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Bernt Ahlström (1936-2019)

von Arne Kirsch

In unserer numismatischen Welt wird es kaum einen Händler geben, der den Namen Bernt Ahlström nicht kennt. Anlässlich des Verkaufs seiner numismatischen Bibliothek bei Gut-Lynt erzählt Arne Kirsch aus dem bewegten Leben des Münzhändlers und Lebemanns.

Inhalt

Bernt Ahlström um das Jahr 1980. Foto: Familienarchiv.

Bernt Ahlström um das Jahr 1980. Foto: Familienarchiv.

Als ich 1978 in Schleswig-Holstein die ersten Münzen und Bücher über Münzen und Medaillen in die Hand nahm, da war Bernt Ahlström schon regelmäßiger Gast im hohen Norden, der sowohl Einlieferungen als auch Geschichten mitbrachte. Die Numismatik war seine Leidenschaft, war sein Leben und es gab keinen Ort, an den er nicht geflogen oder gefahren wäre, um dieser Passion nachzukommen. Man traf ihn auf fast allen Münzbörsen oder Auktionen weltweit – meist in Begleitung seines Hundes.

Memorabilien aus Ahlstöms Zeit als Nachtclub-Besitzer. Foto: Familienarchiv.

Memorabilien aus Ahlstöms Zeit als Nachtclub-Besitzer. Foto: Familienarchiv.

1950er – die frühen Stockholmer Jahre

Bernt Rickard John Ahlström wurde am 2. März 1936 in Stockholm geboren. Bevor er seine 60-jährige numismatische Karriere begann, war er zunächst ein junger Nachtclubbesitzer in der Altstadt von Stockholm. 1953/54 – gerade einmal 18 Jahre alt – gründete er auf Anregung seines Vaters, eines passionierten Philatelisten und wichtigen Akteurs im Briefmarkensektor, sein eigenes Münzgeschäft, den »B. Ahlström Mynthandel«. Bereits bei der Versteigerung der Farouk-Sammlung, durchgeführt von Sotheby’s im Februar und März 1954 in Kairo, trat er als einer der Käufer des schwedischen Teils dieser legendären Münzsammlung auf. Einige Jahre später nahm er seinen Bruder Bjarne mit in das Geschäft. Während Bjarne in Stockholm blieb und das Geschäft mit großem Erfolg weiterführte – seine letzte Stockholmer Münzauktion fand 2004 statt –, machte sich Bernt mit seinen Ideen auf den Weg in die Welt.

Bernt Ahlström mit seinem Bruder Bjarne, 1958. Foto: Familienarchiv.

Bernt Ahlström mit seinem Bruder Bjarne, 1958. Foto: Familienarchiv.

1960er und 1970er – Galerie des Monnaies: Genf, Düsseldorf, New York

In den 1960er Jahren ließ er sich in Lausanne nieder und baute die Unternehmensgruppe »Galerie des Monnaies« (GDM) auf, die zunächst in Lausanne (1965), später in Genf (1973), Düsseldorf (1969), New York (1976) und Paris (1979) operierte. Ende der 1960er waren bereits engere Geschäftskontakte nach New York geknüpft (ein Gold-Katalog der »Galerie des Monnaies« aus dem Jahr 1969 führte z.B. Robert L. Steinberg, New York, N.Y. als Kooperationspartner auf dem Titel). Mitte der 70er Jahre verlegte Bernt Ahlström seinen operativen Schwerpunkt ganz nach New York. Er ließ sich mit einem großen Büro in Manhattan nieder und profilierte sich in den Folgejahren als ein äußerst einflussreicher Händler. Aufsehenerregende Verkäufe, darunter auch seinerzeitige Weltrekorde, die er in Kooperation mit etablierten Auktionshäusern wie Hans Schulman Auctions, Sotheby’s, Credit Suisse, Spink & Son Ltd. zu erzielen vermochte, trugen zu seinem Erfolg bei.

Memorabilien aus der Mitte der 1960er Jahre. Foto: Familienarchiv.

Memorabilien aus der Mitte der 1960er Jahre. Foto: Familienarchiv.

Er war begeistert, als er die New Yorker Niederlassung der »Galerie des Monnaies of Geneve Ltd.« in einer ehemaligen Filiale der Chase Manhattan Bank mit Tresorräumen im Keller einrichtete. Diese Jahre markierten den Höhepunkt seiner numismatischen Karriere. Doch so »königlich« aufsehenerregend sein Eintritt in den geschäftigen New Yorker Dschungel auch war – er führte letztlich zum Untergang seines »Imperiums«.

Ahlström mit seiner zweiten Frau Eva auf Flitterwochen in Japan, 1968. Foto: Familienarchiv.

Ahlström mit seiner zweiten Frau Eva auf Flitterwochen in Japan, 1968. Foto: Familienarchiv.

Anbei eine kleine Anekdote, die seinen Charakter – als Lebemann und Händler (aber konnte man das bei ihm wirklich unterscheiden?) – prägnant einfängt: 1968 heiratete er seine zweite Frau Eva. Man beschloss, die Flitterwochen in Japan zu verbringen. Während ihrer Reise erkundeten sie u.a. Städte wie Kyoto, Tokio – auch Nagasaki – und genossen die Kultur des Inselstaats mit seinem Reichtum an Sehenswürdigkeiten, charismatischen Orten und traditionellen Sitten. Ebenso bemerkenswert war jedoch, dass es Bernt Ahlström gelang, selbst noch diese Flitterwochen in ein profitables Geschäft zu verwandeln: Durch den Verkauf einer einzigen japanischen Münze deckte er die gesamten Kosten ihrer luxuriösen Reise (einschließlich der erlesenen Hotel-Adressen, in denen sie abstiegen). Ein »klassisches« Beispiel für Bernt Ahlströms Fähigkeit, Savoir-vivre mit unternehmerischem Geist zu verbinden.

Bernt Ahlström und der Münzhändler Christian Winterstein, ca. 1980. Foto: Familienarchiv.

Bernt Ahlström und der Münzhändler Christian Winterstein, ca. 1980. Foto: Familienarchiv.

1970er und 1980er – Eroberung von Paris und Rückzug in die USA

Zusammen mit seinem zweiten Bruder John Ahlström gründete er Mitte der 1970er Jahre in Paris ein Weingeschäft, die »Galerie des Vins«. Wenig später entschloss er sich zum Kauf einer Pariser Privatbank, der »Crédit de la Bourse« (1976). 1980 schließlich wurde der prestigereiche Place Vendôme zum Standort einer weiteren Filiale der »Galerie des Monnaies«. Die Räume teilte er mit dem italienischen Juweliers-Haus »Buccellati« (dessen Gründer, Mario Buccellati, hatte Gabriele d’Annunzio einst den »Prinzen der Goldschmiede« genannt). In einer Unternehmensbroschüre der »Galerie des Monnaies« aus demselben Jahr heißt es stolz: »Rare coins and classical antiques will now share this superb location with examples of the world’s finest handcrafted jewellery«. Ahlströms Unternehmensgruppe warb jetzt mit den eindrucksvollen Standorten Genf, Düsseldorf, New York, Paris. – Die Ambitionen der Unternehmensgruppe und die Weite der Geschäftsfelder waren großzügig konzipiert; zu großzügig – am Ende scheiterte er in Paris.

Mitte der 1980er Jahre schloss Ahlström nach und nach seine europäischen Geschäfte, kehrte »zurück« in die USA und gründete mit Alcedo Almanzar in San Antonio/Texas das Auktionshaus »El Dorado«. Paul J. Bosco hat in einem Nachruf (2020) die Beziehung so zusammengefasst: »Later Ahlstrom partnered with Alcedo Almanzar, operating an auction house in the 1980s, El Dorado. Significantly, it was sometimes called ›El Diablo‹. It is believed Almanzar cheated his partner, likely making him the only person ever to get the drop on Ahlstrom«.

Ahlström unterwegs. Foto: Familienarchiv.

Ahlström unterwegs. Foto: Familienarchiv.

Erschließung eines neuen Sammelgebiets – die Leidenschaft für Olympia

Ebenfalls in den 1980ern entdeckte er ein neues Geschäftsfeld, das er mit der ihm eigenen Mischung aus Leidenschaft, Überzeugungskraft, Hartnäckigkeit, Networking und unternehmerischem Instinkt eroberte, und in dem er schließlich – ohne zu übertreiben – als einer der weltweit führenden Händler und Kenner anerkannt wurde.

Alles begann so: Im Verlauf einer einer Auktion der Münzhandlung Heinrich Winter in Düsseldorf wurde ein kompletter Satz Anstecknadeln von den Olympischen Spielen 1960 in Rom für 15.000 DM verkauft. Ahlström, der im Auktionssaal saß, wurde darauf aufmerksam und äußerte zu einem Kollegen: »Wenn jemand bereit ist, so viel Geld für ein paar olympische Anstecknadeln zu zahlen, dann muss es hier gute Geschäftsmöglichkeiten geben«. Einige Zeit später traf er Juan Antonio Samaranch, den damaligen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Samaranch wiederum erzählte ihm von seinen Ideen und Plänen für ein Olympisches Museum in Lausanne (Schweiz) – und damit war das Geschäftsinteresse endgültig geweckt – und mit ihm die Vision einer neuen unternehmerischen Nische in Sachen collectabilia: das Sammeln olympischer Erinnerungsstücke. Er begann, die Welt nach allem zu durchforsten, was die fünf olympischen Ringe trug. Im einschlägigen Kennerkreis wurde er derart bekannt, dass das Olympische Komitee der USA ihn im Jahr 1996 unter die Teilnehmer am Fackellauf der Olympischen Sommerspiele in Atlanta aufnahm – natürlich behielt er die Fackel… Die Obsession in Sachen olympischer Gegenstände war jedoch nicht nur geschäftlicher Art – im Laufe der Jahrzehnte hatte Bernt Ahlström seinerseits eine beeindruckende Privatsammlung »Olympia« angelegt. Ingrid O’Neil sagte einmal: »Er ist kein Sammler, Bernt will einfach alles haben«. Betrat man sein Haus, konnte man plötzlich vor einem Zweierbob zu stehen kommen, erblickte eine offizielle Uniform olympischer Organisatoren, ganz zu schweigen von den etlichen Wimpeln, Fahnen und sonstigen Souvenirstücken.

Im Jahr 2014 bot Ahlstrom bei einer Auktion in London eine Siegermedaille aus dem Jahr 1896 an, die auf 40.000 Sterling geschätzt wurde. Er war persönlich bei der Auktion anwesend. Zwei wohlhabende Sammler gerieten in einen Bieterwettstreit um die angebotene Siegermedaille von 1896 – der angesetzte Startpreis von 20.000 Sterling stieg kontinuierlich und unerbittlich an, bis schließlich der Hammer bei 180.000 Sterling fiel. Die Anwesenden im Saal erhoben sich und applaudierten unter standing ovations. Kein anderer als Ahlström hätte wohl einen solchen »verrückten Preis« erzielt.

Ahlström 2019, etwa einen Monat vor seinem Tod, beim telefonischen Bieten. Foto: Familienarchiv.

Ahlström 2019, etwa einen Monat vor seinem Tod, beim telefonischen Bieten. Foto: Familienarchiv.

»Global player«, geschickter Networker, exzellenter Numismatiker

Bei einem unserer letzten Treffen in Zürich erzählte er mir einiges aus seiner 60-jährigen Karriere – leider viel zu wenig, aufgeschrieben hatte »noch« nichts. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen klugen, mitunter natürlich auch »gerissenen« Geschäftsmann, der sich als Händler wie als Sammler auf sein Handwerk verstand. Für mich persönlich war gehörte er zu den ersten international agierenden Münzhändlern und verkörperte den Typus eines »global players«, der uns heute so selbstverständlich geworden ist. Er war ein ausgezeichneter Numismatiker, dessen Kenntnisse sich über beeindruckend weite Gebiete erstreckten. Er verfügte über hervorragende Kontakte. Er war Hauptakteur auf mehreren Märkten und weltweit präsent auf allen wichtigen Ausstellungen. Er war ideenreich und scheute das Risiko nicht. Er genoss großen Respekt, war allerdings nicht immer einfach im Umgang und kam manches Mal mit einigermaßen – sagen wir –: »fragwürdigen« Lösungen daher. – Bernt Ahlström verstarb nach einem schweren Krebsleiden im Dezember 2019, nachdem er Ärzte, Krankheit und den Teufel herausgefordert hatte. Noch bis zu seiner letzten Woche reiste er und bot auf Auktionen mit.

Seine numismatische Bibliothek, die wir über mehrere Gut-Lynt Auktionen verteilt anbieten dürfen (der erste Teil geht am 6. April 2024 in der Gut-Lynt Auktion 16 in den Verkauf), zeigt einmal mehr eindrucksvoll, was für ein leidenschaftlicher Numismatiker er war, der Münzen und Medaillen nicht nur handeln, sondern auch intensiv studieren wollte – auch wenn ihm meistens die Zeit dazu fehlte.

Arne Kirsch, Tönisvorst, Frühjahr 2024

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