichen Jägers.
Hilfskräfte grenzten vor der Jagd ein kleines, überschaubares Gebiet mit Holzzäunen und Stoffplanen ab. Dorthin wurde das Wild getrieben. Wer es schießen durfte – zumeist einzig der Fürst, wenn er nicht gleichrangigen Besuch aus dem Ausland hatte –, legte das Hofzeremoniell genau fest.
Ausschnitt aus dem obigen Gemälde. Foto: KW.
Am Ort des Geschehens, in Anwesenheit der edlen Jagdgesellschaft, wurden die erlegten Tiere aufgebrochen und ausgenommen.
Ausschnitt aus dem obigen Gemälde. Foto: KW.
Die Eingeweide verfütterte man an die Hundemeute.
Los 3254. Sachsen. Medaille 1719 auf die Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August mit der Erzherzogin Maria Josepha von Österreich. Av. Artemis als Jägerin mit Speer, Bogen und Jagdhund. Rv. Wasserjagd vor der Stadtansicht Dresdens. Sehr selten. Vorzüglich bis fast Stempelglanz. Taxe: 5.000,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
Solche Jagden waren Bestandteil praktisch jeder größeren Festivität des Barock, so auch der Hochzeit zwischen dem sächsischen Thronfolger Friedrich August und der Tochter von Kaiser Joseph I., die in Dresden gefeiert wurde.
Sieben Tage dauerte das Fest. Jeder Tag war einer anderen Gottheit gewidmet, die die Vergnügung inspirierte, der sich der Hof hingab. Dianas Tag war der Jagd gewidmet, und zwar einer besonders teuren Sonderform der höfischen Jagd, der Wasserjagd.
Für so eine Wasserjagd begab sich die gesamte Hofgesellschaft an Bord eines kostbar ausgestatteten Schiffes. In Bayern hatte man sich eigens für diesen Zweck den venezianischen Bucintoro nachbauen lassen. Aber auch August der Starke wird sich bei der Ausstattung nicht haben lumpen lassen. Vom sicheren Schiff aus schoss die Hochzeitsgesellschaft nun auf die Hirsche und Wildschweine, die von den Treibern ins Wasser gehetzt wurden.
Die Jagd kam nicht nur den Fürsten teuer zu stehen. Für die Untertanen war sie eine große Belastung, da das Wild die Äcker der Bauern verwüstete. Erledigte ein aufgebrachter Bauer so einen Schädling, drohten ihm Geld-, Gefängnis und / oder Körperstrafen.
Dazu kamen die Fronleistungen. Auf einzelnen Höfen lag die Pflicht, Jagdhunde zu halten und abzurichten. Andere mussten Zaunteile für die „Eingestellte Jagd“ anfertigen oder als Treiber dienen, keine ganz ungefährliche Aufgabe übrigens. Wie verhasst die fürstliche Jagd war, zeigte sich während der Revolution von 1848/9, als Bauern mit Äxten und Sensen die Forstämter überfielen und plünderten. Sie verbrannten die Verzeichnisse der dort niedergelegten Fronleistungen und veranstalteten geradezu eigene Treibjagden, um endlich die verhassten Wildschweine und Hirsche loszuwerden.
Die Versammlung in der Paulskirche trug diesem Anliegen der bäuerlichen Bevölkerung Rechnung, indem sie das fürstliche Privileg aufhob und den Grundbesitzern das Recht verlieh, auf ihrem eigenen Grund und Boden zu jagen.
Los 3164. Habsburger. Franz Joseph I. Goldklippe 1898 auf die Jagd anlässlich 50 Jahre Regierung. Unikum. Stempelglanz. Aus dem persönlichen Besitz von Franz Joseph I. Stempelglanz. Taxe: 2.500,- Euro. Aus Auktion Hirsch Nachf. 333 (21. September 2017).
So ist es durchaus als eine politische Demonstration zu verstehen, dass der am 2. Dezember 1848 an die Macht gekommene österreichische Kaiser Franz Joseph I. die Jagd im großen Ausmaß erneuerte.
Jagdtrophäen von Kaiser Franz Joseph I. in seinem Sommersitz in Bad Ischl. Foto: Ilya Kuzhekin. CC-BY 3.0.
Und die gewaltigen Mengen von Jagdtrophäen, die einen Besucher der Kaiservilla in Bad Ischl erst einmal verblüffen, sind durchaus nicht als Kuriosität, sondern als Demonstration der Macht und der konservativen Einstellung des Herrschers zu verstehen.
Mit der modernen, waidgerechten Jägerei hat das nichts zu tun.
Alle hier gezeigten Münzen und Medaillen sind der Auktion Hirsch Nachf. 333 am 21. September 2017 entnommen. Sie stammen aus der Sammlung eines passionierten Sammlers und Jägers, deren Vorbericht Sie in der MünzenWoche lesen können.