Die Wiedertäufer – Eine Episode aus Münsters Geschichte
Münster war keine friedliche Stadt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Auch dort gab es Auseinandersetzungen zwischen den Besitzenden und den Handwerkern, die unter den schwankenden Wechselkursen von Kleingeld in Großsilber- und Goldmünzen am meisten zu leiden hatten. Wie in vielen anderen Städten verbanden sich wirtschaftliche Forderungen mit der Begeisterung für die junge, evangelische Bewegung, die eine völlig neue Interpretation der Frohen Botschaft offerierte. Hatte die besitzende Kirche in Münster bisher die fromme Hinnahme der sozialen Ungerechtigkeiten gepredigt, vertraten mutige Theologen plötzlich eine völlig neue Sicht der Dinge.
Im Sommer 1532 setzte die städtische Gildenversammlung durch, dass die reformierten Geistlichen in sämtlichen Stadtkirchen predigen durften. Sie taten dies, und zwar radikaler als ihre Kollegen im Süden. Sie hatten sich der Confessio Augustana, dem gemeinsamen Glaubensbekenntnis der evangelischen Stände, verweigert und verkündeten das Priestertum aller Gläubigen, ja die völlige Autonomie jeder Gemeinde. Diese Ideen untergruben jegliche staatliche Autorität. Und man mag sich verwundern, warum der Fürstbischof von Münster, Franz von Waldeck, nicht energischer gegen die Prediger einschritt.
Dafür gab es gleich mehrere Gründe. Zunächst war er erst am 1. Juni 1532 als Bischof eingesetzt worden, hatte also noch gar keine Zeit gehabt, sich in seine neue Tätigkeit einzufinden. Dazu sympathisierte er selbst mit den neuen Ideen. Man fand in seinem Gefolge einen lutherischen Kaplan. Und dass der Herr Fürstbischof eine Lebensgefährtin hatte, war allgemein bekannt. Vielleicht fiel es Franz von Waldeck deshalb so leicht, einen Kompromiss mit den Reformierten zu schließen: Zu Beginn des Jahres 1533 genehmigte er ganz offiziell, dass in den städtischen Kirchen von Münster evangelische Prediger sprechen durften, solange die ihm unterstehenden Kirchen und Klöster katholisch blieben.
Johann Karl Ulrich Bähr, Jan van Leiden bei der Taufe eines Mädchens während der Herrschaft der Täufer in Münster, 1840. Quelle: Wikicommons.
Dies war ein Versuch, die Situation zu entschärfen, doch das Gegenteil war die Folge. Die neu gewonnene Freiheit lockte viele radikale, andernorts verfolgte Wiedertäufer in die Stadt. Unter ihrem Einfluss gewannen die Wiedertäufer die Mehrheit im Stadtrat. Hatten die meisten Katholiken schon vorher Münster verlassen, flohen jetzt auch die gemäßigten Protestanten. Das machte den Weg frei für das berühmt-berüchtigte Reich der Wiedertäufer, in dem neben der Vielehe die Gütergemeinschaft nach Vorbild der Urgemeinde von Jerusalem eingeführt wurde. Um alle Spuren des alten Besitzes zu vernichten, zündeten die Täufer sogar das Stadtarchiv an.
Aus diesem bewegten Jahr stammen die Stempel zu dem berühmten Wiedertäufertaler. Ganz im Sinne des alttestamentlichen Bilderverbots kommen sie mit frommen Sprüchen für die Darstellung aus. In Übersetzung findet man auf beiden Seiten verteilt folgende Umschrift: „Das Wort ist Fleisch geworden und lebt unter uns. Wer nicht geboren ist aus dem Wasser und dem Geist, wird nicht eingehen in Gottes Reich; ein König aufrecht über allen; ein Gott, ein Glaube, eine Taufe.“
Während dieser Taler geprägt wurde, stand das Heer des Bischofs Franz von Waldeck bereits vor den Toren der Stadt. Denn es war eines, die Reformation zu dulden, solange der kirchliche Besitz und vor allem die staatliche Macht unberührt blieb. Ein unabhängiges, sich jeglicher Kontrolle entziehendes Täuferreich, das konnte auch ein dem Protestantismus gewogener Politiker nicht akzeptieren. Der Belagerungsring wurde geschlossen, das Ende der Täufer war damit besiegelt. Doch das Leiden der Belagerten unter der entsetzlichen Hungersnot dauerte noch anderthalb Jahre, bis am 24. Juni 1535 die Stadt erobert und das Reich der Wiedertäufer in einem Blutbad ertränkt wurde.
Münster. Franz von Waldeck, 1532-1553. Halbtaler 1535, Münster. Ilisch XXX, 4. Aus Auktion Künker 249 (1. Juli 2014), 1716. Das äußerst seltene Stück ist mit 10.000 Euro geschätzt.
Der Bischof, Franz von Waldeck, ließ zur Feier der Wiedereroberung nicht nur die gelegentlich vorkommenden, prachtvollen Taler prägen, sondern auch Halbtaler mit dem gleichen Motiv, den Hauptheiligen des Bistums, Peter und Paul. Das hier abgebildete Stück ist extrem selten und stammt aus der kommenden Künker-Auktion 249, in der am 1. Juli 2014 die Spezialsammlung Dieter Braun aufgelöst wird. Sie umfasst Prägungen aus Münster und Westfalen und wurde während mehr als 40 Jahre zusammengetragen.
Turm der Lambertikirche in Münster. Über der Uhr sind die drei Käfige zu sehen, in denen die Leichen der hingerichteten Wiedertäufer ausgestellt wurden. Foto: Wikipedia / Jule Hintzbergen. CC-Lizenz 3.0.
Ach übrigens, eines darf man nicht unerwähnt lassen: Die Anführer der Gemeinschaft, Jan van Leiden, Bernd Krechting und Bernd Knipperdolling wurden erst lange nach dem Ende der Belagerung hingerichtet. Sie waren zur Abschreckung eventueller Sympathisanten ein halbes Jahr lang in eisernen Körben im gesamten Bistum herumgezeigt worden, ehe sie am 22. Januar zu Füßen der Lambertikirche in Münster buchstäblich in Stücke gerissen wurden. Ihre Überreste hängte man in den eisernen Körben weithin sichtbar am Turm der Lambertikirche auf, „dass sie allen unruhigen Geistern zur Warnung und zum Schrecken dienten, dass sie nicht etwas Ähnliches in Zukunft versuchten oder wagten“. Und dort hängen sie noch heute.
Münster. Taler 1634, Nachprägung des 17. Jahrhunderts. Dav. 9583var. Geisberg 12. Aus Auktion Künker 249 (1. Juli 2014), 1838.
Wahrscheinlich bringen sie den modernen Touristen genauso angenehm zum Gruseln wie die Besucher des großen Friedenskongresses von 1645 bis 1648, für die Unmengen von Nachprägungen des Wiedertäufertalers als Souvenir angefertigt wurden.
Einen Vorbericht zu dieser Auktion lesen Sie hier.
Zur Auktion geht es hier.