Sissi und Franzl: Erinnerung an eine (Alp-)Traumhochzeit
von Ursula Kampmann im Auftrag von Künker
Künker versteigert am 28. Oktober 2024 im Rahmen seiner phaleristischen Auktion 415 das Medaillenset in Gold, das Kaiser Franz Joseph seinem Schwiegervater Max Joseph, Herzog in Bayern überreichte. Es ist eine numismatische Erinnerung an eine Hochzeit, die für seine Tochter, die junge Elisabeth – heute besser bekannt als Sissi oder Sisi – zum Alptraum werden sollte.
Inhalt
Am Samstag, dem 22. April 1854 Punkt 4.00 Uhr nachmittags legte der Raddampfer Franz Josef unter Böllerschüssen und Vivatgeschrei im nahe Wien gelegenen Nußdorf an. An Bord hatte er eine verschreckte 16-Jährige, die nur mühsam die Fassade wahrte. Gekleidet in rosa Seide stand sie da und winkte mit ihrem Spitzentaschentuch den jubelnden Menschenmassen zu, die einen Blick auf ihre zukünftige Kaiserin erhaschen wollten. Zehntausende drängten sich an den Ufern, entlang der Straßen, starrten aus Fenstern und von Tribünen, um nur ja einen Blick auf die zukünftige Herrscherin ihres Landes werfen zu können. Die ließ all die Reden und Grußadressen, all die Gedichte und Ehrbezeugungen klaglos über sich ergehen, ehe sich endlich die Wagenkolonne formierte, um die gesamte höfische Gesellschaft nach Schönbrunn zu bringen.
Der Sissi-Papa
Nutzen wir die Gelegenheit, um einen Blick auf die Familie zu werfen, die da ihre Tochter nach Wien verheiratete. Im ersten offenen Zweispänner saß zusammen mit dem Bräutigam Herzog Max Joseph in Bayern, der Brautvater. Viele Menschen stellen sich diesen Mann heute noch so vor, wie ihn Gustav Knuth in den Filmen von Hubert Marischka verkörperte, als einen gemütlichen und liebevollen Vater.
Tatsächlich war Herzog Max Joseph in Bayern alles andere als gemütlich, auch wenn er gerne die Zither spielte. Er gehörte dem jüngeren Zweig der Wittelsbacher an, verfügte über ein immenses Einkommen, das er für seine Vergnügungen verwendete. Arbeit war unter solchen Umständen nicht notwendig. Zur Heirat mit Ludovika hatte man ihn gezwungen. Das ließ er sie spüren. Er zeugte in regelmäßigen Abständen mit ihr Kinder und machte ansonsten, was er wollte. In seinem hochherrschaftlichen Palais unterhielt er eine kleine Bühne und eine Manege, in der er sich gelegentlich selbst als Clown betätigte. Max Joseph war häufig auf Reisen und hielt sich in München zumeist bei seiner bürgerlichen Zweitfamilie auf. Seine drei unehelichen Kinder standen ihm wesentlich näher als Elisabeth und ihre Geschwister.
Die böse Schwiegermutter
Aus dem folgenden Zweispänner winkte die Braut. Neben ihr thronte Kaiserinmutter Sophie, die in den Marischka-Filmen zu einer wahren Plage von Schwiegermutter stilisiert wird. Tatsächlich dürfte Sophie eher die heimliche Heldin der Geschichte sein, die dem entspricht, was wir uns heute als starke Frau vorstellen.
Sophie Friederike war die Schwester von Ludovika und damit eine echte Tante von Elisabeth in Bayern. Sie galt zu ihrer Zeit als eine der schönsten Frauen Deutschlands: Ludwig I. ließ sie für seine Schönheitsgalerie verewigen. Mit 19 Jahren heiratete Sophie Franz Karl von Österreich, den jüngeren Sohn des Kaisers. Natürlich nicht aus Liebe. Ihre große Stunde kam im Revolutionsjahr 1848, als Kaiser Ferdinand I. abdanken musste. Sophie setzte es durch, dass nicht ihr Mann den Thron bestieg, sondern ihr Sohn, dem wegen seiner frischen Jugend die Herzen der Bevölkerung zuflogen.
Sophie hatte ihren Sohn pflichtbewusst und erzkonservativ erzogen. Während seine Braut mit den Feierlichkeiten der Hochzeitswoche völlig überfordert war, erledigte der 24-Jährige zusätzlich noch die täglichen Staatsgeschäfte. Weder er noch seine Mutter dürften in der Lage gewesen sein, nachzuvollziehen, was das Hofzeremoniell Elisabeth abverlangte. Die war zwar hervorragend erzogen, aber Disziplin und Leutseligkeit hatte in Schloss Possenhofen nicht auf dem Lehrplan gestanden.
Die Frau Mama
Im dritten Wagen saß neben Erzherzog Franz Karl die Mutter der Braut, Ludovica. Ob sie bei dieser seltenen Gelegenheit wohl gelächelt hat? Sie tat es eigentlich nie. Kein Wunder. Glück war ihr in ihrem Leben nicht beschieden. Auch sie hatte geliebt und war geliebt worden. Nur zu gerne hätte sie den Heiratsantrag des portugiesischen Königs angenommen, doch das verbot ihr Vater.
Da saß sie nun mit einem abwesenden Mann und einer ständig wachsenden Kinderschar. Was ihr an Zärtlichkeit fehlte, kompensierte sie durch ihre leidenschaftliche Liebe zu ihren Hunden.
Im Münchner Palais ihres Mannes hielt sie es nicht aus. Sobald der Frühling nahte, zog sie mitsamt ihren Kindern nach Possenhofen und blieb dort, solange es das Wetter zuließ. Das bedeutete, dass Sisi und ihre Geschwister kaum an die Stadt und noch weniger an höfisches Zeremoniell gewöhnt waren. Da nutzte es wenig, dass Ludovika die besten Lehrer engagierte. Die Beherrschung von Mathematik, Geographie und Geschichte halfen ihrer Tochter nicht, sich in der höchsten Gesellschaft Wiens souverän zu bewegen. Die Katastrophe war eigentlich vorprogrammiert.
Der Einzug in Wien und ein Missgeschick
Wir können uns kaum vorstellen, wie müde die kleine Sisi gewesen sein muss, als sie am Abend ihrer Ankunft nach dem Gala-Diner weit nach Mitternacht ins Bett fiel. Ausschlafen durfte sie am nächsten Tag nicht. Da stand der Einzug in Wien auf dem Programm. Dafür musste sie sich erst einmal aufwändig ankleiden, um von Schönbrunn die kurze Fahrt ins Theresianum zu absolvieren. Dort wurde sie noch aufwändiger aufgeputzt. Elisabeth trug nun ein kratzendes Kleid aus silberdurchwirktem Rosé mit Krinoline und einer langen Schleppe, bestickt mit Rosengirlanden. Auf dem Kopf balancierte ein hohes Diadem, das bei jeder unbedachten Bewegung zu verrutschen drohte. Wir wissen, dass das übermüdete Mädchen in ihrer Gläsernen Kutsche vom Einsteigen bis zum Aussteigen weinte. Dem an den Straßen jubelnden Volk bot sich das Schauspiel einer hysterischen Prinzessin mit roten Augen, die Rotz und Wasser heulte und nicht mehr in der Lage war, sich zusammenzureißen. Beim Aussteigen aus der Kutsche blieb sie auch noch mit ihrem Diadem hängen und wäre beinahe hingefallen, hätte sie nicht ein Diener festgehalten. Und das angesichts des gesamten Hofes, der sich versammelt hatte, um sie in der Residenz willkommen zu heißen. Wenn das nicht Grund für noch mehr Tränen war…
Die Trauung
Am nächsten Tag durfte Elisabeth ausschlafen. Hoffentlich. Wenn sie denn in der Nacht vor ihrer Hochzeit überhaupt schlafen konnte. Die kirchliche Trauung war für 18.30 vorgesehen. Sie fand in der von 15.000 Kerzen erhellten Augustinerkirche statt. Die Trauung vollzog der Wiener Erzbischof Rauscher, den wir zwischen dem Hochzeitspaar auf der von Konrad Lange anlässlich der Hochzeit geschaffenen Medaille sehen. Ihm assistierten 70(!) Bischöfe und Prälaten. Erzbischof Rauscher – wegen seiner Redseligkeit in Wien scherzhaft Plauscher genannt – lieferte mit seiner Predigt ein Meisterstück an Ausdauer.
Doch die Hochzeit selbst war nur der Auftakt der Feierlichkeiten. Die frisch Vermählten mussten nun die Gratulation der gesamten Elite der Habsburger Monarchie über sich ergehen lassen. Alles, was Rang und Namen hatte, war zu diesem Fest angereist und drängte sich in den Sälen der Hofburg. Irgendwann hielt es die überforderte Elisabeth nicht mehr aus. Sie stürzte aus dem Saal, weinte ausgiebig in einem Nebenzimmer, während der Hofstaat betreten herumstand und nicht wusste, was er tun sollte. Endlich gelang es, Elisabeth wieder zurückzubugsieren, doch da stellte sich schon das nächste Problem: Elisabeth war schüchtern, hatte noch nie so viele Menschen auf einem Haufen gesehen. Natürlich brachte sie den Mund nicht auf. Doch ihr hoher Rang verbot, sie anzusprechen. Es herrschte also verlegenes Schweigen, bis die ihr als Anstandsdame zugeteilte Fürstin Esterhazy sich ein Herz fasste, und ganz gegen das Protokoll einige Damen aufforderte, ein paar Worte an die Kaiserin zu richten.
Nicht etwa, dass mit diesem Empfang die Feierlichkeiten zu Ende gewesen wären. Es folgte eine festliche Illumination, für deren Besichtigung das junge Ehepaar stundenlang durch die Straßen Wiens kutschierte; erst danach begann das Hochzeitsmal mit endlosen Reden und Vivat-Rufen. Für die Hochzeitsnacht blieb keine Energie. Das wissen wir, weil am nächsten Morgen die beiden Mütter das Frühstück der Brautleute unterbrachen, um festzustellen, ob Elisabeth schon zur Frau geworden war. (Sie war es nicht. Die Quellen besagen, dass sie das erst in der dritten Nacht wurde.)
Eine Erinnerung für die Anwesenden
Beenden wir an dieser Stelle die Schilderung der Hochzeitsfeierlichkeiten, obwohl sie für Elisabeth noch lange nicht beendet waren. Sie musste noch eine Theateraufführung und einen Hofball, ein Volksfest und den Bürgerball überstehen. Dass es nicht noch mehr wurde, war eine nette Geste ihres jungen Ehemanns, der die so anstrengenden Empfänge am vierten Tag absagte, um mit seiner Frau durch den Prater zu fahren – diesmal in einem unauffälligen Wagen, den der Kaiser selbst kutschierte und den man mit einem Verdeck so überspannen konnte, dass man die Insassen nicht sah.
Er dürfte begriffen haben, dass Elisabeth sonst nicht in der Lage gewesen wäre, die Feierlichkeiten ohne Nervenzusammenbruch durchzustehen. Denn natürlich musste die Form gewahrt werden. Es war ein Desaster für den Kaiser, dass Zehntausende von Menschen gesehen hatten, wie unglücklich seine Braut vor ihrer Hochzeit war. In offiziellen Medien durften ihre Tränen nicht erscheinen. Da musste sie strahlen, wie sie es auf der offiziellen Hochzeitsmedaille tat, die schon lange vor dem eigentlichen Ereignis beim Wiener Hauptmünzamt in Auftrag gegeben worden war.
Der Hof brauchte für alle großen Festivitäten solche Medaillen, um sie als Souvenirs an die Teilnehmenden zu verteilen. Dabei wurde sorgsam abgewogen, welche Stellung und welchen Rang der Beschenkte hatte. Der Brautvater Max Joseph in Bayern erhielt selbstverständlich ein Erinnerungs-Set erster Klasse. Es enthielt zwei schwere Goldmedaillen im Gewicht von je 35 Dukaten, also 122,2 bzw. 122,3 g. Präsentiert wurden sie in einer kleinen Schatulle aus rotem Maroquin-Leder, die aufwändig mit Messing-Applikationen verziert war.
So ein Set ist hinsichtlich seiner Einmaligkeit und Besonderheit nicht mit den unverpackten Medaillen zu vergleichen, die vom gleichen Stempel geprägt wurden und die man durchaus häufiger in Auktionen findet. Es gibt sie in Gold, Silber und Bronze, wobei das Wiener Hauptmünzamt nur die Bronze-Medaillen für den Verkauf anfertigte. Medaillen in Silber und Gold waren ausschließlich als Geschenke vorgesehen, konnten aber – wenn sich die Verwaltung verrechnet und zu viele bestellt hatte – an interessierte Bürger für ein hohes Aufgeld abgegeben werden. Selbstverständlich wurden sie dann nicht in als prachtvolles Erinnerungs-Set in einer aufwändig gestalteten Schatulle geliefert. Solche Objekte wurden nur für die hohen Gäste hergestellt.
Das Osnabrücker Auktionshaus Künker ist stolz darauf, diese Memorabilie in seiner Auktion 415 anzubieten.
Sisis Lieblingsbruder „Gackerl“ Carl Theodor in Bayern
Auktion 415 enthält nicht nur das offizielle Erinnerungs-Set, das dem Brautvater Max Joseph in Bayern übergeben wurde, sondern dazu ein zweites Set in Silber, das aus dem Besitz des Lieblingsbruders von Sisi stammt. Carl Theodor war anderthalb Jahre jünger als Elisabeth und wurde von ihr nur „Gackerl“ gerufen. Er begleitete sie zusammen mit allen anderen Geschwistern durch die Festwoche, musste aber danach sofort wieder beim Königlich Bayerischen 3. Chevaulegers-Regiment einrücken, wo der 14-Jährige seit dem 12. Oktober 1853 seinen Dienst als Unterlieutenant verrichtete. Sisi war darüber so verzweifelt, dass sie bereits eine Woche nach seiner Abreise ihren Ehemann flehentlich anbettelte, den „Gackerl“ für ein paar Tage nach Wien kommen zu lassen. Franz Joseph sagte zu und machte seine junge Frau damit glücklich. Das enge Verhältnis der beiden Geschwister sollte viele Jahre Bestand haben und sich auch auf ihre Kinder übertragen.
Carl Theodor wurde nach dem Tod seines Vaters Max Joseph am 15. November 1888 Chef des Hauses Wittelsbach in Bayern. In dieser Funktion erbte er neben vielen anderen Memorabilien aus Wittelsbacher Besitz das goldene Erinnerungs-Set, das sein Vater Max Joseph von Kaiser Franz Joseph erhalten hatte. Ulrich Künker sagt dazu: „Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir eine Auswahl an bedeutenden Objekten aus dem Nachlass von Carl Theodor und seiner bemerkenswerten Frau Marie José von Braganza versteigern dürfen. Es war uns eine Ehre, aber auch eine Verpflichtung, die Objekte, die sich in diesem Nachlass befanden, bestmöglich zu dokumentieren und in ihren historischen Kontext einzuordnen.“
Der von Michael Autengruber erstellte Katalog zu Auktion 415 kann bei Künker, Nobbenburger Straße 4a, 49076 Osnabrück; Tel: 0541 / 962020; Fax: 0541 / 9620222; oder über E-Mail bestellt werden. Dort finden Sie auch zusätzliche Informationen über das bemerkenswerte Leben von Carl Theodor in Bayern und seiner Gattin Marie José.