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Tunesisch-deutsches Kooperationsprojekt: Der Münzhort von Chimtou in Tunis ausgestellt

Am 2. Oktober 2023 wurde im Musée National du Bardo in Tunis die neue archäologische Ausstellung „Der Münzhort von Chimtou“, die dort zukünftig dauerhaft zu sehen sein wird, eröffnet. Sie wurde im Rahmen eines tunesisch-deutschen Kooperationsprojekts zwischen dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) und dem Institut National du Patrimoine (INP) erarbeitet.

Inhalt

So wird der  Münzhort von Chimtou ausgestellt. Foto: Susanne Erbelding, (c) DAI.

So wird der Münzhort von Chimtou ausgestellt. Foto: Susanne Erbelding, (c) DAI.

Der Münzhort von Chimtou – 1647 Goldmünzen plus eins

Im westtunesischen Chimtou, dem antiken Simitthus, kamen am 12. Mai 1993 zunächst einzelne, kurz darauf hunderte von antiken Goldmünzen ans Licht. Unter Leitung von Prof. Dr. Mustapha Khanoussi fanden auf dem Gelände des sich im Bau befindlichen Museums, das heute zahlreiche der bislang in Chimtou gemachten bedeutenden Funde und Befunde vor Ort präsentiert, archäologische Untersuchungen statt. Der Grabungsleiter selbst barg die 1648 Münzen des sog. Münzhorts von Chimtou, einem der bedeutendsten numismatischen Goldfunde römischer Zeit. Schließlich zählte er 1646 spätrömische Goldmünzen, sog. Solidi, einen goldenen Halbsolidus oder Semissis (Goldmünze im Wert eines halben Solidus) und eine antike Solidus-Fälschung aus vergoldetem Silber. Der sog. aureus solidus, übersetzt die „zuverlässige Goldmünze“ – das Wort „solide“ leitet sich von dem Namen dieses römischen Münznominals ab – war die Standardmünze der Spätantike. Im Jahr 324 hatte Kaiser Constantin I. sie als neue Münzformat und Hauptwährung eingeführt. Der hohe Goldgehalt zwischen 95 und 99 Prozent war gesetzlich festgeschrieben. Da das Sollgewicht des Solidus bei 4,54 g liegt, besitzt der Hortfund ein Gesamtgewicht von 7,278 kg Gold und stellte ein gewaltiges Barvermögen dar. Dieses war im ersten Drittel des 5. Jh. von seinem antiken Besitzer oder Besitzerin in einem Tonkrug im Erdreich verborgen worden. Der Ort seiner Deponierung befand sich am südlichen Rand der römischen Stadt Simitthus östlich einer nach Süden führenden Straße im Bereich spätantiker Wohnbebauung.

Der Münzschatz von Chimtou/ Simitthus ist eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen Tunesiens und einer der berühmtesten numismatischen Fundkomplexe des römischen Weltreichs. Er kann in besonderer Weise einem breiten Publikum die Numismatik als historische Wissenschaftsdisziplin bzw. die Bedeutung von Münzen als bildliche wie schriftliche Quellen vermitteln, die viel über die Antike erzählen. Denn aus dem Miniaturmedium lassen sich wichtige Informationen zur Wirtschafts- und Finanz-, aber auch zur politischen Ereignis- und Kulturgeschichte ablesen. Außerdem sind mit dem Hortfund von Chimtou vielfältige weitere Fragen und Forschungsprobleme verbunden. Wer war der einstige Besitzer dieses Reichtums? Wann, wo und wie wurde der Münzschatz zusammengestellt? Wie gelangte er nach Simitthus? Warum wurde er vergraben?

Die Ausstellung ist in vier Sprachen gestaltet: Französisch, Arabisch, Englisch und Deutsch. Foto: Susanne Erbelding, (c) DAI.

Die Ausstellung ist in vier Sprachen gestaltet: Französisch, Arabisch, Englisch und Deutsch. Foto: Susanne Erbelding, (c) DAI.

Das Römische Reich in der Spätantike

Ab 395 regierten die kaiserlichen Brüder Arcadius und Honorius, das in zwei Reichshälften, in Ost und West, geteilte römische Weltreich. Nachdem dieses bereits im 3. Jh. durch zahlreiche Krisen erschüttert worden war, leiteten Wanderungsbewegungen barbarischer Gruppen noch im 4. Jh. die Phase der sog. Völkerwanderung ein. Die Migrationswellen gingen einher mit kriegerischen Überfällen auf die Grenzen (limites) des Imperium Romanum und Invasionen auf sein Territorium. In den Augen der Römer verbreiteten die „Barbaren“ Chaos und existentielle Gefährdung: Ihr Land würde „von den Goten, Sarmaten, Quaden, Alanen, Hunnen, Vandalen und Markomannen aufs Schlimmste verheert“, schrieb der Kirchenvater Hieronymus im Jahr 396 (Brief 60,16). Auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen erzwang sich ein Teil der Wandernden, die Westgoten, als Verbündete Aufnahme ins Römische Reich. Auch ließen sich die germanischen Verbände überall in den westlichen Reichsprovinzen nieder. Dort gründeten im 5. Jh. z. B. die Westgoten in Frankreich und Spanien, die Vandalen unter ihrem Anführer Geiserich in Nordafrika in der Nachfolge Roms eigene Staaten. In diesen bewahrte eine plurale Bevölkerung aus Alteingesessenen und Zugewanderten römische Kultur und Lebensart.

In diesen unruhigen Zeiten wurde der Goldhort von Chimtou, dessen Münzen zwischen 364 und 418 zum überwiegenden Teil in staatlichen Münzprägestätten des westlichen wie des östlichen Mittelmeerraums geprägt wurden, im norditalisch-südgallischen Raum zu einer Geldmenge zusammengestellt. Dass das Land bereits zur westgotischen Einflusssphäre gehörte, beweisen sog. pseudo-imperiale Prägungen aus der Zeit des Kaisers Honorius. Diese von einem anonym bleibenden westgotischen Herrscher veranlasste Goldprägungen imitieren die kaiserlich-römischen und zeigen das offizielle Porträt des Kaisers. Da die meisten Münzen prägefrisch sind, demnach kaum im Umlauf waren, könnte es sich um das Vermögen einer staatlichen Kasse gehandelt haben. An seinen Fundort in Nordafrika gelangte es über einen unbekannten Besitzer. In der Spätantike, einem Zeitalter gesteigerter Mobilität, könnte er ein Römer – ein Offizier oder Beamter –, ein Westgote oder ein Vandale gewesen sein, der entweder mit dem römischen Heer oder der römischen Verwaltung oder aufgrund der Invasion der Vandalen – diese erreichte 429 Nordafrika – nach Tunesien gekommen sein könnte. In Simitthus bewog ihn eine akute Bedrohung – vielleicht Unruhen im Zusammenhang mit den vorbeiziehenden Vandalen– sein Geld in Sicherheit zu bringen, indem er es vergrub. Da der Eigentümer seinen Goldschatz nicht mehr bergen konnte, muss er in dieser Zeit, vielleicht im Zusammenhang mit den geschilderten Ereignissen, den Tod gefunden haben.

Römische Basilika im Forumsbereich in Chimtou. Foto: Daniela Gauss via Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0.

Römische Basilika im Forumsbereich in Chimtou. Foto: Daniela Gauss via Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0.

Der Fundort – Archäologische Forschungen in Simitthus/Chimtou

Die Stadt Simitthus, deren vorrömisch-numidische Spuren bis ins 8. Jh. v. Chr. zurückreichen, erhielt unter Kaiser Augustus 27 v. Chr. den Status einer römischen Kolonie. Bekanntheit erlangte die Stadt durch die Vorkommen und den Abbau des gelben sog. numidischen Marmors (marmor numidicum). Ihre Lage am Medjerda/Bagradas und am Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege ermöglichte dessen Export ins gesamte Imperium. So begann im 1. Jh. eine Blütezeit für Simitthus. Vom Wohlstand der Stadt zeugen prächtige Tempel, öffentliche Spiel- und Freizeitstätten wie Thermen und Theater, aber auch Ingenieur- und Funktionsbauten, z. B. die große, unter Kaiser Trajan errichtete Brücke über den Fluss Medjerda. In der Spätantike veränderte sich das Stadtbild von Simitthus stark. Viele öffentliche und religiöse Gebäude aus römischer Zeit verloren ihre Bedeutung und wurden abgebaut, um das Baumaterial anderweitig zu verwenden. Dass Simitthus dennoch eine gewisse Bedeutung hatte, zeigt eine außergewöhnlich große christliche Basilika vom Ende des 4./ Anfang des 5. Jh. Erst in der zweiten Hälfte des 7. Jh. scheint das städtische Leben einen starken Niedergang zu verzeichnen, weist aber noch bis ins 12. Jh. eine eher ländlich geprägte, mittelalterlich-arabische Besiedlung auf.

Das römische Nordafrika

Seit der Einrichtung der Provinz Africa Proconsularis im 1. Jh. v. Chr. gehörte das heutige Tunesien zum Weltreich der Römer. Sichtbares Zeichen der römischen Kultur war ein blühendes Ständewesen mit zahlreichen repräsentativ und monumental angelegten Metropolen. Dank der boomenden Landwirtschaft ihres fruchtbaren Umlandes und als Zentren von Handel und Gewerbe entwickelten viele von ihnen beträchtlichen Reichtum. „Afrika war einmal so reich, dass es mir scheint, als hätte die Fülle seines Handels nicht nur seine Schatzkammern gefüllt, sondern auch die der ganzen Welt“, schrieb der spätantike Schriftsteller Salvian (Von der Herrschaft Gottes 7,14).

Von den Krisen, die Rom in der Spätantike zerrütteten, blieb das Land verschont. Zwar wurde es mit der Ankunft der Vandalen 429 von der Völkerwanderung erfasst, jedoch konnte das 435 gegründete vandalische Königreich die römische Zivilisation und die kulturelle Blütezeit Nordafrikas über den Untergang des Imperium Romanum hinaus bewahren.

Das Musée National du Bardo. Foto: Giorces via Wikimedia Commons / CC BY 2.5.

Das Musée National du Bardo. Foto: Giorces via Wikimedia Commons / CC BY 2.5.

Das tunesisch-deutsche Kooperationsprojekt

Bereits seit 1964 kooperieren das Deutsche Archäologische Institut (DAI) und das tunesische nationale Denkmalamt (Institut National du Patrimoine, INP) bei der Erforschung des antiken Simitthus. Im Rahmen dieser Kooperation erwuchs 2013 die Idee, die Bedeutung des Jahrhundertfunds der Öffentlichkeit bekannt und zum Thema einer Ausstellung im Musée National du Bardo zu machen. Mustapha Khanoussi, der Ausgräber der Goldmünzen, und Philipp von Rummel, Grabungsleiter in Chimtou von Seiten des DAI, beschlossen, gemeinsam das Projekt „Der Münzhort von Chimtou“ in einer binationalen, tunesisch-deutschen Kooperation anzugehen. Die Direktorin des Musée National du Bardo, Fatma Naït-Yghil hat sehr zum Gelingen der Ausstellung beigetragen.

Das DAI, das seit Jahrzehnten einen seiner wissenschaftlichen Schwerpunkte in der Nordafrika-Forschung besitzt, arbeitet in diesem Projekt auf deutscher Seite mit dem Badischen Landesmuseum zusammen, das in den vergangenen Jahrzehnten in Karlsruhe zahlreiche Ausstellungen zu unterschiedlichsten Themen der tunesischen Kultur der Antike wie der Moderne, realisiert hat, z. B. zum antiken Karthago, zu den Vandalen oder zur Sejnane-Keramik. Gestaltet wurde die Ausstellung vom Ausstellungsbüro Ranger Design, Kurt Ranger in Stuttgart, das auf Ausstellungsprojekte spezialisiert ist und mit namhaften Museen und internationalen Partnern zusammenarbeitet. Das Auswärtige Amt hat das Projekt ermöglicht und dessen Finanzierung großzügig unterstützt.

Die Ausstellung – Vergangenheit verstehen

Nach einer mehrjährigen Vorbereitungszeit, die das Team wiederholt in beide Länder, Deutschland und Tunesien führte, ist das Ergebnis des Projekts eine archäologisch-kulturhistorische Ausstellung zum Münzhort von Chimtou, die nicht nur seine sensationelle Entdeckung dokumentiert, Aufschluss über den Fundort, die römische Stadt Simitthus, gibt, sondern auch die vielfältigen Bedeutungsfacetten antiker Numismatik beleuchtet. Zudem erzählt sie die Geschichte der Spätantike, eines faszinierenden Zeitalters der Transformation, in dem das römische Kaiserreich durch die neu gegründeten germanischen Königreiche, in Nordafrika auch durch die Byzantiner und später die Araber, abgelöst wurde. Denn der Münzhort von Chimtou hält eindrücklich die Inter-und Transkulturalität der pluralen und dennoch miteinander interferierenden und interagierenden Ausdrucksformen von Leben und Kultur der verschiedenen, teilweise sehr mobilen bzw. migrierenden Bevölkerungsgruppen im Römischen Reich vor Augen. Die Ausstellung entfaltet anhand einer historischen und kulturhistorischen Präsentation des größten Goldmünzhorts, den wir aus dem spätantiken Römischen Reich kennen, ein faszinierendes Panorama antiken Lebens.

Ein innovatives Gestaltungskonzept präsentiert den Münzschatz von Chimtou nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen in vier Sprachen (Französisch, Arabisch, Englisch, Deutsch) einem internationalen Publikum in verständlicher und anschaulicher Weise. Wandgroße farbige Graphiken mit zahlreichen detaillierten Fotos und Illustrationen, die die Exponate mit detaillierten Sachinformationen synchronisieren, eine Filmsequenz der Auffindung – am Tag der Entdeckung war zufällig ein Kamerateam vor Ort – sowie die Inszenierung einer antiken Münzprägewerkstatt, veranschaulichen die vielfältigen inhaltlichen Aspekte der Ausstellung. Ihren Höhepunkt bildet die auratische Inszenierung des Münzschatzes in einem abgedunkelten Raum. Dort hat er seinen Platz in kameraüberwachten Ausstellungsräumen in einer alarmgesicherten Sicherheitsvitrine mit extra starkem Verbundglas gefunden. Die Ausstellung kombiniert didaktische Wissensvermittlung mit ästhetischer, die Inhalte visualisierender Ausstellungsarchitektur um dem Besucher neue Wege in die Antike zu eröffnen: Verstehen und Begeisterung.

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