Zwischen Deutschland und Frankreich: Das Herzogtum Lothringen
Angefangen hat eigentlich alles mit dem Vertrag von Verdun im Jahre 843. Er sicherte Lothar, dem ältesten Sohn Ludwigs des Frommen, neben dem Kaisertitel einen Reichsteil, den Historiker scherzhaft als Kegelbahn bezeichnen. Er erstreckte sich nämlich von der Nordsee zum Mittelmeer und umfasste sowohl das wirtschaftlich starke Rheinland als auch die Kaiserstadt Rom. Die beiden jüngeren Brüder erhielten das Westfrankenreich, aus dem später Frankreich entstehen sollte, bzw. das Ostfrankenreich, Ursprung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation.
Die Aufteilung des Karolingerreichs im Vertrag von Verdun. Quelle: Christoph S., Wolpertinger / CC BY-SA 3.0
Nur dumm, dass Lothar drei Söhne hatte, unter denen er nach fränkischem Recht sein Reich gerecht aufteilte, noch dümmer, dass alle drei ohne Erben starben. Lothar II. hinterließ das nach ihm benannte Lotharingen, das von Anfang an ein Zankapfel zwischen West- und Ostfrankenreich war, bzw. zwischen Frankreich und Deutschem Reich werden sollte.
Lothringen. Jean I., 1346-1390. Florin d’or o. J. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1813. Taxe: 3.500 Euro
Machen wir einen Sprung ins 14. Jahrhundert. Damals gewann Lothringen seine endgültige Gestalt. Der nordwestliche Teil, genannt Niederlothringen, zerfiel in Luxemburg, Limburg, Jülich und Brabant; vom südöstlichen Oberlothringen spaltete sich das Herzogtum Bar ab. Metz, Toul und Verdun erhielten den Rechtsstatus einer freien Reichsstadt. Nancy wurde zur Hauptstadt und zum Mittelpunkt des verbleibenden Herzogtums Lothringen.
Lothringen. René II., 1473-1508. Florin d’or o. J., Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1820. Taxe: 7.500 Euro
1473 erbte René II. von Anjou das Herzogtum, und das gerade rechtzeitig. Der Burgunder Karl der Kühne hatte nämlich das alte Niederlothringen erobert und hätte seine Macht zu gerne auch auf Oberlothringen ausgedehnt. Doch damit kam er dem französischen König in die Quere. Man gibt Ludwig XI. gelegentlich den Beinamen die Spinne, denn wie eine Spinne spann er ein Netz von Allianzen, in dem sich Karl der Kühne fangen sollte. Zu Ludwigs Verbündeten gehörte nicht nur René II., dessen Lothringen bedroht war, sondern auch die Schweizer. Sie erhielten jährlich 20.000 Gulden für ihre militärische Unterstützung, die sich im Falle eines Krieges auf 20.000 Gulden alle drei Monate erhöhten. Ein wirksamer Ansporn, sich einzumischen. So kam es, dass Karl der Kühne – wie das Sprichwort sagt – bei Grandson das Gut, bei Murten den Mut und bei Nancy das Blut verlor. An letzterem war übrigens René II. beteiligt. Karl starb, als René 1477 mit 8.000 eidgenössischen Söldnern seine Hauptstadt entsetzte.
Lothringen. Antoine der Gute, 1508-1534, mit seiner Gemahlin Renée de Bourbon-Montpensier, 1494-1539. Medaille von Matteo del Massaro. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1840. Taxe: 2.500
Renés ältester Sohn Antoine erbte Lothringen im Jahr 1508. Er wuchs am französischen Hof auf und war ein treuer Gefolgsmann erst von Ludwig XII. und dann von dessen Sohn Franz I. Antoine kämpfte bei Agnadello, bei Marignano. Bei der Schlacht Pavia, die mehr als zwei Drittel der französischen Streitkräfte Leben, Gesundheit oder Freiheit kostete, war er nicht mehr dabei. Er hatte Glück gehabt: Seine Untertanen erhoben sich im Bauernkrieg, und er blieb in Lothringen, um ihn niederzuschlagen. In der Schlacht von Schlettstadt kamen am 20. Mai 1525 rund 30.000 Bauern auf den Befehl Antoines des „Guten“ ums Leben.
Lothringen. Antoine der Gute, 1508-1534. Teston 1544, Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1838. Taxe: 400 Euro
Lothringen war wichtig im Krieg zwischen Franz und Karl. Deshalb gestand der Kaiser Antoine für seine Neutralität im Vertrag von Nürnberg 1542 die faktische Unabhängigkeit Lothringens vom Deutschen Reich zu.
Lothringen. Charles III., 1545-1608. Écu o. J. (1556-1561), Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1845. Taxe: 5.000 Euro
1545 kam Charles III. auf den Thron. Er war gerade mal zwei Jahre alt. So übernahm seine Mutter, Christina von Dänemark, die Regentschaft. Sie war die Nichte von Karl V. und ihre Vorlieben galten eher der Seite des Kaisers.
Lothringen. Charles III., 1545-1608. Écu 1569, Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1846. Taxe: 3.500 Euro
Dies war nicht im Interesse des französischen Königs. Der war zwar katholisch, doch er unterstützte die Sache der Protestanten, der Feinde seines Feindes Karl V. Im Vertrag von Chambord einigten sich Heinrich II. und Moritz von Sachsen darauf, dass der Schmalkaldische Bund 70.000 Goldkronen pro Monat für den Kampf gegen den Kaiser erhalte. Als kleine Entschädigung ernannte Moritz Heinrich dafür zum Reichsvikar der in Lothringen gelegenen Reichsstädte Toul, Verdun, Metz und Cambrai.
Metz, Bistum. Robert de Lenoncourt, 1551-1555. Écu 1551. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 2021. Taxe: 6.000 Euro
Das war weder rechtmäßig noch gerecht, aber Heinrich II. verfügte über ein Heer, und mit dem eroberte er Toul, Verdun und Metz. Protestierende Kardinäle wie Robert de Lenoncourt entschädigte er großzügig. Die drei Reichsstädte wurden unter dem Namen Trois-Évêchés zur französischen Provinz.
Lothringen. Charles III., 1545-1608. Taler 1603, Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1865. Taxe: 4.000 Euro
Auch Christine von Dänemark wurde entsorgt. Heinrich setzte einen frankophilen Regenten ein und regelte damit die Angelegenheiten Lothringens in seinem Sinne. Den neunjährigen Charles nahm er mit nach Paris, um ihn am Königshof nach den eigenen Vorstellungen zu erziehen. Erst 1559 kehrte Charles III. nach Nancy zurück, verheiratet mit einer Tochter Heinrichs II. Er hätte nie mehr etwas gegen den französischen König unternommen, hätte nicht ausgerechnet ein Hugenotte seine Ansprüche auf den Thron angemeldet.
Lothringen. Charles III., 1545-1608. Double Pistole o. J. (1581-1608). Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1867. Taxe: 10.000 Euro
Charles war überzeugter Katholik; einen Hugenotten konnte er nicht als König akzeptieren. Deshalb propagierte er seine eigene Abstammung von Karl dem Großen, um so selbst Anspruch auf den französischen Thron zu erheben. Charles III. setzte sich nicht durch, aber er pokerte so gut, dass sein Sohn und Nachfolger, Heinrich II. der Gute, die Schwester des neuen Königs heiratete und er als Schwiegerpapa zusätzlich noch 2.700.000 Livres einstrich. Kein Wunder, dass Lothringen unter Charles III. blühte und gedieh!
Lothringen. Charles IV. und Nicole, 1624-1625. Teston 1624, Nancy. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1879. Taxe: 125 Euro
Heinrich der Gute hatte keine Söhne. Deshalb setzte er seine Tochter Nicole als Erbin ein. Doch Heinrichs Bruder, François de Vaudémont, beanspruchte das Herzogtum als nächster männlicher Erbe für sich. Als eine Art Kompromiss entschieden die Brüder, Nicole mit dem Sohn von François zu verheiraten. Keine glückliche Lösung.
Lothringen. Charles IV., 1625-1634. Double Pistole 1631. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1880. Taxe: 10.000 Euro
Damit hätte Charles IV. lediglich als Ehemann von Nicole geherrscht. Die lothringischen Generalstände erkannten aber François, Bruder des Verstorbenen Herzogs als Erben an. Der akzeptierte und trat fünf Tage später zugunsten seines Sohnes Charles zurück. Damit blieb nur noch das Problem der ungeliebten Ehefrau. Ein Versuch, die Ehe für ungültig erklären zu lassen, weil Nicole eine Hexe sei, scheiterte. Auch der Papst spielte nicht mit, als François dort um Annulierung der Ehe bat.
Lothringen. Charles IV., 1638-1639, Prägung im Exil. Teston 1638, Remiremont / Vogesen. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1884. Taxe: 400 Euro
Der französische König nutzte die Rechtsunsicherheit, um mit seinen Truppen in Lothringen einzumarschieren. Charles IV. versuchte, sein Herzogtum zurückzuerobern. Auch wenn es hin und wieder so aussah, als würde ihm dies gelingen, scheiterte er letztendlich doch daran. Bei seinem Tod hielt der König von Frankreich Lothringen immer noch besetzt.
Lothringen. Leopold, 1690-1729. Écu 1702. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1892. Taxe: 5.000 Euro
Der nächste Herrscher des Herzogtums hieß Leopold Joseph von Lothringen und war ein Enkel von Charles IV. Und mehr noch! Weil sein Vater – der „Herzog ohne Herzogtum“ – zu den berühmtesten Feldherrn des Kaisers gehört hatte, hatte ihn dieser mit der Hand seiner eigenen Tochter geehrt. Damit war Leopold auch ein Enkel des deutschen Kaisers. Dem Frieden von Rijswijk 1697 verdankte Leopold seine Rückkehr nach Lothringen. Doch viel Zeit blieb ihm nicht. Bereits 1702 besetzte Ludwig XIV. Nancy. Leopold richtete sich in Lunéville ein, das als Versailles von Lothringen bekannt wurde.
Lothringen Franz III. Stephan, 1729-1737. François d’or 1736. Aus Auktion Grün 71 (2017), Nr. 1984. Taxe: 7.500 Euro
Über seinen Sohn brauchen wir nicht allzu viel sagen. Jeder kennt ihn. Es handelt sich um Franz Stephan, Gemahl Maria Theresias. Sein Herzogtum diente als Verhandlungsmasse bei der Suche nach Akzeptanz für die pragmatische Sanktion. Der französische König akzeptierte, dass Maria Theresia ihrem Vater auf den Thron folgte. Dafür stellte Franz Stephan dem gescheiterten polnischen König, Stanislaus I. Leszczynski, sein Herzogtum zur Verfügung. Zum Ausgleich erhielt Franz die Toskana. Nach dem Tod von Leszczynski fiel Lothringen zurück an den französischen König. Da Leszcynski kein Prägerecht übertragen worden war, endet die lothringische Münzprägung mit Franz III. Stephan.
Lothringen sollte noch mehrfach den Besitz wechseln: 1871, nach dem 1. Weltkrieg und dem 2. Weltkrieg. Es wurde geradezu zum Inbegriff des deutsch-französischen Konflikts. Die Europäische Union hat dieser so oft vom Krieg heimgesuchten Region einen Frieden beschert, der bereits mehr als 70 Jahre andauert. Nie zuvor hat Lothringen in der Geschichte eine so lange Phase des Friedens erlebt.
Alle Münzen der Auktion finden Sie auf Sixbid.
Wir haben eine Auktionsvorschau für das gesamte Material publiziert.
Und hier kommen Sie zur Heidelberger Münzhandlung.