MenschenGesichter Teil 23: Der Beginn der Rosenkriege oder der untätige König


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Heinrich VI., König von England (1422-1461 und 1470/71). Groat (4 Pence), Calais. Kopf des Königs mit Krone von vorne, alles umgeben von Vielpass und Umschriftkreis. Rs. Kreuz über zwei Umschriftkreisen. © MoneyMuseum, Zürich.

Als Heinrich V. aus dem Hause Lancaster im Jahre 1422 starb, hinterließ er ein fast erobertes Frankreich und einen Sohn, der gerade ein Jahr alt war. Der kleine Heinrich VI. wurde zum König von England gekrönt, die Herrschaft allerdings befand sich in den Händen mächtiger Magnaten – und dies weit über sein Kindesalter hinaus.

Die Macht zu besitzen, das war ein verführerisches Ziel, das alle Großen Englands mit Hingabe anstrebten. Man schreckte dabei vor keiner Gewalttat zurück. Der König tat nichts dagegen. Er beobachtete hilflos, wie die Parteien gegeneinander kämpften, wie sein Kanzler ermordet, dessen Gemahlin als Hexe verbrannt, der Bischof von Chichester gelyncht wurde. Er reagierte nicht einmal, als Richard von York eigene Ansprüche auf einen Thron anmeldete, den ein unfähiger Herrscher besetzte. Dieser Richard war tatsächlich ein klein wenig näher mit den inzwischen ausgestorbenen Plantagenets verwandt, als es Heinrich VI. war. Und er konnte die Unzufriedenheit im Lande nutzen.

Unter Richards Kommando besiegten die Unzufriedenen in der Schlacht von St. Albans diejenigen, die als Hofpartei dem König die Politik vorschrieben. York konnte den König sogar gefangen nehmen, der das Kampfgeschehen als unbeteiligter Zuschauer beobachtet hatte.

Heinrich VI. von England. Anonymes Porträt, ca. 1540. Quelle: Wikicommons.

Fünf Jahre lang schleppte York Heinrich als Pfand herum, ehe er auf dessen Thron Anspruch erhob. Begeistert waren die Lords und Commons nicht von dieser Forderung. Schließlich konnte man sich aber darauf einigen, nicht den König abzusetzen, sondern dessen Sohn zu enterben und Richard als Nachfolger auszurufen.

Damit rief Richard einen entschlosseneren Feind auf den Plan, als es Heinrich gewesen war. Denn die Königin verteidigte die Rechte ihres Sohnes mit aller Energie. Es gelang ihr, die Aufständischen zu schlagen und den König zu befreien, nachdem Richard von York 1460 in einem Scharmützel gefallen war.

Doch nur ein Jahr konnte sie sich des Erfolges freuen. Dann vernichtete der Sohn Richards, inzwischen selbst zum König ausgerufen, das Heer der Königin. Die königliche Familie musste fliehen. Heinrich hielt sich fünf Jahre lang in einer unwirtlichen Gegend Schottlands versteckt, ehe man ihn 1465 ergriff und im Tower einkerkerte. Noch einmal befreiten seine Anhänger den untätigen König, noch einmal wurden die für Heinrich kämpfenden Truppen geschlagen, noch einmal der König gefangen und endlich, im Mai 1471, hingerichtet.

So hatte König Heinrich VI. durch seine Untätigkeit die Rosenkriege ausgelöst und damit mehr Bürgern das Leben gekostet als viele Tyrannen vor und nach ihm.

In der nächsten Folge erfahren Sie am Beispiel der Zürcher Äbtissinnen, dass bisweilen auch Frauen im Mittelalter politische Macht und Einfluss nehmen konnten.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.