MenschenGesichter Teil 16: Der Brudermord des Caracalla


mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum, Zürich

Warum galt der Kopf jahrhunderte-, nein, jahrtausendelang als das Motiv einer Münzseite schlechthin? Und warum hat sich dies in den letzten 200 Jahren geändert? Das fragt Ursula Kampmann in ihrem Buch „MenschenGesichter“, dem die Texte unserer Serie entnommen sind.

Römische Kaiserzeit. Caracalla (198-217). As, 215. Gepanzerte Büste des Caracalla mit Lorbeerkranz n. r., den Feldherrenmantel übergeworfen. Rs. Asklepios von Pergamon mit Schlangenstab frontal stehend, links Telesphoros (griech. der das Ende bringt), Begleiter des Asklepios, und Omphalos. © MoneyMuseum, Zürich.

Wir schreiben das Jahr 212. Gerade ist Septimius Severus gestorben und hat die Herrschaft seinen beiden Söhnen Caracalla und Geta hinterlassen. Caracalla, so ist es bestimmt, soll das Reich regieren, Geta ihm helfen. Doch Geta will sich nicht fügen. Er sammelt Verbündete, will seinen Bruder entthronen. Das Komplott platzt. Caracalla hält ein blutiges Strafgericht. 20.000 Verschwörer richtet er hin. Seinen Bruder bringt er selbst um, mit dem eigenen Schwert, im Schoß der gemeinsamen Mutter, in den sich der Aufrührer geflüchtet hat. Der grausame Brudermord belastete Caracalla sein Leben lang. Er hatte Alpträume und litt unter psychosomatischen Beschwerden. Einen kranken Kaiser aber, das konnte Rom zu Beginn des 3. Jahrhunderts nicht brauchen. Die Völkerwanderung war in vollem Gange. Im Osten versuchten die Parther wieder einmal, ein Stück vom Römischen Reich zu erobern. So waren Feldzüge die hauptsächliche Beschäftigung des geplagten Kaisers – Feldzüge und der Besuch bei den damaligen Spezialisten für seelische Verletzungen, der Besuch in den Heiligtümern der Heilgötter.

Zwar war vor allem die Behandlung von Wunden und Zivilisationsbeschwerden in der römischen Zeit weit entwickelt, aber es gab immer noch unzählige Krankheiten, bei denen die Ärzte ihren Patienten keine wirksame Kur verschreiben konnten. Diese Kranken flüchteten sich in die heiligen Haine von Aesculap bzw. Asklepios, von Apollon oder Amphiareios. Dort verkündeten ihnen die Priester, dass Krankheit daraus resultieren könne, dass der Mensch nicht im Einklang mit dem göttlichen Recht gelebt habe, dass die Götter die Krankheit geschickt hätten, um ihnen dies mitzuteilen, und dass es nun darum gehe, wieder die Eintracht mit Gott und der Welt herzustellen. Im Heilschlaf traten die Kranken in Verbindung mit den Überirdischen, und im Traum wurden ihnen Mittel und Wege zur Linderung gewiesen.

Das Heiligtum des Asklepios in Pergamon. Foto: KW.

Caracalla hatte seinen befreienden Traum in Pergamon. Wir wissen nicht, wie ihm die dortigen Priester halfen, seinen Frieden mit den Göttern zu machen. Jedenfalls blieb der Kaiser dem Gott Asklepios zeit seines Lebens dankbar. Abgesehen von großen Spenden und Privilegien für Pergamon und sein Heiligtum, ehrte er den Gott, indem er ihn in einer großen und ausgedehnten Münzemission im ganzen Reich bekannt machte, und zwar in genau der Art der Darstellung, in der er in Pergamon verehrt wurde: mit Telesphoros, dem kleinen Helfer des Asklepios, der das Ende der Krankheit – im Guten oder im Bösen – brachte, und mit Omphalos.

In der nächsten Folge lernen Sie, wie Diocletianus, ein Soldat aus einfachsten Verhältnissen, es schaffte, den Grundstein für ein neues Rom zu legen.

Alle Teile der Reihe finden Sie hier.

Das Buch „MenschenGesichter“ gibt es in gedruckter Form und als ebook auf der Seite des Conzett Verlages.