Die Münzen der Kanalinsel Guernsey
Wissen Sie was eine Vogtei ist? In einer Vogtei vertritt ein Beamter – der Vogt – den Feudalherrn des Gebiets. Er spricht Recht, organisiert die Landesverteidigung und zieht die Steuern ein. Warum ich nach diesem Begriff des mittelalterlichen Verwaltungsrechts frage?
Die Inseln von Jersey und Guernsey in einer Karte von 1818 von J. Pinkerton. Quelle: Wikipedia.
Nun ganz einfach: In Europa gibt es immer noch Bezirke, die sich „Vogtei“ zumindest nennen: Die Kanalinseln Jersey und Guernsey sind – wie Sie auf deren Münzen lesen können – Bailiwicks (= Vogtei).
Zwischen Mittelalter und Moderne
Natürlich ist es heute kein Bailiff und kein Sheriff mehr wie zur Zeit Robin Hoods, der über das Wohl und Wehe der Gemeinschaft entscheidet. Nichtsdestotrotz ist der königliche Einfluß hier stärker als auf dem Festland. Es gibt auf Jersey eine beratende Versammlung, die aus 45 gewählten Abgeordneten besteht, die vom Bailiff präsidiert wird. Zwei königliche Beamte wohnen als nicht stimmberechtigte Mitglieder der Versammlung bei.
Das Wappen von Guernsey unterscheidet sich vom englischen nur durch den kleinen Zweig über dem Schild. Quelle: Wikipedia.
Theoretisch hat kein Gesetz, das diese beratende Gemeinde beschließt, Rechtsgültigkeit. Erst die königliche Unterschrift setzt es in Kraft. So ist die Königin, rein rechtlich gesehen, immer noch die absolute Herrscherin der Insel (auch wenn Elizabeth II. von dieser Macht aus Prinzip keinen Gebrauch macht). Kein Wunder also, dass sie auf allen Münzen des Landes abgebildet ist, hinter sich das Wappen von Guernsey, das dem englischen Wappen zum Verwechseln ähnlich sieht. Einziger Unterschied ist der kleine Zweig über dem roten Schild, das drei goldene, blau bezungte und –bewehrte Leoparden zeigt.
In der Praxis haben sich die Bewohner von Guernsey gut mit diesem Zustand arrangiert. Guernsey ist eine Steueroase, ein Off-Shore Finanzzentrum, in dem die Steuern niedrig, die Finanzregulierung marginal und die Vertraulichkeit groß sind. 32 % des Bruttosozialprodukts kommen aus dem Bankensektor. Es ist also ziemliche Augenwischerei, wenn die Münzmotive die alten Quellen des Einkommens betonen.
Junge grüne Krabbe (Carcinus maenas). Foto: Luis Miguel Bugallo Sánchez / CC BY-SA 3.0.
Fischerei, Landwirtschaft und Tourismus
Auch wenn man in den einschlägigen Reiseführern liest, dass Fischerei und Landwirtschaft Guernsey nachhaltig geprägt haben, ist davon heute kaum noch die Rede. Weniger als 2 % des Bruttosozialprodukts wird in diesen beiden Branchen zusammen erwirtschaftet.
Eine 1-Penny-Münze aus Guernsey zeigt auf der Rückseite eine Krabbe.
So ist die trotz ihres harten Panzers wohlschmeckende Krabbe des 1-Penny-Stücks eher von lokalem Interesse. Man kann die Küstenkrabbe (Carcinus maenas), die auch unter dem Namen Grüne Krabbe bekannt ist, selbst zwischen den Felsen sammeln, um daraus ein schmackhaftes Abendessen zu bereiten.
Auf dem 2-Pence-Stück ist das heimische Rind abgebildet.
Bekannter ist das Guernsey-Rind mit seinem blassen bis braunen Fell, dessen Milch von Kennern gepriesen wird. Wir sehen es auf dem 2-Pence-Stück.
Guernsey-Rind. Foto: Man vyi / Wikicommons.
Auch wenn die Viehzucht auf Guernsey selbst stark zurückgegangen ist, erfreut sich die Rasse weltweit einer hohen Wertschätzung. Die goldgelbe Milch soll nämlich einen hohen Beta-Carotin-Anteil haben, dem man eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs zuweisen will. Rund 8.000 Liter Milch gibt eine Guernsey-Kuh durchschnittlich im Jahr, was auf ihre Körpermaße bezogen mehr ist als bei jeder anderen Kuhrasse.
Ein Segelboot erinnert auf der Rückseite des 5-Pence-Stücks an die Bedeutung von Seefahrt und Tourismus für die Kanalinsel.
Auch der Tourismus ist in den letzten Jahren zurückgegangen, so dass das prächtige Segelboot auf dem 5-Pence-Stück nur eine Erinnerung an gute alte Zeiten ist.
Diese historische Karte zeigt Guernsey zwischen 1757 und 1859.
Frühes Freigeld auf Guernsey
Wenig bekannt ist, dass es in Guernsey bereits im Jahr 1815 eine Regionalwährung gegeben zu haben scheint. In seiner 1958 publizierten Broschüre erzählt Edward Holloway vom großen Geldmangel der nach den Napoleonischen Kriegen auf der Insel herrschte. Der Gouverneur sei in dieser Situation auf die Idee gekommen, die längst benötigte Markthalle für Gemüse mit 4.000 Pfund zu bauen, die er als Regionalgeld einfach drucken ließ. Tatsächlich waren die Einkünfte aus der Halle bald so groß, dass die 4.000 Pfund als Miete in die Staatskasse zurückflossen, so dass das Regionalgeld wieder eingezogen werden konnte.
Daraufhin soll man sich Straßenprojekten zugewendet haben, die mit 10.000 Pfund finanziert wurden. Schulen wurden gebaut, Häuser saniert. Und der Gouverneur achtete darauf, dass nie mehr als 60.000 Pfund Regionalwährung gleichzeitig auf der Insel kursierten.
Die Banken hätten – so Edward Holloway – dieses System dann mit ihrem Zinsversprechen auf „richtiges“ Geld etwa um 1835 kaputt gemacht.
Guernseys Regionalwährung gilt nur auf der Kanalinsel und zeig neben der Queen und dem eigenen Wappen typische Motive der Insel.
Das Problem an dieser schönen Geschichte ist, dass die ältesten Nachrichten dazu aus einer Broschüre der Freigeldbewegung ohne saubere Quellenangaben stammen. Das lässt die Frage offen, wie sauber hier recherchiert wurde. Reale, übrig gebliebene Geldscheine dieser Zeit konnte die Autorin bei einer ersten Suche nicht ausfindig machen, aber vielleicht ist hier ja ein Leser besser spezialisiert?
Das ist die offizielle Seite der Insel Guernsey.
Und auf dieser Seite finden Sie jede Menge touristische Hinweise, falls Sie die Kanalinsel einmal besuchen möchten.