Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen – Teil 7: Kirche und Faschismus

Mehr als ein halbes Jahrhundert haben die Päpste dem säkularisierten italienischen Staat gegrollt und im Vatikan geschmollt. Doch im Jahre 1922 wird mit Papst Pius XI. (1922–1939) ein Papst gewählt, der wieder willens ist, in die Politik einzugreifen. Durch Konkordate – völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen der katholischen Kirche und einem Staat – soll das Verhältnis zwischen der Kirche und den europäischen Staaten geregelt werden.

Aussöhnung zwischen Vatikan und Italien

Im Jahre 1929 beendet ein solches Konkordat – der so genannte Lateranvertrag – die 60-jährige Fehde zwischen dem italienischen Staat und dem Vatikan: Der Papst anerkennt das Königreich Italien mit Rom als Hauptstadt. Damit können in Italien zum ersten Mal seit der Staatsgründung auch Katholikinnen und Katholiken ganz offiziell politisch aktiv sein. Im Gegenzug erhält der Papst wieder einen eigenen Staat – den knapp einen Quadratkilometer großen Vatikanstaat – und als Abfindung für den verlorenen Kirchenstaat die ungeheure Summe von einer Milliarde Lire in Staatspapieren und 750 Millionen Lire in bar. Damit beträgt das Startkapital des kleinsten Staates der Welt umgerechnet gut 80 Millionen Dollar.

Am 11. Februar 1929 unterzeichnen Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri für den Vatikan und Benito Mussolini für das Königreich Italien die sogenannten Lateranverträge.

Mussolini und Hitler: Vertragspartner des Papstes

Die Aussöhnung mit dem Papst macht Mussolini zum Heiler alter Wunden. Im tief katholischen Italien verleiht dieser Pakt dem Duce ein enormes Prestige – ebenso, wie einige Jahre später das Konkordat mit Hitlerdeutschland das Ansehen der Nazis steigern wird. Obwohl Pius XI. weder Mussolini noch seinen deutschen Nachahmer Hitler besonders schätzt, sieht er in Faschismus und Nationalsozialismus die einzige Rettung vor dem Kommunismus. Und so schließt er denn im Jahre 1933 auch mit dem nationalsozialistischen Deutschland einen Pakt. Danach verpflichtet sich die Kirche zum Rückzug aus der Politik, dafür lässt man ihr ihre Autonomie und schützt die kirchlichen Vereine. Durch dieses Reichskonkordat erkennt die katholische Kirche den Nationalsozialismus offiziell an. Für Hitler ist das ein wichtiger diplomatischer Sieg: sein erster völkerrechtlicher Vertrag – und erst noch mit dem Papst geschlossen! Das verleiht ihm in der gesamten katholischen Welt Legitimität.

Mussolini träumt von einem großen italienischen Imperium rund ums Mittelmeer und von noch mehr afrikanischen Kolonien. Hier grüßen Äthiopier 1935 ordnungsgemäß in Mekelle ein Porträt Mussolinis.

Italiens alte Kolonieträume

Auch die militärische Expansion trägt zur Festigung des faschistischen Regimes bei. In Italien knüpft Mussolini an alte koloniale Träume an: Wie im Römischen Reich soll das Mittelmeer wieder zu einem „mare nostrum“ werden – zu einem Binnenmeer unter italienischer Kontrolle. Zudem beginnt Italien im Jahre 1935 einen neuen Eroberungsfeldzug in Afrika, um seine Kolonien Eritrea und Somalia durch das äthiopische Hochland zu erweitern. Der italienische König Viktor Emanuel III. nimmt den Titel „Kaiser von Abessinien“ an. Aber Äthiopien ist Mitglied des Völkerbundes und dieser verhängt denn auch umgehend Wirtschaftssanktionen gegen Italien. In der Folge schließt sich Italien immer enger an Deutschland an – an jenes Land, das sich nicht an die Sanktionen hält. Einige Jahre später, 1939, marschieren italienische Truppen in Albanien ein. Nach weiteren Eroberungsversuchen auf dem Balkan und in Nordafrika tritt Italien 1940 an der Seite Deutschlands in den Weltkrieg ein. Und die italienischen Bischöfe segnen die abmarschierenden Truppen: Gott ist auf der Seite der Italiener.

Das Motiv der Quadriga finden wir schon in der archaischen Münzprägung des antiken Griechenlands als Sportdisziplin, auf den Münzen der römischen Republik als Gefährt der Götter und als Zeichen der triumphierenden Imperatoren auf Prägungen der Kaiserzeit.

Numismatisch schlägt sich der italienische Imperialismus in einer Münzserie nieder, die 1936 auf die Ausrufung der Kolonie Italienisch-Ostafrika ausgegeben wird. Die Münzen tragen die Inschrift „VITT EM III RE E IMP“ (Viktor Emanuel III., König und Kaiser).

Nicht nur die Inschrift „IMP“ für „Imperator“ – die Bezeichnung der römischen Kaiser – erinnert an die antike Vergangenheit Italiens. Auch die Abbildung auf der Rückseite der Münze knüpft an alte Traditionen an: Die Quadriga, der von vier Pferden gezogene Wagen, erscheint bereits auf Münzen aus der Zeit der Römischen Republik (ca. 500–27 v. Chr.) und stützt sich auf noch ältere, griechische Münzbilder.

Die italienischen Großmachtträume sind schnell vorbei. Ab 1940 verliert Italien Teile von Libyen, 1941 endet ihre Besetzung der restlichen afrikanischen Gebiete. 1941 reißen britische Soldaten in Kismaayo mit einer Planierraupe ein faschistisches Steinmonument nieder.

In Afrika beendet währenddessen eine britische Offensive den italienischen Kolonialismus: 1940 verliert Italien Teile von Libyen und bereits ein Jahr später muss es sich aus seiner Kolonie Italienisch-Ostafrika zurückziehen; Äthiopien, Eritrea und Somalia gehen an Großbritannien über. Damit verliert Ministerpräsident Mussolini in Italien selbst enorm an Prestige, und als im Juli 1943 die Alliierten auf Sizilien landen, ergreift die italienische Regierung die Flucht nach vorn: Im Juli beschließt der Faschistische Große Rat die Absetzung Mussolinis, und kurz darauf ordnet der König die Verhaftung des Duce an.

Königreich Italien. Viktor Emanuel III. 100 Lire 1925. Aus Auktion NYINC Signature Sale 3061 (2018), 32417. Foto: Heritage Auctions.

Viktor Emanuel III. – ein Numismatiker als König

Ab 1926 werden in Italien wieder Silbermünzen zu 5, 10 und 20 Lire geprägt. Und selbst Goldmünzen laufen um: Ein Jahr zuvor hat König Viktor Emanuel III. Goldstücke zu 100 Lire prägen lassen. Mit der Vorderseite dieser Münzen wird das 25-Jahr-Jubiläum seiner Thronbesteigung gefeiert und die Rückseite ist dem Gedenken an den Ersten Weltkrieg gewidmet. Übrigens ist Viktor Emanuel ein großer Anhänger der Numismatik. In den Jahren 1914 bis 1943 gibt er den „Corpus Nummorum Italicorum“ heraus, ein 20-bändiges Werk, das die italienische Münzprägung seit dem Ende des römischen Imperiums behandelt.

Die neue Lira im Strudel der Wirtschaftskrise

Die neue Lira hält sich nicht lange. Die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre führt zu einer Abwertung, dazu kommen der Krieg in Abessinien (1935/36), in dessen Folge der Völkerbund wirtschaftliche Sanktionen gegen Italien verhängt, die Teilnahme Italiens am Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) und die Besetzung Albaniens im Jahre 1939. Diese Militäraktionen verursachen enorme Kosten. Ende der 30er-Jahre ist Italien praktisch bankrott.

Der ökonomische Niedergang Italiens setzt sich während des Zweiten Weltkriegs fort. Der Index der Lebenshaltungskosten steigt innerhalb von vier Jahren – zwischen 1939 und 1943 – von 100 auf 350. Das wirtschaftliche Elend verschärft die Kriegsmüdigkeit der italienischen Bevölkerung. Doch auch nach der Besetzung des Landes durch die Alliierten setzt sich die Inflation fort. 1945 ist das Preisniveau 25 Mal so hoch wie 1938; das Münzgeld ist aus dem Umlauf verschwunden, der Dollarkurs auf 1200 Lire gestiegen. Noch 1927, nach der Einführung der Nachkriegslira, hat ein Dollar 19 Lire gekostet.

 

In der nächsten Folge wird eine zweite Münzserie in besseren Zeiten eingeführt: mitten im italienischen Wirtschaftswunder der 50er Jahre.

Hier finden Sie alle Folgen der Serie „Von der Lira zum Euro. Italiens Geschichte in Münzen“.