Christen kämpfen gegen Christen mit Hilfe der Türken
Die Belagerung von Nizza im Jahre 1543
Es ist eine unauffällige Münze, dieses Zeugnis für den Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Spanien, zwischen Franz I. und Karl V.
Notmünze, herausgegeben anläßlich der Belagerung von Nizza im Jahre 1543.
Aus schlechtem Silber, eine einfache Prägung, ohne jede bildliche Darstellung. Nur die Aufschrift nennt die wichtigsten Fakten: NIC A TVRC ET GAL OBS 1543, also Nizza von den Türken und den Franzosen im Jahre 1543 belagert und KROLVS II D SABAVDI, Charles III. (irrtümlich auf der Münze der II.), Herzog von Savoyen. Dieser Charles war der Herrscher über Nizza und eng mit Karl V. verbündet. Wie gesagt, eine unauffällige Münze, und doch markiert sie einen wirklich historischen Augenblick: Den Moment, in dem die Herrscher der Christenheit untereinander so zerstritten waren, daß einer von ihnen, Franz I., seine Verbündeten nicht mehr unter seinesgleichen suchte, sondern sich über alle religiösen Bedenken hinweg mit den Osmanen verbündete.
Handel mit Gefangenen. 17. Jh. Quelle: Wikipedia.
Seit den Kreuzzügen hatten sich an den Küsten Nordafrikas die sogenannten Barbaresken eingenistet, Piraten, die davon lebten, die Schiffe, auf denen die bewaffneten und unbewaffneten Pilger ins heilige Land übersetzten, zu überfallen. Sie waren eine lästige, aber nicht wirklich bedrohliche Gefahr, denn sie wagten sich lediglich an unbewaffnete Schiffe ohne Geleitschutz heran. Dies änderte sich, als der osmanische Sultan gegen Ende des 15. Jahrhunderts begann, sich ihrer zu bedienen: Offiziell in seinem Namen, organisatorisch aber unabhängig operierten verschiedene Abenteurer und begründeten so den türkischen Seekampf gegen Europa.
Barbarossa Hayreddin Pascha. Gemälde aus dem 16. Jh. Louvre. Quelle: Wikipedia.
Einer der bekanntesten Barbaresken sollte Hayreddin werden, den man im Westen den Barbarossa, den Rotbart nannte. Er hatte zusammen mit seinem Bruder im Jahre 1516 Algier erobert und dort eine große Flotte aufgebaut. Um seine Position abzusichern, unterstellte er sich nominell dem osmanischen Sultan. Der sah in diesem kühnen Draufgänger ein ideales Werkzeug, rüstete ihn mit dem Titel eines kapudan pascha (= Admiral) und eines beylerbeyilik von Algier aus, gab ihm dazu ein paar Kriegsschiffe und Janitscharen und hoffte, daß dieser Pirat den Habsburgern und ihren Flotten möglichst große Probleme bereiten möge.
Für die Habsburger wurde Hayreddin in der Tat ein Problem. Algier lag so günstig, daß der Rotbart den Spaniern die Seeverbindung nach Italien abschneiden konnte. So unhaltbar wurde die Situation, daß Karl im Jahre 1536 mit großer Geste unter eigenem Kommando einen „Kreuzzug“ nach Tunis unternahm. Tunis fiel, aber um Algier wollte sich Karl nicht mehr kümmern. Er ließ sich lieber in Italien feiern und mußte nach ein paar Jahren feststellen, daß die Barbaresken es ärger trieben denn je. Ein erneuter Vorstoß im Jahre 1541, diesmal in Richtung Algier, scheiterte; 150 kaiserliche Schiffe wurden durch ein Unwetter zerstört. Die Vorherrschaft der Osmanen auf dem Mittelmeer schien durch nichts zu erschüttern.
Dies wußte natürlich auch Franz I. von Frankreich. Er hatte oft davon profitiert, daß die Osmanen an der Ostgrenze des Habsburger Reiches die Kräfte des Kaisers banden. Den Feind seiner Feinde sich zum Freund zu machen, war eigentlich eine logische Überlegung; an der Leichtigkeit allerdings, mit der Franz I. über jeden Glaubensunterschied hinwegging, mag man schon die in der Renaissance aufkeimenden Ideen vom hemmungslosen Einsatz aller Machtmittel erahnen. Machiavelli hatte seinen Principe im Jahre 1532 veröffentlicht. Franz I. schloß also einen Vertrag mit dem Piratenadmiral, der seinen Schiffen und Kaufleuten freien Handel in den von Hayreddin beherrschten Gewässern zugestand. Und im Jahre 1541, kurz nach dem spanischen Desaster, gelang es, den Piraten für eine gemeinsame Aktion zu gewinnen.
Von Korfu aus segelte Hayreddin los bis zur Westküste Italiens. Eine der vielen Sagen und Legenden, die sich um diese Fahrt ranken, ist zu schön, als daß wir sie hier unterschlagen wollen: In Reggio / Kalabrien soll der Kommandant des Forts so von Panik gepackt worden sein, daß er die Fahnen strich und Salut schoß, der aber von der Flotte Hayreddins seinerseits mit einer Salve beantwortet wurde. Die Verteidigungsanlagen Reggios, das sich ja gar nicht dem Kampf hatte stellen wollen, lagen in Trümmern, der Pirat zog triumphierend in die Stadt ein und verliebte sich in die 18jährige Tochter des übereifrigen Salutschießers. Er heiratete sie auf der Stelle und schenkte allen Bewohnern von Reggio als Morgengabe für seine Braut ihr Leben.
Belagerung der Stadt Nizza durch die osmanische und französische Flotte im Jahr 1543. Quelle: Wikipedia.
Aber wieder zurück zu den Fakten. Von Reggio aus fuhr die Flotte nordwärts bis Marseille, wo Hayreddin seine Kräfte mit 50 französischen Schiffen unter dem Kommando des Herzog von Enghien vereinigte, um das spanisch beherrschte Nizza einzunehmen. Dies unterstand Charles III. von Savoyen, einem Verbündeten Karls V., dessen Bevollmächtigter Andrée de Montfort fest entschlossen war, Nizza zu halten. Im Juni 1543 riegelten die vereinigten Flotten von Türken und Franzosen die Festung von der Außenwelt ab. Von der Land und der Wasserseite begann das Bombardement. Bereits am 23. August gelang es den Angreifern, in die Stadt einzudringen, während sich der harte Kern der Verteidiger in die Zitadelle zurückzog.
Dort konnte sich die Besatzung halten, bis am 9. September ein Entsatzheer unter dem Kommando des Herzog von Savoyen und eines spanischen Verbündeten, dem Marquis de Vasto, Gouverneur von Mailand, nahte. Dies veranlaßte die Belagerer, sich zurückzuziehen.
Wenn wir allerdings einer der zahlreichen Legenden glauben, dann war alles ganz anders: Mit großem Mißfallen habe Hayreddin die Trinkgelage der französischen Kommandanten beobachtet. Ihm als Muslim waren sowohl der Wein als auch der Schinken, die bei diesen Feiern in Mengen serviert wurden, verboten. Doch erst als den Franzosen das Pulver ausging, und sie sich an Hayreddin um Hilfe wandten, brachte er seine Kritik zum Ausdruck: Er wies auf die Stapel von Weinfässern, die überall im Lager zu sehen waren und fragte, ob man nicht zur Abwechslung mit diesem nassen Pulver zu schießen versuchen wolle.
So groß also war nach dem Scheitern der Belagerung das Einvernehmen zwischen Franzosen und Barbaresken nicht mehr. Und nachdem die Piraten die ihnen als Winterquartier überlassene, von ihren Einwohnern geräumte französische Stadt Toulon zu einem „wahren Konstantinopel“ gemacht hatten, brach Franz I. vorerst jede weitere militärische Zusammenarbeit mit den Piraten von Algier ab.
Fast eine ganze Generation sollten die Barbaresken die Oberhand auf dem Mittelmeer behalten; dies änderte sich erst im Jahr 1571, als die Flotte der Heiligen Liga unter Don Juan d’Austria die osmanische Flotte vernichtete.
Siehe dazu unseren Artikel: Die Schlacht von Lepanto