Sind Euro-Fehlprägungen eine Wertanlage?

Was sich aktuell auf Verkaufsplattformen im Internet zum Thema Euro-Fehlprägungen abspielt, ist völlig aus den Fugen geraten. In den letzten Jahren haben sich offenbar immer mehr Sammler dem Gebiet der Fehlprägungen zugewandt, was ja zunächst recht positiv ist. Aber Vorsicht! Wer hier kein Fünkchen Grundwissen hat, der tappt ganz schnell dubiosen Scharlatanen in die Falle. Denn die Zielgruppe solcher Angebote besteht nicht immer nur aus erfahrenen Sammlern, stattdessen sollen unwissende Neulinge absichtlich in die Falle gelockt werden. Hier geht es oft um tausende Euro! Skrupellose Anbieter verlangen astronomische Preise für ihre Stücke. Doch von einer Fehlprägung fehlt jede Spur. Fast immer handelt es sich um Fakes, die Sie dann mit der servierten Spinnergeschichte kaufen sollen. Ich beobachte diese Problematik schon recht lange genau. Einige „Ammenmärchen“ aus den Angeboten will ich Ihnen daher heute näher erklären.

Ist dieses 2-Eurostück tatsächlich 5.000 Euro wert? Foto: Angela Graff.

Es ist nicht alles Gold, was glänzt!

Besonders frustrierend ist es, wenn Angebote ein bestimmtes Prägedetail, das wirklich auf die Münze gehört, zum Merkmal einer Fehlprägung erklären. Die besten Beispiele dafür sind die ersten griechischen Cent- und Eurostücke aus dem Jahre 2002.

Da im Zuge der Euroeinführung die schon geprägten Münzen aus der griechischen National Mint in Halandri (Anthemion) für die Erstversorgung nicht ausgereicht hätten, wurden einige Nominale auch in Frankreich, Finnland und Spanien geprägt. So kam es zu den „rätselhaften“ Buchstaben im Stern, der der Jahreszahl 2002 am nächsten steht. Ein „F“ steht hier für Frankreich. Ein „E“ für Spanien und das „S“ für Finnland.

Wie kam das „S“ in den Stern? Das ist ganz einfach erklärt! Foto: Angela Graff.

Das ist jedoch bei weitem keine Seltenheit. Es gibt noch einige andere Länder der Eurostaaten, die ihre Umlaufmünzen von fremden Prägeanstalten herstellen lassen, was dann meistens auf den Münzen zu sehen ist. Auf einigen Jahrgängen der Republik Malta ist im untersten Stern der Motivseite (MS) ein kleines „F“ für die Prägestätte in Frankreich (Monnaie de Paris, Pessac) zu erkennen. Das ist völlig in Ordnung und so beabsichtigt! Die Republik San Marino betreibt ebenfalls keine eigene Prägeanstalt und sämtliche Umlaufmünzen werden in der italienischen Münzstätte in Rom (IPZS) hergestellt. Sie tragen daher ein „R“ wie die italienischen Stücke. Das gleiche gilt für Münzen der Vatikanstadt, die ebenfalls ein „R“ tragen. Der allererste (2007) und einige weitere Jahrgänge aus Slowenien haben unten ein „Fi“ eingeprägt, was uns den Hinweis auf die finnische Prägestätte liefert.

Auch ein 50-Centstück aus Frankreich von 1999 ist keine Seltenheit. Foto: Angela Graff.

Euromünzen von 1999? Gibt es das überhaupt?

Ja, es gibt sie. Obwohl der Euro erst 2002 eingeführt wurde, zeigen die Stücke einiger Euroländer das Jahr der eigentlichen Herstellung der Münzen. Solche Stücke tragen dann entweder die Jahreszahl 1999, 2000 oder 2001. Und das ist gar nicht so selten. Es handelt sich dabei um Stücke der Länder Belgien, Finnland, Frankreich, der Niederlande und Spanien. Dies ist keinesfalls eine Besonderheit oder gar Fehlprägung. Obwohl in Deutschland ebenfalls schon vor der Einführung geprägt wurde, einigte man sich auf das Ausgabejahr (2002) als früheste Jahresangabe auf den Münzen. Deutsche Euromünzen von 1999, 2000 oder 2001 gibt es also nicht. Wer diese Fakten kennt, der wird wohl kaum auf das folgende Verkaufsangebot hereinfallen:

„Achtung! Ich biete eine 2-Euro-Münze aus Frankreich von 1999 an. RAR weil Prägung von 1999!!! Den Euro gab es aber erst ab 2002, damit ist das Stück eine Top-Rarität und eine Wertanlage, weil wohl einzigartig. Privatkauf keine Rücknahme, keine Garantie, kein Umtausch. Versand ist möglich.“

Die vermeintlich seltene 2-Euromünze sollte 5.000 Euro kosten. Ein ähnliches Angebot, in diesem Fall eine 1-Euromünze aus Belgien, sollte dagegen „nur“ 1.000 Euro kosten.

Wer sich als Neu-Sammler auf derartige Angebote einlässt, zahlt leider ein viel zu hohes Lehrgeld. Denn die Stücke sind gerade einmal 1 resp. 2 Euro wert.

Der angebliche Ball ist ein Latentbild. Foto: Angela Graff.

Die besondere Fehlprägung aus Luxemburg

Wer über die genauen Einzelheiten nicht informiert ist, staunt hier sicherlich nicht schlecht. Bei der ersten 2-Euro-Gemeinschaftsausgabe von 2007 „50 Jahre Römische Verträge“ war auch das Großherzogtum Luxemburg dabei. Die MS zeigt bei allen teilnehmenden Eurostaaten das aufgeschlagene Vertragswerk und im Hintergrund die besondere Pflasterung des Kapitolsplatzes in Rom. Die Inschriften erscheinen in der jeweiligen Landessprache. Die MS sollten daher alle gleich aussehen. Beim Stück aus Luxemburg ist allerdings etwas anders. Auf der linken Seite fällt die kleine Kugel auf. Doch was ist das, und warum ist sie dort? Schauen wir uns zunächst ein Angebot dazu an, das eine ganz seltene Fehlprägung verspricht:

„2-Euro-Vertrag von Rom mit großer Fehlprägung. Auf dem Motiv befindet sich ein Ball, der da nicht hingehört! Ganz seltenes Stück mit einzigartiger Fehlprägung, eine wirklich einmalige Gelegenheit! Nur 2.500 EUR.“

Fakt ist, dass der vermeintliche Ball dort absichtlich platziert wurde. Es ist eine Art Kippbild (Latentbild). Hält man die Münze in den Händen und kippt sie seitlich, ist entweder das vollständige Motiv zu sehen oder das Seitportrait des Großherzogs Henri. Genau das war bei der Prägung beabsichtigt. Die Münze ist also keine Fehlprägung. Die Münzgesetze von Luxemburg schreiben vor, dass der regierende Großherzog auf allen Münzen abgebildet werden muss. Daher musste bei der Gestaltung der Münze ein Kompromiss eingegangen werden – ein Latentbild. Auch bei den folgenden Gemeinschaftsausgaben ist solch ein Latentbild fester Bestandteil der Motivseite.

Gleich 2.900 Euro für eine angebliche Rondenverwechslung

Der Anbieter machte nicht viele Worte um sein „besonderes“ Stück:

„Fehlprägung 2-Euro auf 1-Cent-Ronde geprägt! Falscher Schrötling! Das Stück ist magnetisch und identisch einem 1-Cent (Eurocent).“

Dazu hatte er dem Kaufangebot einige Fotos beigelegt. Kenner werden wohl auf den ersten Blick bemerken, dass hier etwas nicht stimmt, und schmunzelnd weiterscrollen. Doch schauen wir uns das angebotene Stück etwas genauer an. Fast 3.000 Euro für eine angebliche Fehlprägung ist schließlich kein kleiner Fisch. Kam es hier wirklich zu einer Schrötlingsverwechslung, oder ist dies nur der Kern (Pille) eines 2-Eurostücks und damit keine Fehlprägung? Wie uns der Verkäufer im Angebot weiter verrät, wiegt das angebotene Stück 2,27 Gramm. Ein 1-Centstück wiegt aber 2,30 Gramm. Zugegeben, das ist kaum ein Unterschied und es gibt gewisse Toleranzgrenzen beim Gewicht einer Münze. Doch sehen wir weiter.

Das Stück wird zwar wie ein 1-Centstück vom Magneten angezogen, es hat jedoch keinen Randstab! Es wurde daher vor der Prägung nicht „gestaucht“, wie der Fachmann sagt. Die Theorie des Verkäufers, dass es sich um eine Schrötlingsverwechslung handelt, beginnt langsam zu bröckeln. Dafür sprechen auch die fehlenden Motivteile. Zwar ist der Rand wie beim 1-Centstück glatt, doch es gibt dort Spuren und Kratzer. Nun ist der Fall fast klar: Es ist keine Fehlprägung und keine Rondenverwechslung. Bleibt letztlich noch die kupferne Farbe. Wenn man die Pille einer 2-Euromünze entsprechend bearbeitet, bekommt sie ebenfalls den kupfernen Glanz eines 1-Centstücks, das ist durchaus machbar.

Fazit: Das hier angebotene Stück wurde aus einer 2-Euromünze (Pille) entnommen. Da das ohne Hilfsmittel nicht so einfach ist, wird es meist mit Gewalt ausgeschlagen. Jedoch hinterlässt die Angelegenheit stets einige tiefe Kratzer und weitere Spuren am Rand. Diese kann man zwar durch Schleifen oder Polieren etwas verbergen, sie bleiben aber trotzdem erkennbar. Die Münze ist also keine Fehlprägung, sondern wurde zum Schaden der Sammler manipuliert! Seien Sie daher stets auf der Hut und gehen Sie immer mit einem logischen Denken ans Werk.

 

Ich möchte den Ausflug durch die Angebote von Fehlprägungen aus dem Internet nicht beenden, ohne Ihnen einen Spitzenreiter zu präsentieren. Natürlich handelt es sich wieder um einen Fake, der viel, sehr viel kosten soll. Es handelt sich dabei um eine normale 2-Euro-Umlaufmünze aus Deutschland. In der Randschrift wurde das Wort „UND“ offenbar mit einem Körner unkenntlich gemacht. Es ist deutlich zu erkennen, dass hier mit einem scharfen Gegenstand an die Arbeit gegangen wurde. Die Spuren des Einspannens in einem Schraubstock sind ebenfalls noch zu erkennen. Der Verkäufer behauptete jedoch, eine ganz seltene Fehlprägung zu verkaufen, da das Wörtchen „UND“ in der Prägestätte gar nicht erst eingeprägt wurde. Hört, hört! Eine sehr kühne Behauptung, jedoch ohne entsprechende Belege. Der Preis war dann auch spitzenmäßig angesetzt. Das Stück kostete stolze 10.000.000 Euro. 10 Millionen Euro! Ich glaube, bei dem geforderten Preis wird der Verkäufer noch sehr lange selbst seine Freude an dem Stück haben.

Immer eine ausreichende Portion Skepsis vor dem Kauf wünscht Ihnen numiscontrol.

 

Mehr über unseren Autor numiscontrol, alias Reiner Graff, erfahren Sie in unserem Who’s who.

Der Sammelexperte hat es sich zur Aufgabe gemacht, gerade Anfänger an die Welt der Münzsammlungen heranzuführen – hier finden Sie seine „Grundlagen für Sammler“ sowie seine Serie „Münzpflege leicht erklärt“.

Wollen Sie jetzt auch noch wissen, wie echte Raritäten und Fehlprägungen aus den Euro-Ländern aussehen? numiscontrol hat sich schon mit den 2-Euro-Münzen diversen Nationen beschäftigt. Hier finden Sie zum Beispiel seine Artikel zu Münzen aus

Und hier finden Sie die Reihe zu seltenen 2-Eurostücken aus Deutschland und den Gemeinschaftsausgaben der EU.