Napoleon zähmt das Welfenross
Die Siegesgöttin Victoria ist auf einer Medaille Napoleons in ungewöhnlicher Pose zu sehen. Sie reitet auf einem galoppierenden Pferd und hält in der rechten Hand den Siegeskranz erhoben. Die linke Hand hat sie um den Hals des Pferdes geschlungen, würgt es geradezu, so dass dem Tier gar nichts anderes übrig bleibt, als sich ihrem Diktat zu unterwerfen.
Frankreich. Medaille 1803 von R. V. Jeuffroy auf den Bruch des Vertrags von Amiens und die Besetzung von Hannover. Aus der Auktion London Coin Galleries in Zusammenarbeit mit Künker am 1. November 2016, aus Lot Nr. 1278. Schätzung: 250 GBP.
Die Darstellung des Pferdes ist natürlich nicht der Phantasie des Künstlers geschuldet, sondern hat einen klaren politischen Bezug. „Hannover besetzt von der französischen Armee im Juni des Jahres 1803“ ist in Übersetzung auf der Rückseite zu lesen. Damit ist es klar: Das von Victoria unterworfene Ross ist das Welfenross und seine Darstellung auf der Medaille eine gezielte Demütigung.
Frankreich. Medaille 1803 wie vorher in Gold aus den gleichen Stempeln. Das aus dem Besitz der Familie Bonaparte stammende Stück ist mit 5.000 GBP geschätzt. Aus der Auktion London Coin Galleries in Zusammenarbeit mit Künker am 1. November 2016, Nr. 1277.
Diese Demütigung wird auf der Medaille noch gesteigert. Im Abschnitt ist zu lesen (in Übersetzung): „Geprägt mit dem Silber der Bergwerke von Hannover im Jahr 4 der Regierung Bonaparte“.
Die Vorderseite widmet sich dem Grund für diese Demütigung: Der Leopard, Wappentier Englands, zerreißt mit seinen Klauen eine Pergamentrolle. „Vertrag von Amiens gebrochen von Seiten Englands im Mai des Jahres 1803“ ist hier zu lesen. Und damit hat Napoleon dem Betrachter eigentlich alles gesagt, nur nicht die Wahrheit.
Um den tatsächlichen Grund der Eroberung Hannovers zu verstehen, müssen wir ein paar Jahre in der Geschichte zurückgehen, nicht allzu lange, denn der „immerwährende“ Frieden von Amiens dauerte nur knappe 14 Monate und wurde erst am 25. März des Jahres 1802 unterschrieben. Er beendete die Revolutionskriege, in denen das monarchistisch gesinnte Europa den Truppen des revolutionären Frankreichs nur wenig entgegenzusetzen hatte. Und tatsächlich war der Vertrag für die Briten eine Blamage. Er zwang sie, gleich eine Reihe von überseeischen Besitzungen zurückgeben, die sie annektiert hatten. Die Kapkolonie, die westindischen Inseln, Ägypten, Trinidad und Ceylon. Frankreich dagegen zog sich lediglich aus Neapel, dem Kirchenstaat und Malta zurück.
Britische Karikatur von James Gillray: Der erste Kuss in diesen 10 Jahren! – oder – Britannia trifft Bürger Francois. – Bezeichnend sind die Worte Britannias: „Mein Herr, sie sind wirklich ein wohl erzogener Gentleman und doch lassen Sie mich erröten. Aber ihr Kuss, so köstlich, dass ich sie nicht zurückweisen kann, obwohl ich mir sicher war, Sie würden mich wieder täuschen.“
Es war von Anfang an ein fauler Friede, auch wenn die englischen Touristen begeistert nach Frankreich strömten, um sich ein eigenes Bild von den Revolutionären zu machen. Napoleon verstand den Frieden als eine Art Freibrief, die europäischen Staaten nach seinen Ideen umzugestalten. Er griff in die deutschen Verhältnisse ein und entschädigte die ihm verbündeten Staaten für ihre linksrheinischen Verluste mit geistlichen Territorien und mediatisierten Reichsstädten, was im Reichshauptdeputationsschluss von 25. Februar 1803 mündete. Er annektierte die Subalpinische Republik. Und er ersetzte die Helvetische Republik durch ein straff organisiertes, durch einen französischen Protegé regiertes Staatenkonglomerat. Dazu bedrohte er die Briten auf ihrem ureigensten Gebiet, dem Meer. Er schickte je eine Flotte nach Haiti und nach Louisiana.
Napoleon baute seine Macht systematisch aus, und die Briten sahen nicht, was sie durch eine Fortsetzung des Friedens hätten gewinnen sollen. Der Krieg würde kommen. Und Napoleon wurde mit jedem Monat stärker. So erklärte die britische Regierung am 18. Mai 1803 Frankreich den Krieg. Der Frieden von Amiens war damit beendet.
Die Aufteilung der Welt zwischen dem englischen Premierminister Pitt und Napoleon – Leider lag Hannover in Europa und damit in der Machtsphäre des französischen Kaisers. Karikatur von James Gillray aus dem Jahr 1805.
Die Briten sicherten sich sofort aller französischen und holländischen Schiffe, deren sie habhaft werden konnten. Napoleon reagierte, indem er alle reisenden Briten in Frankreich und Italien gefangen setzen ließ. Und er ging dort gegen Großbritannien vor, wo er es am leichtesten verwunden konnte, auf deutschem Boden, dort wo Georg III. in Personalunion über das Kurfürstentum Hannover herrschte. Der dort stationierte Feldmarschall war völlig überfordert. Kampflos erklärte er sich besiegt, und Napoleon ließ das Heer entwaffnen und auflösen.
Medaille 1804. Die aus der Ausbeute der Harzer Gruben geprägte Medaille trägt in Übersetzung die Aufschrift: Napoleon, dem Kaiser der Franzosen, die Bergleute der Harzer Produktionsstätten, die er während des Krieges beschützte. Aus der Auktion London Coin Galleries in Zusammenarbeit mit Künker am 1. November 2016, Nr. 1279. Schätzung: 200 GBP.
Das gesamte Land kam unter französische Verwaltung. Schlimmer hätte es für Hannover nicht kommen können. Die Medaillen sollten diese tiefe Demütigung des englischen Königs augenscheinlich werden lassen.
Für das Konzept zeichnete Napoleons „Kulturpolitiker“ Dominique-Vivant Denon verantwortlich, der sich im Abschnitt der Vorderseite verewigte. Denon, der für die archäologische Erschließung Ägyptens verantwortlich zeichnete und den Kulturraub in den unterworfenen Ländern organisierte, war gleichzeitig als Direktor der Prägeanstalt für Napoleons „Histoire Métallique“ verantwortlich. Er war bewandert in der antiken Bildsprache und schuf so Monumente der französischen Überheblichkeit, die noch heute illustrieren, warum die Befreiungskriege gegen Napoleon zu einer Glaubensfrage wurden und ein deutsches Nationalbewusstsein entstehen ließen.
Die gezeigten Medaillen stammen aus der Sammlung der Preussag und werden am 1. November 2016 bei London Coin Galleries in London in Zusammenarbeit mit Künker versteigert.
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