Die Münzen des Philippos II. von Makedonien

Sieger in Olympia und Hegemon von Griechenland

Makedonien, vor nicht allzu langer Zeit hat dieser Name wieder in den politischen Nachrichten Schlagzeilen gemacht. Mit Schlagwörtern wie „Makedonien bleibt griechisch“ versuchte die nationale griechische Propaganda gegen die Benennung eines neuen Staates mit diesem gefühlsträchtigen Namen anzugehen. Damit gestanden die heutigen Griechen Makedonien etwas zu, um das die Argeaden, das makedonische Königsgeschlecht, in der Antike heftig kämpfen mußten. Das Land am Rand der griechischen Welt wurde von all den Athenern, Thebanern, Spartanern und echten Hellenen für höchst barbarisch gehalten. Schließlich hatten die Makedonen nicht am Kampf gegen den persischen König teilgenommen, sondern sich ihm unterworfen. Und man besaß in diesem rückständigen Teil der Welt auch keine Demokratie, keine aristokratische Herrschaft oder gar einen echten Tyrannen. Das alles wäre salonfähig gewesen, aber nein, in Makedonien wurde der König von einer Heeresversammlung gewählt. Höchst suspekt.

Karte des antiken Makedonien. Quelle: Wikipedia.

Es war deshalb in der antiken Welt umstritten, ob die Makedonen überhaupt an den Olympischen Spielen teilnehmen durften. Die standen ja traditionell nur den echten Hellenen offen. Schon Alexander I., König der Makedonen von 498-454, durfte – wie uns Herodot V, 22 berichtet – nicht ohne Diskussion bei den Olympischen Spielen antreten. Er mußte seine griechische Herkunft beweisen, was ihm gelang, indem er den Namen seines Geschlechtes, der Argeaden, mit einer Herkunft von Argos begründete.
Ein umstrittener griechischer Stammbaum für einen Herrscher in einem halb barbarischen Land, damit kann man gut leben, wenn man genug Gold- und Silberminen besitzt und brav daheim bleibt. Wenn man aber – wie Philippos II. es tat – antritt, um die Hegemonie über alle Griechen zu erringen, dann ist so etwas ein echtes Problem.

Porträt Philipps II. von Makedonien. Ny Carlsberg Glyptothek. Foto: Gunnar Bach Pedersen / Wikipedia.

Dabei bemühte sich Philippos wirklich, griechische Kultur in seinem Land zu verbreiten. Er eroberte eine griechische Stadt nach der anderen und hatte einen guten Kontakt zur delphischen Pythia angeknüpft. So propagierte er sich sogar als ihren Verteidiger, als er im Jahre 352 gegen die Phoker kämpfte, die den Tempelschatz von Delphi geplündert hatten, um genug Geld für Söldner zu erhalten. Daß es bei diesem Kampf so ganz nebenbei auch um die Vorherrschaft in Mittelgriechenland ging, das verschwieg Philippos lieber geflissentlich.
Bei seinen Bemühungen um eine Vormachtstellung in Griechenland setzte Philippos nicht nur Waffen und Diplomatie ein, sondern – genau wie einstmals die Perser – sein Geld. Die makedonischen und thrakischen Stämme hatten schon immer über reiche Silbervorkommen verfügt. Zusätzlich erhielt Philippos mit der Eroberung des gegenüber der Insel Thasos am Festland gelegenen Pangeion-Gebirges eine schier unerschöpflich scheinende Goldquelle. Die sollte natürlich gleich in die griechischen Städte weiter fließen, um die Politik des Makedonenkönigs zu unterstützen. Selbstverständlich wollte sich Philippos auf seinen Münzen ins beste Licht stellen, und so wählte er neue Bilder, die zwei Dinge betonten: Zum einen, daß die Götter ihn begünstigten; zum anderen, daß er sicher und ganz klar zu den Griechen gehörte.

Tetradrachme Philipps II., geprägt nach seinem Tod ca. 315/4 – 295/4 v. Chr. in Amphipolis. Aus Auktion Gorny & Mosch 146 (2006), 162.

Die neuen Tetradrachmen, die erstmals in den Jahren 348/47 herausgegeben wurden, zeigten – wie bisher – auf der Vorderseite Zeus, zu dem die Makedonen ein ganz besonders enges Verhältnis hatten. Er galt als Vater des namensgebenden Gründerheros, Makedonos. Auch das Aussehen des Zeus auf diesen Münzen war Programm. Wir erblicken einen väterlichen Mann mittleren Alters mit halblangem Haupthaar und Bart. Auf dem Kopf trägt er den Lorbeerkranz, der in Olympia den Siegern verliehen wurde. Nicht nur der Lorbeerkranz weist auf Olympia, die ganze Erscheinung erinnert an das Standbild, das Phidias für Olympia geschaffen hatte.
Und auch die Rückseite bezieht sich auf dieses Zentrum der Griechen. Wir sehen einen jugendlichen Reiter, der sein Pferd im Schritt führt und zum Zeichen seines Sieges einen langen Palmzweig in der Hand hält. Damit erinnert diese Münze an den Olympiasieg, den Philippos im Jahr 356 errang. Plutarch, Alex. 3, berichtet, daß der Makedonenkönig drei für ihn bedeutende Nachrichten zur gleichen Zeit erhielt: Parmenion habe über die Illyrer gesiegt, sein Pferd sei in Olympia Sieger geworden und ihm sei ein Sohn geboren worden, der spätere Alexander. Nur der Sieg in Olympia war Philippos dabei wichtig genug, um ihn auf seiner Münze darzustellen. Natürlich war der König dabei nicht selbst beim Rennen mitgeritten, ein professioneller Reiter hatte das Pferd zum Triumph geführt. Trotzdem fiel der Ruhm des Sieges allein auf Philippos.
Denn den Griechen war der Sieg nicht ein Zeichen der eigenen Leistung, sondern ein Beweis für die Gunst der Götter. Sie schenkten den Sieg, nicht demjenigen, der den besten Trainer hatte, die beste Ausrüstung oder die beste Tagesform, sondern dem, der ihnen würdig erschien oder den sie einfach am meisten mochten.

Tempel von Olympia, im Giebel die Darstellung des Pelops vor dem Wagenrennen.

Wie wenig in den Augen der Griechen die Leistung mit dem Sieg zu tun hatte, wurde jedem Besucher von Olympia auf dem Ostgiebelfries des Zeus-Tempels gezeigt. Dort war eine Szene aus der lokalen Überlieferung dargestellt. Oinomaos, ein mythischer Herrscher über das Gebiet von Olympia, hatte ein Orakel erhalten, das ihm voraussagte, er werde durch seinen Schwiegersohn umkommen. So versuchte er, die Heirat seiner Tochter zu verhindern und stellte mögliche Kandidaten vor eine unlösbare Aufgabe. Sie sollten ihn und die unbesiegbaren Pferde, die er vom Sonnengott persönlich erhalten hatte, im Wagenrennen schlagen. Nachdem Oinomaos bereits 13 Freier besiegt und getötet hatte, bewarb sich Pelops, Namensgeber der Peloponnes, um die Hand der Tochter. Da er sich keine Chancen ausrechnete, sein Ziel zu erreichen, bestach er den Wagenlenker des Oinomaos, der die ehernen Naben des Gefährts durch wächserne ersetzte. So verlor der Wagen bei rasender Fahrt die Räder, überschlug sich und Oinomaos kam ums Leben. Zeus hatte den Sieg nicht dem Besseren geschenkt, sondern demjenigen, den er auserwählt hatte. Die Szene am Zeustempel zeigte die beiden Streiter vor der Abfahrt rechts und links von einem Zeus, der schon beschlossen hat, wem er den Sieg schenken wird und Pelops ansieht.
Genau wie einst Zeus beschlossen hatte, Pelops bei allem zu helfen, so hatte er nun durch den Sieg des Philippos gezeigt, daß der makedonische König sein neuer Günstling war. So war der Sieg in Olympia für den ehrgeizigen König nicht „nur“ ein sportlicher Erfolg, sondern er galt als politisches Argument. Wen die Götter in dem heiteren Wettkampf bevorzugten, dem würden sie auch in der Schlacht ihre Gunst schenken, in Verhandlungen, in allem, bei dem man die Unterstützung der himmlischen Mächte brauchen konnte.
So war es natürlich kein Wunder, daß Philippos diesen Sieg auf seinen Münzen darstellte, die ja für die breite Öffentlichkeit in Griechenland gedacht waren. Mit ihnen bestach er in den Städten die Makedonien freundlich gesinnten Parteien, mit ihnen zahlte er seine Söldner. Bald kursierten in allen Städten die Tetradrachmen des Philippos.

Tetradrachme Philipps II. mit der Darstellung des Königs, eine Ansprache vor der Heeresversammlung haltend, geprägt in Pella ca. 359-355/4. Aus Auktion Nomos 2 (2010), 55.

Sie lösten seine alten Münzen ab, deren Rückseite eine politisch leicht anrüchigen Szene zeigte: den makedonischen König bei der Ansprache an seine Heeresversammlung. Wie gesagt, Demokratie, Aristokratie oder Tyrannis, das waren die griechischen Staatsformen. Mit der Betonung der Wahlmonarchie hätte sich der makedonische König selbst abqualifiziert. Da war der Olympiasieg schon ein viel geeigneteres Thema, um als Münzdarstellung in ganz Griechenland verteilt zu werden. Die neuen Tetradrachmen waren ein voller Erfolg und sie wurden noch nach dem Tod des Philippos geprägt.

Goldstater Philipps II., geprägt nach seinem Tod 336-328 in Amphipolis. Aus Auktion Lanz 148 (2010), 22.

Auch die neuen Goldmünzen betonten die beiden Tatsachen, die Philippos allen Griechen einhämmern wollte: Wir Makedonen sind Griechen wie ihr, und ich, ihr König, bin ein Günstling der Götter. Dazu benutzte Philippos einen weiteren Sieg, den er in Olympia errungen hatte. Plutarch, Alex. 4, 9 berichtet, daß der König „die Siege, die seine Rennwagen in den Olympischen Spielen gewannen, auf Münzen prägen ließ.“ Nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach hatten die Götter ihre Gunst dem Herrscher der Makedonen erwiesen. Und nicht nur Zeus stand auf der Seite des Philippos. Die Vorderseite der neuen Goldstatere zeigt uns Apollon mit seinem jugendlichen Gesicht, die langen Haare von einem Lorbeerkranz zusammengehalten. Es ist der Herr von Delphi, der uns hier ansieht. Philippos hatte sich ja immer schon mit der Pythia gut verstanden, seit der Niederlage der Phoker 346 besaß er in der Delphischen Amphiktionie, die über das Orakel wachte, sogar zwei Stimmen. Die neuen Goldmünzen scheinen – der Hortevidenz zufolge – etwa seit 345 ausgegeben worden zu sein.
Philippos hatte seine neue Rolle als Hegemon aller Griechen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch propagandistisch gut vorbereitet. Nun konnte es gegen die Perser gehen, um die reichen Städte Kleinasiens unter den Schutz Makedoniens zu bringen. Alle Vorbereitungen für einen großen Feldzug waren getan, da ermordete ein enttäuschter und mißbrauchter Knabe namens Pausanias, der einstmals glaubte, die Liebe des großen Königs zu besitzen, den „treulosen“ Philippos. Ein tragikomisches Ende für einen großen Mann. Seine Münzen jedoch wurden weiter geprägt. Sie waren zu beliebt in den griechischen Städten, als daß Alexander III. bei seinen Vorbereitungen des Perserzuges auf sie verzichten mochte. Und noch Livius berichtet mehr als 300 Jahre später von den unendlichen Mengen von goldenen philippei, die bei den Triumphzügen nach Niederlagen Makedoniens an der staunenden römischen Menge vorbei getragen wurden.