Als der König im Sterben lag… – Die spektakulärste britische Goldmünze der Neuzeit
Man schreibt den 29. Januar des Jahres 1820. Es ist kalt. Auf seinem Sterbebett in Schloss Windsor liegt ein Mann, den die Welt schon längst abgeschrieben hat: George III., 81 Jahre alt, blind, taub, dement, und nun auch noch an einer Lungenentzündung erkrankt. Während der Monarch um sein Leben ringt, arbeitet die Prägepresse in der Tower Hill Mint auf Hochdruck. Münzmeister William Wellesley Pole möchte unbedingt die Proben zu den neuen 5 Pfund-Münzen noch zu des Königs Lebzeiten fertigstellen. Dafür hat er eigens eine Nachtschicht angeordnet.
Inhalt
Rund 30 Jahre später schrieb Edward Hawkins, Kurator der Münzsammlung des British Museums, dass „die Stempel gerade eben fertiggestellt waren, während das Ableben des Königs stündlich erwartet wurde; und obwohl die Arbeiter damit beschäftigt waren, sie während der Nacht zu prägen, glauben wir nicht, dass alle 5 und 2 Sovereign-Stücke tatsächlich während der Herrschaft von König Georg III. fertiggestellt waren.“ William John Hocking, der mehr als 60 Jahre danach seine Tätigkeit in der Royal Mint aufnahm, behauptete sogar, dass „die Stempel beim Ableben von Georg III. noch nicht fertig waren und die Münzen später geprägt wurden“.
Was für eine einzigartige Münze mochte das sein, wenn die Frage, ob sie Stunden vor oder nach dem Tod des Königs geprägt wurde, so bedeutende Fachleute noch Generationen später beschäftigte?
Eine Probe zur neuen 5 Pfund-Münze
Es handelt sich um eine Probe, die heute als die spektakulärste britische Goldmünze der Neuzeit gilt. Diese Probe stellte den allerersten Versuch dar, einen mehrfachen Sovereign zu prägen. SINCONA ist stolz darauf, das wohl beste Exemplar dieser winzig kleinen Emission von 25 Stücken im Rahmen des 4. Teils der SINCONA British Collection in Auktion 82 am 15. Mai 2023 anzubieten. Die Münze wurde 1970 von der Schweizerische Kreditanstalt gekauft und hat seitdem mehr als ein halbes Jahrhundert in der Sammlung geruht. NGC stellt fest, dass es sich bei dieser Münze um das am höchsten gegradete Stück handelte, das ihnen jemals vorlag.
Die Probe zeigt auf der Vorderseite das im römischen Stil gestaltete Porträt von Georg III. mit Lorbeerkranz, geschaffen von Benedetto Pistrucci, der sein Werk unter dem Halsabschnitt signierte. Die Umschrift lautet GEORGIUS III D: G: – BRITANNIAR: REX F: D: / 1820, übersetzt Georg III. von Gottes Gnaden, König der Britannien – gemeint ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland –, Verteidiger des Glaubens.
Auf der Rückseite sieht man das ikonische Bild des heiligen Georg, der mit seinem Schwert den Drachen tötet. Im Abschnitt ist auch hier die Signatur PISTRUCCI zu lesen. Die Randaufschrift lautet DECUS ET TUTAMEN. ANNO REGNI LX, also Ehre und Schutz, im 60. Jahr der Herrschaft.
Die Darstellung übernimmt exakt die Bilder, die der italienische Bildhauer Benedetto Pistrucci für den erstmals 1817 ausgegebenen Sovereign schuf. Diese Ikone der britischen Münzprägung ist das Symbol für einen Neuanfang: Nachdem die Tower Mint mit ihrer völlig veralteten Ausstattung nicht einmal mehr in der Lage war, genügend Kleingeld für Großbritannien zu produzieren, entschloss sich die britische Regierung, eine neue Münzstätte auf dem Tower Hill zu errichten. Sie wurde nach dem Vorbild der privaten Soho Mint geplant und mit modernster Maschinerie ausgestattet. Im Sommer des Jahres 1811 begann dort die Produktion. Im September 1814 wurde der energische William Wellesley Pole damit beauftragt, die Münzstätte zu leiten und das britische Münzsystem zu erneuern. Ihm stand ein äußerst begabter Stempelschneider zur Seite, der Italiener Benedetto Pistrucci.
Es gibt viele Legenden, wie der italienische Gemmenschneider die Aufmerksamkeit des britischen Münzmeisters gewann. Die meisten davon involvieren Sir Joseph Banks, den berühmten Naturforscher. Er soll Pistrucci beauftragt haben, sein eigenes Porträt zu schaffen. Von der Leistung des italienischen Künstlers restlos begeistert, empfahl er ihn Pole, der damals bereits an einem Vorschlag für neue Goldmünzen zu 10, 20 und 40 Shilling resp. zu 5 Pfund arbeitete. So wurde es Teil des Vorschlags, nicht die fest angestellten Graveure der Tower Hill Mint mit dem neuen Design zu betrauen, sondern „Herrn Pistrucci, einen Künstler von größter Berühmtheit, dessen Werk als Gemmenschneider ihn unter allen Mitbewerbern heraushebt.“ Am 26. Juni 1816 wurde dies zusammen mit einem Honorar von 100 Guineas (= 105 Pfund) genehmigt, und zwar noch ehe Poles Vorschlag zur Stückelung der neuen Goldmünzen am 3. August 1816 angenommen wurde.
So konnten bereits im Juli 1817 die ersten Sovereigns mit dem neuen Design erscheinen. Die ersten drei Jahrgänge zeigen auf der Rückseite noch das Band des Hosenbandordens, der dem auf der Münze dargestellten heiligen Georg geweiht war. Die Umschrift lautet HONI SOIT QUI MAL Y PENSE (= ein Schelm, wer Böses dabei denkt).
Die neuen Sovereigns waren für die damalige Zeit extrem fälschungssicher und immun gegenüber Manipulationen. In ihre Gestaltung flossen die Ergebnisse aus vielen Jahrzehnten der Forschung ein. Bereits 1782 hatte man auf Initiative des Erfinders Charles Stanhope mit neuen Sicherheitsmerkmalen experimentiert. Eine mit der Jahreszahl 1782 geprägte Probe setzt Ideen um, die Stanhope in seiner 1775 veröffentlichten Schrift „Considerations on the means of preventing fraudulent practices on the gold coin“ publizierte.
Gold vom Rand der Münze abzufeilen, sollten sowohl die an den Rand gerückten Zierelemente verunmöglichen als auch eine Randumschrift. Mit der Ausstattung der alten Tower Mint war es äußerst aufwändig gewesen, solche Münzen zu produzieren. Die neuen Münzpressen von Boulton verfügten über einen Prägering und machten die Herstellung einer Randumschrift zum Kinderspiel. So konnten beide Sicherheitsmerkmale für die Massenprägung der neuen Sovereigns – bereits 1817 wurden 3.235.239 Sovereigns geprägt – übernommen werden.
Pole muss mit der Arbeit von Pistrucci sehr zufrieden gewesen sein, denn als der Chefgraveur der Tower Hill Mint am 22. September 1817 starb, versuchte er, den Italiener zu seinem Nachfolger zu machen. Dies gelang nicht. Ein Gesetz verbot die Ernennung eines Ausländers. So ließ Pole – sehr zum Ärger des stellvertretenden Chefgraveurs William Wyon, dem Cousin des Verstorbenen – die Stelle unbesetzt und schloss eine informelle Übereinkunft mit Pistrucci. Der erhielt 500 Pfund jährlich, wohnte im Haus des Chefgraveurs auf dem Gelände der Tower Mint und übte inoffiziell die Funktion eines Chefgraveurs aus. Dazu gehörte 1819 auch die Adaption des Münzbildes der Sovereigns für ein 5 und ein 2 Pfund-Stück.
Ein Wettlauf gegen die Zeit
1754 war das letzte Jahr, in dem reguläre 5 Guineas-Stücke erschienen. Seit damals hatte es zwar immer wieder Proben zu 5 und 2 Guineas gegeben, aber keines der Stücke wurde offiziell ausgegeben. Nun erlaubte das königliche Edikt Pole, solche Stücke herzustellen, aber es dürfte unklar gewesen sein, ob diese Erlaubnis nach dem Tod von George III. nicht widerrufen würde. Deshalb setzte Pole alles in Bewegung, um sozusagen noch in letzter Minute die aufwändig produzierten Stempel zu nutzen.
Während von den doppelten Sovereigns 60 Stücke geprägt wurden, existieren lediglich 25 Exemplare von den 5fachen Sovereigns. Wir kennen die Käufer von jedem einzelnen. Sechs wanderten direkt ins Museum: Die Royal Mint, die Bank of England, das British Museum, die Glasgow University, das Dublin College und die Bodleian Library in Oxford sicherten sich je ein Exemplar. Acht Stücke gingen an die Mitarbeiter der Münzstätte. Die restlichen Exemplare bot man bekannten Münzsammlern an.
Der stellvertretende Chefgraveur William Wyon soll sein Exemplar als erster weiterverkauft haben. Dessen Abnehmer, der Münzhändler Abraham Edmonds verkaufte es seinerseits an William Bennett Rich von Bermondsey, und zwar für 25 Pfund, also den fünffachen Nominalwert. Davon hätten drei bis vier Londoner Waisenkinder ein ganzes Jahr auskömmlich leben können. Diese enorme Summe gibt uns eine Vorstellung davon, für wie bemerkenswert schon ihre Zeitgenossen diese Münze hielten.
Die weitere Geschichte der 5 Pfund-Münzen
Tatsächlich sollten 5 Pfund-Münzen noch lange eine Rarität bleiben. Unter George IV. wurde nur ein einziges Mal im Jahr 1826 eine winzige Auflage von rund 400 Exemplaren produziert. Das nächste 5 Pfund-Stück ließ wieder ein gutes Jahrzehnt auf sich warten. „Una and the Lion“ von 1839 gehört heute zu den begehrtesten Münzen auf dem Sammlermarkt. Und danach dauerte es noch einmal fast ein halbes Jahrhundert, bis anlässlich des Goldenen Regierungsjubiläums von Queen Victoria im Jahr 1887 die erste umfangreichere Emission von 5 Pfund Münzen entstand.
Alle Münzen der SINCONA British Collection Teil 4 finden Sie auf der Website von SINCONA.