Ius in nummis – Die Sammlung Thomas Würtenberger
von Bernhard Weisser und Johannes Eberhardt
Am 25. Mai 2023 eröffnete das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz seine aktuelle Sonderausstellung „Ius in nummis“ im Bode-Museum auf der Museumsinsel.
Recht geht uns alle an. Es durchdringt nicht nur den Staat, sondern berührt und ordnet das Leben aller Menschen. Um zu Unrecht wenig beachtete Rechtsquellen geht es in der Ausstellung „Ius in nummis“. Am 27. Januar 2023 überließ der Freiburger Rechtswissenschaftler Professor Dr. Thomas Würtenberger dem Münzkabinett seine über 3.000 Medaillen umfassende Sammlung als Schenkung. Es handelt sich hierbei um den größten zusammenhängenden Bestand von Medaillen mit Bezügen zu Recht, Gerechtigkeit sowie Parlaments- und Verfassungsgeschichte Westeuropas in zunehmend globaler Perspektive.
Für die Rechtsarchäologie bietet die Medaille eine ergiebige Primärquelle. Das Münzkabinett hat es sich zur Aufgabe gesetzt, die Sammlung Würtenberger zu verwahren und zugänglich zu machen. Die seit 2020 laufende digitale Erfassung ist die Voraussetzung der ersten systematischen Erschließung dieses Kulturguts. Weiterführend geht es nicht zuletzt um die Erkenntnispotenziale numismatischer Quellen für die Rechtsgeschichte.
In der Weimarer Zeit hatte Guido Kisch (1889–1985) eine bedeutende Sammlung von Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen zusammengetragen, musste aber vor seiner Emigration in die USA den Verlust eines großen Teils seiner Sammlung erleiden. Er ist Verfasser des Standardwerks „Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst“ aus dem Jahr 1955. Seit 2007 befindet sich die nach dem Zweiten Weltkrieg neu zusammengetragene Sammlung Guido Kisch im Umfang von etwa 1.000 Objekten im Besitz der American Numismatic Society.
Ende der 1960er Jahre entschloss sich der Freiburger Strafrechtslehrer, Rechtsphilosoph und Kriminologe Professor Dr. Thomas Würtenberger (1907–1989), Medaillen mit rechtshistorischen Bezügen zu sammeln. Seine engen Kontakte zu seinem Baseler Kollegen Guido Kisch gaben den letzten Anstoß, eine Sammlung von Rechts- und Gerechtigkeitsmedaillen zu beginnen. In zahlreichen Begegnungen der beiden Fachkollegen entspannen sich anhand der Medaillen rechtshistorische Zwiegespräche.
Seit 1989 setzte Professor Dr. Thomas Würtenberger (geb. 1943) die Sammlung seines Vaters mit dem intensivierten Ziel einer Generalsammlung fort. In der Obhut des Münzkabinetts gilt es nun, dieses Erbe zu bewahren, zu erhalten und auszuwerten. Von der Sammlungsübergabe bis zum Ziel der digitalen Veröffentlichung mit Ausstellung und Begleitband werden im Münzkabinett seit 2020 von Kuratoren, Restaurator, Fotografen, studentischen sowie ehrenamtlichen Mitarbeitern tausende Arbeitsstunden investiert. Zu den wichtigsten Ermöglichern zählt nicht zuletzt der Sammlungsschenker selbst.
In der weltweit ersten Ausstellung zu Recht und Gerechtigkeit in der Medaillenkunst stellt das Münzkabinett die Fragestellung der Sammlung vor. Über 170 Objekte bringen jeweils eigene Perspektiven auf Entstehung und Funktion von Rechts- und Verfassungsstaat im Medaillenrund auf den Punkt.
Neben dem Blick auf Geschichte und Zukunft der Sammlung werden Justitia und Juristen als abstrakte und konkrete Themen der Rechtsmedaillen vorgestellt. Perspektiven auf goldene Regeln und Sinnsprüche auf Medaillen geleiten hinüber zu Rechtspraktiken wie Gesetzgebung, Rechtsberatung/Rechtsdurchsetzung und Wahlen sowie Strukturen, etwa Gerichtsbarkeit und Parlamente. Internationalisierung von Rechtskultur im Medaillenrund bildet das Finale Thema dieses Ausstellungssegments.
Ein ereignisgeschichtlicher Gürtel aus drei Vitrinen im Zentrum des Ausstellungsraums präsentiert mit einem diachronen Block die Konstitutionalisierung Großbritanniens und erlaubt Blicke auf Rechtsstrukturen des Alte Reichs und des Ancien Régime. Abschließend können Besucher Beispiele aus der umfangreichen Welt der Medaillenquellen zur Verfassungsgeschichte Frankreichs und Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert erkunden.
Eine eigens für die Ausstellung ins Leben gerufene Edition des Berliner Medailleurkreises fragt „Wie lassen sich Fragen von Recht und Gerechtigkeit auf Medaillen im 21. Jahrhundert darstellen?“ und besonders „Was geht uns das Thema Recht heute an?“. Die Arbeiten berühren damit aktuelle Diskurse zu Recht und Gerechtigkeit.
Die Ausstellung ist noch bis zum 7. April 2024 zu sehen. Ein vertiefender Begleitband ist in Vorbereitung. Die Ausstellung wird gefördert von der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin e.V.