Die Casa Savoia – Eine Adelsfamilie zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz. Teil 2
Am 17. November 2018 versteigert das monegassische Auktionshaus Éditions Victor Gadoury eine umfassende Sammlung von Münzen und Medaillen der Casa Savoia aus königlichem Besitz. In Teil 1 können Sie lesen, wie das Haus sich mühsam emporkämpfte in die erste Riege der europäischen Mächte.
Vittorio Amedeo I., 1630-1637. Quadrupla, III tipo, Turin, 1634. MIR 703a (R10). Äußerst selten. Gutes sehr schön / Vorzüglich. Taxe: 50.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1527.
Kapitel 4: Aus Herzögen werden Könige
Mitten im 30jährigen Krieg, am 26. Juli 1630, kam Vittorio Amedeo an die Macht. Sein Vater hatte ihn mit der dritten Tochter Heinrichs IV. verheiratet. Damit war der Weg vorgezeichnet, auf dem Vittorio Amedeo hoffte, sein Herzogtum zurückzugewinnen. Er musste auf der Seite Frankreichs bleiben. Savoyen wurde zu einem französischen Satellitenstaat.
Francesco Giacinto, 1637-1638. Regentschaft seiner Mutter Maria Cristina. 4 Scudi d’oro, Turin. MIR 725 (R8). Äußerst selten. NGC AU58. Taxe: 15.000.- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1530
Unter französischer Kontrolle
Vittorio Amedeo starb bereits 1637. So übernahm seine Witwe – wir erinnern uns, Tochter des französischen Königs Heinrich IV. und damit Schwester Ludwigs XIII. – die Regentschaft, erst für den fünfjährigen Francesco Giacinto, danach für den vierjährigen Carlo Emanuele II.
Carlo Emanuele II., 1638-1675. Regentschaft seiner Mutter Maria Cristina, 1638-1648. Scudo d’oro, Chambéry. MIR 746 (R10). Äußerst selten. NGC MS63. Taxe: 15.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1533.
Natürlich verteidigte sie nicht nur die Rechte ihrer Söhne. Sie setzte auch die französischen Interessen im Piemontesischen Bürgerkrieg erfolgreich gegen die jüngeren Brüder ihres Ehemanns durch. Thomas gab sich schließlich damit zufrieden, zum Oberkommandierenden der savoyischen Truppen ernannt zu werden. Moritz, der eigentlich für das Kardinalsamt vorgesehen war, durfte mit päpstlicher Dispens seine Nichte, die älteste Tochter von Maria Cristina, heiraten.
Das Massaker an den Waldensern
Mit dem Westfälischen Frieden hatten nicht alle Religionskriege geendet. Carlo Emanuele entschied sich 1655, die Privilegien der Waldenser zu widerrufen. Wer die katholische Messe nicht besuchen wollte, müsse sich in die oberen Tälern zurückziehen. Als diese Politik nicht fruchtete, ließ der Herzog sein Heer bei den Waldensern Quartier nehmen. Es kam zu Unruhen und am 24. April 1655 zu einem Massaker.
Was damals genau geschah, werden wir wohl nie mehr rekonstruieren können, denn die protestantische Propaganda machte aus dem Herzog einen Schlächter und aus den Waldensern die armen, gequälten Opfer. Die Geschichte lehrt allerdings, dass schwarz und weiß nie so eindeutig verteilt ist. Immerhin entwickelte sich nach dem Massaker ein Guerillakrieg, der sich mehrere Jahre hinzog und erst 1664 mit einem offiziellen Vertrag beendet wurde.
Das Massaker sollte den Blick nicht auf die Tatsache verstellen, dass unter Carlo Emanuele II. wichtige Reformen in Angriff genommen wurden. So versuchte er zum Beispiel ein erstes öffentliches Schulsystem einzurichten.
Vittorio Amedeo II., 1675-1727. Regentschaft seiner Mutter. Doppio, Turin, 1676. MIR 835b (R4). Sehr selten. NGC MS63+. Taxe: 5.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1544.
Die großen Sieger im Spanischen Erbfolgekrieg
1701 brach der Spanische Erbfolgekrieg aus. Der Habsburger Karl II. war kinderlos verstorben und Frankreich setzte alles daran, den Thron für die Dynastie der Bourbonen zu sichern, während die österreichischen Habsburger ihr Anrecht gewahrt wissen wollten. Wir müssen nicht allen Verwicklungen dieses Krieges folgen. Wichtig aber ist es zu wissen, dass Vittorio Amedeo eine entscheidende Rolle spielte.
Das Königreich von Piemont-Savoyen um 1700. Karte: Raymond Palmer.
Der Herzog von Savoyen war nämlich sehr unzufrieden mit seinem Bündnis mit Ludwig XIV., der ihn wie einen Untertanen abfertigte. Er hatte schon während des Pfälzischen Erbfolgekriegs versucht, die französische Oberherrschaft abzuschütteln. Dies war kläglich gescheitert.
Vittorio Amedeo II., 1675-1727. Medaille 1706 auf die siegreich abgewehrte Belagerung von Turin. Jul. 693. NGC MS63. Taxe: 700,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1561.
Aber im Spanischen Erbfolgekrieg hatte Vittorio Amedeo einen wichtigen Verbündeten. Sein Cousin Eugen von Savoyen – in Deutschland besser bekannt als „Prinz Eugen der edle Ritter“ – bestimmte die kaiserliche Politik zum großen Teil. Und der sorgte dafür, dass sein Verwandter Turin in der entscheidenden Schlacht im Sommer des Jahres 1706 halten konnte.
Vittorio Amedeo II., 1675-1727. Als König von Sizilien, 1713-1718. 2 Lire, Turin. MIR 883 (R6). Sehr selten. Vorzüglich. Taxe: 3.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1563.
Im Frieden von Utrecht (1713) und Rastatt (1714) gehörte Savoyen zu den großen Gewinnern – immerhin agierte Prinz Eugen von Savoyen als bevollmächtigter Verhandlungsführer des Kaisers. Alle im Krieg besetzten Gebiete wurden zurückgegeben. Savoyen wurde außerdem von Frankreich unabhängig. Das Beste aber war, dass der Herzog von Savoyen den Königstitel zusammen mit der Herrschaft über Sizilien erhielt. Auf dem hier abgebildeten 2-Lire-Stück trägt er den Titel eines Königs von Sizilien.
Vittorio Amedeo II., 1675-1727. Als König von Sardinien, 1724-1727. Reale Sardo, Turin, 1727. MIR 910 (R2). Vorzüglich. Taxe: 800,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1567.
Allerdings war die Herrschaft über so weit entfernte Gebiete wie Savoyen und Sizilien mit großem logistischem Aufwand verbunden. So einigten sich Karl VI. von Habsburg und Vittorio Amedeo im Vertrag von Den Haag 1720, dass die Casa Savoia den Königstitel behalten, die Insel Sizilien aber gegen das näher gelegene Sardinien eintauschen sollte.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Scudo Vecchio da 5 Lire, Turin, 1733. MIR 925a (R4). Selten. Fast vorzüglich. Taxe: 7.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1573.
Kapitel 5: Im Zeichen des Nationalbewusstseins
Vittorio Amedeo wurde also mit dem Vertrag von Den Haag 1720 zum König von Sardinien. Seinen Sohn Carlo Emanuele machte er zum Herzog von Savoyen. Und als der gut 60jährige Vittorio Amedeo, dem 1728 seine Königin gestorben war, sich noch einmal verliebte, dankte er nach einer morganatischen Heirat zu Gunsten seines Sohns ab. Der ganze Hof war davon überrascht, und man könnte sich durchaus vorstellen, dass dieser Entschluss nicht wirklich durchdacht war. Denn nur wenige Monate später versuchte Vittorio Amedeo an die Macht zurückzukehren. Sein Sohn nahm ihn gefangen. Und der alte Ex-König wäre wohl noch lange in Haft geblieben, wäre er nicht am 31. Oktober 1732 gestorben.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. 4 Zecchini dell’annunciazione, Turin, 1746. MIR 914b (R9). Sehr selten. Graffiti im Feld der Rückseite, sonst vorzüglich. Taxe: 15.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1569.
Warum die Casa Savoia so eine wichtige Rolle in Italien spielte
Mit dem Tod seines Vaters im Jahr 1732 wurde Carlo Emanuele III. zum unbestrittenen König von Sardinien und Herzog von Savoyen. Noch viel besser aber war die Tatsache, dass Savoyen und Sardinien – neben Venedig und dem Vatikan – das einzige, von anderen europäischen Mächten unabhängige Reich auf italienischem Boden war. Damit erhielt die Casa Savoia automatisch eine ganz besondere Rolle in der italienischen Unabhängigkeitsbewegung, die in einer Zeit, in der man sich noch keine Nation ohne einen Herrscher vorstellen konnte, nach einer italienisch-nationalen Gallionsfigur suchen sollte.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Goldmedaille, Turin, 1755. Fast FDC. Taxe: 10.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1632.
Eine Zeit der Konsolidierung
Nachdem Carlo Emanuele im Polnischen und Österreichischen Erbfolgekrieg gelernt hatte, wie schnell sich Erfolge in Niederlagen und Niederlagen in Erfolge verwandeln können, entschied er, im Siebenjährigen Krieg neutral zu bleiben.
Während die anderen Nationen sich gegenseitig zerfleischten, trieb er die innere Reform seines Landes voran. So ließ er unter anderem das erste Kataster Europas für sein Reich entwickeln und gründete die Universitäten von Sassari und Cagliari.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Carlino da 5 Doppie, Turin, 1755. MIR 941a (R5). Sehr selten. NGC AU58. Taxe: 40.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1590.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Mezzo Carlino Sardo da Doppiette 2.5, Turin, 1768. MIR 955a (R5). Sehr selten. NGC MS62. Taxe: 10.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1634.
Der Reichtum und die wirtschaftliche Kraft seines Herrschaftsgebiets zeigt sich in der überreichen Münzprägung der Turiner Münzstätte, die eine Fülle von Gold- und Silbermünzen produzierte. Man teilt seine Münzprägung in eine 1. und eine 2. Periode ein, da im Jahr 1754 eine wichtige Reform der Nominale beschlossen wurde. Bis 1755 liefen in Savoyen eine Vielfalt von verschiedenstens Gold- und Silbermünzen um. Diese wurden außer Kurs gesetzt und in Turin zu neuen Gold- und Silbermünzen umgeprägt, die auf dem Carlino (nach Carlo Emanuele) und der Doppietta sarda beruhen.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Scudo Nuovo, Turin, 1756. MIR 946b (R2). Selten. NGC MS63. Taxe: 3.500,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1605.
Carlo Emanuele III., 1730-1773. Quarto di Scudo Nuovo, Turin, 1765. MIR 948k. NGC MS66. Taxe: 1.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1624.
Der Scudo nuovo mit zahlreichen Teilstücken wurde zur wichtigsten Silbermünze.
Vittorio Amedeo III., 1773-1796. Carlino da 5 Doppie, Turin, 1786. MIR 979 (R4). Selten. NGC AU55. Taxe: 25.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1652.
Der Schock der französischen Revolution
1773 folgte der älteste Sohn Vittorio Amedeo seinem Vater ins Amt. Er war tief religiös und vom Gottesgnadentum des Herrschers überzeugt. So stand er allen Neuerungsversuchen kritisch gegenüber und war entsetzt, als im Jahr 1789 die französische Revolution ausbrach.
Vittorio Amedeo III., 1773-1796. Scudo da 6 Lire, Turin, 1773. MIR 987a (R5). Sehr selten. Fast FDC. Taxe: 15.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1666.
Sofort trat er auf die Seite der Royalisten – und wurde von der Italienarmee des Generals Bonaparte dreimal vernichtend geschlagen. 1796 schlossen Vittorio Amedeo und Napoleon einen Waffenstillstand, und der König von Sardinien musste unter demütigenden Bedingungen einen Frieden unterzeichnen, in dem er sein Herzogtum Savoyen an Frankreich abtrat, um wenigstens das Königreich Sardinien behalten zu dürfen.
Piemontesische Republik. 1798-1799. 1/2 Scudo, Turin, Jahr VII (= 1799). MIR 1006. Selten. PCGS MS62. Taxe: 2.500,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1103. 41 mm.
In Turin wurde die Piemontesische Republik ausgerufen. Vittorio Amedeo starb wenige Monate später an einem Schlaganfall. Er hinterließ seinem Sohn ein ruiniertes Reich.
Carlo Emanuele IV., 1796-1800. Doppia, Torino, 1797. MIR 1010a (R2). NGC MS62. Taxe: 3.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1705
Carlo Emanuele IV. blieb nur der Titel und die Herrschaft im Königreich Sardinien. Doch er brachte die Energie nicht auf, sich darum zu kümmern. 1802 trat er das Amt an seinen jüngeren Bruder ab. Und beendete sein zurückgezogenes Leben als einfacher Bruder im Jesuitenorden.
Bühne frei für die Reaktion
Und damit war die Bühne frei für den jüngeren Bruder von Carlo Emanuele IV.: Vittorio Emanuele I. Er richtete sich auf Sardinien ein und organisierte sein kleines Königreich. Die Folgen von einer seiner Maßnahmen dauern bis heute an: Auf ihn geht die Einrichtung des Corps der Carabinieri zurück.
Vittorio Emanuele I., 1802-1821. Goldmedaille auf die Hochzeit seiner Tochter Maria Teresa mit Karl-Ludwig von Bourbon, Herzog von Parma, Turin, 1820. Jul. 3692. Äußerst selten. FDC. Taxe: 18.000,- Euro. Aus Auktion Gadoury (17. November 2018), Nr. 1722. Durchm.
Mit dem Wiener Kongress erhielt auch er alle seine ehemaligen Gebiete wieder zurück, sogar leicht vergrößert um die Festlandsgebiete der Republik Genua. Und Vittorio Emanuele herrschte mit eiserner Hand. Er widerrief den Code Napoléon, er gab Adel und Klerus ihre Privilegien zurück und suchte seine Bündnispartner unter den ältesten Königshäusern Europas.
Er selbst hatte eine Enkelin des letzten Kaisers des Römischen Reichs geheiratet. Seine Töchter ehelichten alle ebenfalls Abkömmlinge der Habsburger Dynastie mit Ausnahme von Maria Teresa. Anlässlich ihrer Hochzeit mit dem Herzog von Parma, Karl II., wurde diese Goldmedaille herausgegeben. Der Bräutigam entstammte der spanischen Linie der Bourbonen.
Teil 1 der Reihe lesen Sie hier.
In der MünzenWoche lesen Sie auch einen ausführlichen Vorbericht.