Das heilige Jahr auf Münzen und Medaillen
Eigentlich ist er ja nicht gerade eine Lichtgestalt der Kirchengeschichte, Bonifaz VIII., der seinen abgedankten Vorgänger Cölestin V. bis zu dessen Tod in Haft halten ließ, der mit seiner Bulla Unam sanctam Anspruch erhob auf die päpstliche Weltherrschaft und dessen Ambitionen durch Philipp IV. von Frankreich tief gedemütigt wurden: Er ist verantwortlich für die „Gefangenschaft“ des Papsttums in Avignon. Aber an all das wird sicher niemand denken wollen, wenn es um das heilige Jahr in der katholischen Kirche geht. Schließlich verdanken wir diesem Papst die höchst erfolgreiche Einrichtung einer regelmäßigen Festzeit, während der ein Rompilger einen besonders hohen Ablaß für seine Sünden erhalten kann. Im Jahre 1300 nach der Menschwerdung Christi beschloß Papst Bonifaz VIII., solle für ein Jahr jeder Römer, der 30 Tage lang die vier Basiliken in Rom besucht, und jeder Pilger, der dasselbe 15 Tage lang mache, einen besonderen Ablaß seiner Sünden erhalten. Nach 100 Jahren sollte sich das Ganze wiederholen.
Eigentlich ist er ja nicht gerade eine Lichtgestalt der Kirchengeschichte, Bonifaz VIII., der seinen abgedankten Vorgänger Cölestin V. bis zu dessen Tod in Haft halten ließ, der mit seiner Bulla Unam sanctam Anspruch erhob auf die päpstliche Weltherrschaft und dessen Ambitionen durch Philipp IV. von Frankreich tief gedemütigt wurden: Er ist verantwortlich für die „Gefangenschaft“ des Papsttums in Avignon. Aber an all das wird sicher niemand denken wollen, wenn es um das heilige Jahr in der katholischen Kirche geht. Schließlich verdanken wir diesem Papst die höchst erfolgreiche Einrichtung einer regelmäßigen Festzeit, während der ein Rompilger einen besonders hohen Ablaß für seine Sünden erhalten kann. Im Jahre 1300 nach der Menschwerdung Christi beschloß Papst Bonifaz VIII., solle für ein Jahr jeder Römer, der 30 Tage lang die vier Basiliken in Rom besucht, und jeder Pilger, der dasselbe 15 Tage lang mache, einen besonderen Ablaß seiner Sünden erhalten. Nach 100 Jahren sollte sich das Ganze wiederholen.
Die Engelsbrücke in Rom. Foto: AngMoKio / Wikipedia.
Das heilige Jahr wurde ein voller Erfolg. So viele Pilger strömten in den Petersdom, daß die Engelsbrücke, damals der einzige Weg über den Tiber, mit Holzplanken in zwei Gehspuren geteilt werden mußte, für diejenigen, die hinüber, und diejenigen, die herüber wollten. Und so dauerte es auch nicht 100, sondern nur 50 Jahre, bis Clemens VI. ein neues heiliges Jahr ausrufen ließ und seine Nachfolger ließen dann nicht noch einmal 50 Jahre verstreichen, sondern nur 40, dann 10 und dann 23. 1390, 1400 und 1423 fanden die nächsten heiligen Jahre statt. Münzen oder Medaillen wurden zu diesem Anlaß noch nicht herausgegeben. Das kam erst 1450, als Nikolaus V. die Pilger zum besonderen Ablaß rief. Dieses Jahr stand nun wirklich unter keinem guten Stern: Die Cholera brach in Rom aus und veranlaßte den heiligen Vater, die ursprüngliche Frist der Kirchgänge von 30, bzw. 15 Tagen auf 5 Tage herabzusetzen. Außerdem gab es ein schweres Unglück auf der Engelsbrücke. 172 Pilger wurden in einer Panik zerquetscht.
Nikolaus V., 1447-1455. Grosso o. J. (1450) auf das Heilige Jahr. Aus Auktion Hauck & Aufhäuser 18 (2004), 969.
Von all dem kündet die erste Gedenkprägung auf ein heiliges Jahr nichts. Schlüssel und Tiara weisen auf der Vorderseite der Münze darauf hin, daß dem Nachfolger Petri ein Reich ohne Ende gegeben sei. Der Papst kann binden und lösen. Petrus und Paulus, die großen Märtyrer Roms auf der Rückseite scheinen diese Macht zu garantieren. Aus dieser Prägung spricht noch der Geist des Mittelalters, aber auch schon der der beginnenden Renaissance, die Ereignisse als Teil der Geschichte erkannte und sie durch Schaumünzen und Medaillen der Nachwelt überliefern wollte. Wir befinden uns an der Schwelle zum Humanismus, zur Rückbesinnung auf die Traditionen der Antike. So ist Nikolaus nicht nur der erste Papst, der eine Gedenkprägung an das Heilige Jahr anfertigen läßt, er wagt auch mit dem Plan zum Neubau der Peterskirche den Schritt in die neue Zeit, und kauft mit dem Erlös aus dem unermeßlichen Pilgerstrom in die heilige Stadt die ersten 5000 wertvollen Handschriften für die neu gegründete Vatikanische Bibliothek.
Sixtus IV., 1471-1484. Fiorino di camera o. J. Rv. Petrus als Fischer. Aus Auktion Künker 171 (2010), 5221.
50 Jahre, so legte Nikolaus V. fest, sollten nun die Abstände zwischen den heiligen Jahren sein, deshalb fand dann das nächste – so kurz können 50 Jahre sein – 1475 statt. Wir sind nun mitten in der Renaissance. Der Papst Sixtus IV. ist ein kunstsinniger Mäzen, der die Sixtinische Kapelle bauen läßt, endlich mit der Katalogisierung der päpstlichen Kunstschätze beginnt, das Wachchor der Schweizer Garde einrichtet und den Fontana di Trevi bauen läßt, nicht nur Zierde des Stadtbildes, sondern damit die Bewohner von Rom ihr Trinkwasser von dort holen konnten. Natürlich ließ er auch Münzen und Medaillen prägen auf den Anlaß des heiligen Jahres: Eine prachtvolle und überaus seltene Schaumünze, die zeigt, wie Christus, der gute Hirte, die Herde der Gläubigen Petrus anvertraut. Auf der Rückseite stellt sie die berühmte neutestamentliche Szene dar, in der die Apostel alleine auf einem vom Sturm geschüttelten Schiff sind und ihnen Christus übers Wasser entgegenkommt, um sie zu beruhigen. Dieses Gleichnis fand Eingang in den Bilderschatz der Kirche, die sich häufig als Schiff bezeichnet, das gesteuert vom Nachfolger Petri durch die stürmische See gleitet. Auch diese päpstliche Goldmünze spielt auf dieses Bild an: Sie zeigt Petrus als den wahren Fischer, der die Seelen der Menschen in das Schifflein der heiligen Römischen Kirche bringt.
Sixtus IV., 1471-1484. Bronzemedaille. Rv. Die heilige Pforte. Aus Auktion CNG Electronic Auction 210 (2009), 352.
Eine andere Bronze-Medaille wurde herausgegeben, die zum ersten Mal die Heilige Pforte zeigt.
Clemens X., 1670-1676. Piaster 1675. Aus Auktion Gorny & Mosch 192 (2010), 3831.
1525, 1550, 1575, 1600 alle 25 Jahre fand nun das heilige Jahr statt. Überspringen wir einige Feste, gehen wir gleich vor zum Jahre 1675. Wir sind nun mitten in der Kunstepoche des Barock, in Österreich, Bayern, Baden und Württemberg entstehen all die prachtvollen Kirchenbauten, die den Sieg der Gegenreformation feiern. In Rom öffnet Clemens X. die heilige Pforte. Das heißt, eigentlich öffnet er sie nicht. 200.000 anwesende Pilger erleben einen Gichtanfall des heiligen Vaters und einen Kardinal Orsini, der die Zeremonie zu Ende führen muß. Ein paar dieser Gläubigen stehen im Mittelpunkt des Testone, der anläßlich dieses heiligen Jahres herausgegeben wurde. Eine von ihnen war Christina von Schweden, die Königin die vom katholischen Prunk und der daraus sprechenden Lebensfreude so beeindruckt war, daß sie ihren protestantischen Glauben und damit den schwedischen Thron aufgab.
Leo XII., 1823-1829. Medaille 1825 auf die Öffnung der Heiligen Pforte. Aus Auktion Tkalec (7. Mai 2008), 689.
Noch einmal 150 Jahre später. Die Kirche hat durch die verschiedenen geistigen und politischen Revolutionen in der Welt viel an Einfluß verloren. Doch wieder ist das heilige Jahr ein voller Erfolg 400.000 Gläubige kommen. Sie können dieses Mal nicht die Basilika „Sankt Paul vor den Toren“ besuchen, die ist 1823 in einem verheerenden Feuer niedergebrannt. Stattdessen beten sie in Sankt Maria in Trastevere. Prachtvoll tritt uns der Papst mit all seinem Hofstaat entgegen auf der Medaille, die die Öffnung der heiligen Pforte zeigt.
Ob es genauso prachtvoll sein wird, wenn wieder ein Papst die Heilige Pforte öffnet und Pilger aus aller Herren Länder einlädt? 2008 jedenfalls fand unter Benedikt XVI. das letzte außerordentliche Heilige Jahr zu Ehren des hl. Paulus statt.