Warum wurden Anlagemünzen in Silber so teuer?

Tim Schieferstein ist Geschäftsführer der SOLIT Management GmbH, eines der größten Edelmetallhändlers in Europa, zu der u.a. der Onlineshop GoldSilberShop.de gehört. Sein Wissen als Experte für Anlage in Edelmetall teilt Schieferstein auf Youtube und kürzlich in einem Buch.

Als Anlagemünzen in Silber im Herbst 2022 schlagartig teurer wurden, baten wir daher Tim Schieferstein, uns genauer zu erklären, wieso es dazu gekommen ist. Denn der Hintergrund ist kompliziert …

MünzenWoche: Ende September haben quasi über Nacht alle Edelmetallhändler die Verkaufspreise von Silbermünzen um mindestens 12% erhöht. Was ist der Grund dafür?

Tim Schieferstein: Am Abend des 30. September 2022 erhielt ich von einem Händlerkollegen ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums zugespielt, in dem verlautbart wurde, dass bei der Einfuhr von Silbermünzen nur noch in Ausnahmefällen bei Sammlerstücken der reduzierte Einfuhrumsatzsteuersatz von 7% angewendet werden darf. Für die gängigen Anlagemünzen wie Krügerrand, Britannia, Maple Leaf oder Känguru hingegen soll der reguläre Einfuhrumsatzsteuersatz von 19% angewendet werden. Das Schreiben endete mit der Anmerkung, dass dies auf alle offenen Fälle anzuwenden sei. Es war keine Übergangsfrist genannt, die es uns als Edelmetallhändler ermöglicht hätte, auf die für Händler und Silberkäufer gravierende Änderung entsprechend vorbereitet zu reagieren.

Es herrschte eine große Verunsicherung, ob und ab wann diese Änderung wirksam wird. Wahrscheinlich hat sich jeder Branchenteilnehmer überrumpelt gefühlt und aus Vorsicht kurzfristig die Verkaufspreise um mindestens 12% erhöht, um bei einer eventuellen Einfuhrumsatzsteuernachforderung nicht auf dieser sitzenzubleiben. Das besagte Schreiben wurde übrigens auch erst in der darauffolgenden Woche am 6.10. rückdatiert auf den 27.9. veröffentlicht.

Noch heute ist vollkommen unklar, ob die Erhöhung der EUSt. rückwirkend zum 27.9. oder gar noch früher angewendet werden soll. Ein kommunikatives Desaster seitens des BMFs gegenüber uns Edelmetallhändlern!

Wir hoffen, dass in den nächsten Tagen endlich eine klare Aussage hinsichtlich des Termins getroffen wird, ab wann die Regelung anzuwenden ist. Zudem erhoffen wir uns eine angemessene Übergangsfrist bis zum Beispiel zum 31.12.2022. So hätten Silberkäufer nochmals die Chance, Silbermünzen differenzbesteuert zu günstigen Konditionen zu kaufen, und wir Unternehmer hätten ausreichend Zeit, um die Umstellung prozessual vorzubereiten.

MW: Sie sagten etwas von Erhöhung des Einfuhrumsatzsteuersatzes und Differenzbesteuerung – können Sie nochmals erklären, was es damit auf sich hat?

TS: Zum Jahreswechsel 2013/2014 wurde der reduzierte Mehrwertsteuersatz für Silbermünzen von 7% abgeschafft. Seitdem müssen Silbermünzen mit dem regulären Mehrwertsteuersatz von 19% verkauft werden. Im Vergleich zu Goldmünzen, die mehrwertsteuerfrei verkauft werden, ist der Kauf von Silbermünzen aufgrund der hohen Mehrwertsteuer also unattraktiver.

Der Gesetzgeber hat aber damals den Einfuhrumsatzsteuersatz für Silbermünzen, die aus einem Nicht-EU-Land importiert werden, nicht erhöht. Er betrug bis zu diesem ominösen BMF-Schreiben weiterhin nur 7%. Da fast alle Anlagemünzen außerhalb der EU hergestellt werden – so kommt die meistgekaufte Silbermünze Maple Leaf beispielsweise aus Kanada – konnte man diese als Händler also weiterhin steueroptimiert importieren. Statt diese mit dem regulären Mehrwertsteuersatz von 19% an den Privatkunden weiterzuverkaufen, konnten Edelmetallhändler zur Differenzbesteuerung optieren. Dies bedeutet, dass wir lediglich auf die Differenz zwischen Einkaufspreis inklusive Einfuhrumsatzsteuer und Verkaufspreis 19% Mehrwertsteuer abführen mussten.

Dies hatte für den Anleger den riesengroßen Vorteil, dass sich Silbermünzen aufgrund der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes eben nicht um zwölf Prozentpunkte verteuerten, sondern preislich nahezu unverändert blieben. Die Margen des Edelmetallhandels sind gering, so dass 19% Differenzbesteuerung auf unsere Marge preislich kaum ins Gewicht fiel. Da von Händlern von Privatpersonen angekaufte Silbermünzen auch differenzbesteuert weiterverkauft werden konnten, ist sogar der Spread bei Silbermünzen gesunken. Unter Spread versteht man die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis. Je geringer dieser ist, umso besser für den Anleger, da der Silberpreis weniger stark steigen muss, damit er „ins Plus kommt“. Die Anwendung der Differenzbesteuerung in Kombination mit Ankauf oder – was der Regelfall war – Import mit reduziertem Einfuhrumsatzsteuersatz war also für Edelmetallkäufer ein Segen, der eine Kapitalanlage in Silber vergleichbar attraktiv zu der in Gold gemacht hat.

Dies hat das BMF nun mit dem Schreiben zunichte gemacht. Silber gilt auch als das Gold des kleinen Mannes, da der Grammpreis deutlich geringer ist als der von Gold. Kleinanleger sind von dieser Steueränderung also deutlich stärker betroffen als betuchtere Investoren.

MW: Das klingt alles sehr komplex. Können Sie das mit einem Zahlenbeispiel greifbarer machen?

TS: Kostete eine Silbermünze mit einem Feingewicht von einer Feinunze, was 31,1 Gramm entspricht, bis dato rund 25 €, erhöhte sich der Preis nur aufgrund der erhöhten Einfuhrumsatzsteuer auf nun über 28 €. Ein Großanleger bekam Mitte September noch rund 400 Unzen Silbermünzen für 10.000 €. Heute sind es nur noch ca. 357 Unzen.

Neben Gold hat sich Silber als ein inflationsbeständiges Investment bewiesen und war daher auch als Altersvorsorge äußerst beliebt. Die private Altersvorsorge und Inflationsschutz sind gerade zurzeit ein wichtiges Anlagemotiv vieler Sparer. Das BMF hat also mit dieser Handlung insbesondere dem Kleinanleger, der sich monatlich ein oder zwei Silberunzen gekauft hat, den Zugang zu einer kostengünstigen inflationsbeständigen Kapitalanlage als Altersvorsorge erschwert bzw. wirtschaftlich unattraktiver gemacht.

MW: Dafür kann sich der Fiskus nun über höhere Steuereinnahmen aus den Silberverkäufen freuen. Oder etwa nicht?

TS: Nein, das ist eine typische Milchmädchenrechnung: Auch der Staat dürfte mit diesem Schritt nicht mehr Steuereinnahmen durch Einfuhrumsatzsteuer, Differenzbesteuerung und Mehrwertsteuer erhalten, sondern deutlich weniger: Wer es sich leisten kann oder die hohe Steuerbelastung beim Kauf scheut, kauft nun Gold, das von der Mehrwertsteuer befreit ist. Der Staat vereinnahmt also eher gar keine Verkaufssteuer bei diesen Käufen.

Seit Erhöhung der Silbermünzenpreise ist der Umsatz mit diesen bei uns um über 80% eingebrochen. Er nimmt also nur noch auf 1/5 der ursprünglichen Umsätze 19 % statt 7% Einfuhrumsatzsteuer ein. Unterm Strich war diese Änderung keine Steuereinnahmen erhöhende Maßnahme, sondern reduziert diese sogar. Weder der Staat noch der Anleger hat durch die Änderung einen finanziellen Vorteil. Ein klassisches Beispiel für ineffektive Steuerbürokratie von Politik und Finanzbeamten, die thematisch eher unwissend sind. Es wurde ein großer Schaden angerichtet, bei dem es nur Verlierer gibt.

MW: Gilt diese Regelung auch für Münzbarren und können Sie kurz erklären, was Münzbarren sind?

TS: Ja, diese Änderung betrifft auch Münzbarren. Diese sind Silberbarren, auf denen ein Münzemblem aufgeprägt ist. Dadurch zählen sie als Silbermünze und nicht als Silberbarren. Dadurch konnten wir sie differenzbesteuert anbieten. Ein 1-kg-Münzbarren war dadurch bis zu 12% günstiger als ein gleichgewichtiger Silberbarren.

Münzbarren werden nun voraussichtlich nicht mehr hergestellt, da sie etwas teurer in der Herstellung waren als Silberbarren: Das Land, das seinen Legal Tender zur Aufprägung auf den Münzbarren bereitgestellt hat, hat sich dies (minimal) bezahlen lassen. Dies hat sich bisher für den Anleger gerechnet. Nun sind Silberbarren, die steuerlich nun gleichgestellt sind, etwas günstiger.

MW: Was raten Sie Anlegern in der jetzigen Situation?

TS: Wer möglichst kostengünstig in Edelmetalle investieren will, sollte Gold den Vorzug geben. Silber ist im historischen Kontext zu Gold hingegen günstig bewertet. Viele Silberkäufer haben deshalb bisher sich für das Weißmetall statt für Gold entschieden – sie setzen darauf, dass sich dieses Missverhältnis längerfristig ausgleicht und der Silberpreis überproportional zu dem von Gold ansteigt. Aus dieser Überzeugung heraus habe ich auch persönlich zu circa 60% in Silber und nur rund 40% in Gold investiert. Wer weiterhin in Silber investieren will, muss steuerlich bedingt tiefer in die Tasche greifen. Er kann nun aber auf das volle Silber-Sortiment setzen. Silberbarren waren bisher aufgrund der Mehrwertsteuer unattraktiv. Sie sind nun, was den Grammpreis angeht, aufgrund der höheren Gewichtseinheiten von bis zu 15 kg pro Barren deutlich attraktiver. Wer es sich leisten kann, sollte also einen größeren Silberbarren kaufen.

Eine weitere Möglichkeit, um Silber möglichst günstig zu erwerben, ist es, den Kauf mit der Verwahrung in einem Zollfreilager zu kombinieren. Wir bieten dies zum Beispiel deutschen Anlegern mit einem Zollfreilager in der Schweiz und Liechtenstein an. Wie der Name verrät, wird Silber – egal, ob Barren oder Münzen – zollfrei, also ohne Zahlung der Einfuhrumsatzsteuer gekauft. Dies war auch schon vor dem 27.9.2022 die günstigste Möglichkeit, Silber zu kaufen, und hat nun noch mehr an Attraktivität gewonnen.

MW: Ist die Differenzbesteuerung somit auch passé?

TS: Nein, das würde ich nicht sagen. Sie könnte auch weiterhin eine glanzvolle Sache für Silberkäufer sein: Stand jetzt können wir Silbermünzen, die wir von Privatanlegern gekauft haben, differenzbesteuert weiterverkaufen. Damit konkurriert der Einkaufspreis, den wir beim Hersteller bezahlen, mit dem alternativen Einkauf über den Ankauf von Privatanlegern. Für uns als Händler kann es also wirtschaftlich attraktiver sein, Privatanlegern einen hohen Ankaufspreis zu bieten differenzbesteuert bzw. an diese weiterzuverkaufen anstatt Neuware vom Hersteller zu kaufen und diese mit der regulären Mehrwertsteuer zu verkaufen. Ich rechne damit, dass die Ankaufspreise steigen, sich somit der Spread bei Silbermünzen wieder reduziert und zumindest unter diesem Blickwinkel Silbermünzen ein Stück ihres bisherigen Glanzes zurückgewinnen.

 

Das amtliche Schreiben vom 27.9. finden Sie übrigens auf der Seite des Bundesfinanzministeriums.

Wir haben Tim Schiefersteins Buch zur Investition in Edelmetalle vorgestellt.

Erst im Sommer erhielt SOLIT von Focus Money die Testauszeichnung „Bester Anbieter von Goldsparplänen“.

Hier kommen Sie zur Website von SOLIT.

In einer Serie haben wir die Anlagemünzen der Welt ausführlich vorgestellt.