Warum Sigismund der Münzreiche als bettelarmer Mann starb
Man schrieb den 7. Februar des Jahres 1496. Columbus war immer noch nicht von seiner zweiten Reise zurückgekehrt, im Römischen Reich deutscher Nation schimpfte man über die allgemeine Reichssteuer, die im Jahr vorher auf dem Reichstag zu Worms beschlossen worden war, und in ganz Europa verbreitete sich die aus Amerika eingeschleppte Syphilis. Ja, viel geschah in dieser Zeit; und in einer abgeschiedenen Kammer in der Residenz von Innsbruck lag ein einsamer Mann im Sterben.
Erzherzog Sigismund von Tirol, Kupferstich 1623.
Sigismund auf dem Totenbett
Erzherzog Sigismund von Tirol, Herr über die ertragreichsten Silbergruben der damaligen Welt, ruhte auf seinem Totenbett. Er hatte gewaltige Neuerungen im Münzwesen Europas durchführen lassen. Auf seine Anweisung hatte man den Pfundner, ausgeprägt, den Sechser, den Halbguldiner und den Guldiner, der zum Vorbild aller Taler werden sollte. Und nun auf seinem letzten Lager hatte der Erzherzog noch einen Wunsch: Er wollte bis an die Handgelenke in Münzen wühlen, noch einmal das kalte Metall an seinen Händen spüren. Sigismund bat seine Finanzverwalter, sie möchten doch zwei Töpfe mit Münzen herbeibringen. Doch die Herren hatten nur Ausreden parat: Die Kosten des Haushalts, der bevorstehenden Beerdigung, die vielen Schulden und Verpflichtungen, die man eingegangen war und nun bezahlen mußte. Da schlug der sterbende Erzherzog vor, man möge das Geld doch leihen. Er besitze noch ein kleines Bergwerk, das ihm wöchentlich 100 Gulden einbringe. Und tatsächlich fand sich ein Leihgeber, der 400 Gulden vorstreckte, damit der Erzherzog seine brennenden Hände im Metall kühlen konnte. Drei Wochen noch lebte Sigismund. 300 der 400 Gulden zahlte er zurück. Die letzten 100 Gulden blieb er seinem Leihgeber schuldig.
Wie konnte es kommen, daß der Herrscher über den unermeßlichen Reichtum der Silberbergwerke von Schwaz als armer Mann starb, der kurz vor seinem Tode nichts mehr besaß als die Einkünfte aus einem kleinen Bergwerk? Warum hatte er die Erträge aus seinem Lande nicht besser verwaltet? Was für politische, wirtschaftliche und mentale Umstände führten dazu, daß selbst die reichsten Länder sich im späten Mittelalter und zu Beginn der frühen Neuzeit mit den Extravaganzen ihrer Herrscher ruinierten?
Politische Umstände
Als Herzog Friedrich, der Vater des späteren Erzherzogs Sigismund, im Jahre 1439 verstarb, war sein Sohn gerade einmal 12 Jahre alt. Dies war für die Verwandten des Knaben eine große Chance. Sie waren rein rechtlich gesehen die Lehnsherren von Herzog Friedrich gewesen und so stand ihnen im Todesfall die Neuvergabe des Herzogtums Tirol zu. Wäre Sigismund bereits volljährig gewesen und hätte er die Geschäfte des Landes fest in der Hand gehabt, so hätte sein steirischer Vetter Friedrich, der später zum Deutschen König werden sollte, keine Chance gehabt, in die Nachfolgeregelung einzugreifen. Gegenüber dem 12jährigen hatte Friedrich IV. aber leichtes Spiel. Er nahm – ganz im Sinne des mittelalterlichen Feudalrechts – den jungen Mann an seinen Hof, um ihn dort zu erziehen. Daß der ganze Tiroler Landesschatz dabei den gleichen Weg nahm, erregte zwar das Mißfallen der Landstände, aber dagegen tun konnte niemand etwas. Friedrich IV. war im Recht! Er konnte als Lehnsherr Tirols die Einkünfte des Landes dafür einziehen, daß er es im Namen seines Mündels verwaltete.
Wen wundert es also, wenn Friedrich IV. nicht das geringste Bedürfnis hatte, seinen Neffen in die Volljährigkeit und damit in die Herrschaft zu entlassen. Sigismund mußte viel Geld dafür bezahlen, daß sein Onkel ihn für großjährig und damit erbfähig erklärte. Am 31. März des Jahres 1446, sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters, schloß Sigismund mit Friedrich einen Vertrag. Darin versprach er dem König jährlich 2000 Mark, also 16.000 rheinische Goldgulden – eine enorme Summe. Außerdem mußte er eine einmalige Abstandszahlung von 30.000 Dukaten, also 37.500 Gulden zahlen. Dazu wollte der Bruder von König Friedrich IV. auch noch abgefunden werden. Sechs Jahre lang sollte Sigismund ihm je 20.000 Guldgulden zahlen.
Damit begann der junge Fürst seine Herrschaft mit einer enormen Hypothek. 37.500 Dukaten sofort, 36.000 Goldgulden jährlich für die nächsten sechs Jahre, dann nur noch 20.000 jährlich, solange es dem König Friedrich IV. gefiel. Dazu waren die Schatzkammern leer. Sein Vormund selbst hatte ja die Geldreserven mitgenommen und die jährlichen Einkünfte des Landes eingezogen. Was also blieb dem jungen Herzog übrig, als Schulden zu machen, Geld aufzunehmen, das ihm von den aufstrebenden Kaufleuten auch gerne gewährt wurde. Schließlich besaß Herzog Sigismund eine unerschöpfliche Geldquelle: In seinem Land befand sich bei Schwaz das reichste Silbervorkommen der damaligen Zeit.
Ansicht von Schwaz. Postkarte, um 1900.
Wirtschaftliche Umstände
Sigismund besaß das Bergwerksregal in Tirol, sprich alle Bodenschätze, die sich auf seinem Land befanden, gehörten erst einmal ihm als Herrscher. Und bereits seit den ersten zwei Dekaden des 15. Jahrhunderts gruben Bergleute in Schwaz. Wir wissen nicht, wie viel Silber sie damals förderten. Genaue Zahlen haben wir erst für die Zeit nach 1470, da werden die Summen aber enorm, geradezu unvorstellbar: 1470 wurden allein in der Grube „Alte Zeche“ 12.232 Mark Silber gefördert. Wir müssen die Mark mit 281 Gramm ansetzen. Das heißt, in diesem Jahr kamen 3.437 Kilogramm Silber ans Licht des Tages, die man zu 10.764 Guldinern hätte ausprägen können. 1480 waren es dann schon 7.724 Kilogramm Silber, 1490 11.679 und 1500 11.701 Kilogramm. Insgesamt erbrachte allein diese Grube zwischen 1470 und 1529 200.000 Kilogramm Silber und 15.000 Tonnen Kupfer. Und nicht zu vergessen, die „Alte Zeche“ war nur eines von mehreren Bergwerken. Da gab es noch den Eisenstein, den Falkenstein, den Ringenwechsel und wie sie alle hießen.
Und all dieses Silber hätte dem Bergregal entsprechend dem Fürsten gehört, wenn er, ja wenn er in der Lage gewesen wäre, dieses Silber auf eigene Kosten abbauen zu lassen. Doch dazu war Sigismund nicht in der Lage. Bergbau erforderte erst einmal Investitionen und Organisation, und dazu mußte sich der Herzog auf erfahrene Unternehmer verlassen.
Bereits sein Vormund König Friedrich IV. hatte im Jahr 1441 die Rechte an der Herrengrube dem Innsbrucker Unternehmer Jakob Tänzl verliehen. Damit war eine Organisationsform des Bergbaus gefunden, die im ganzen Reich Schule machen sollte: Das Gewerkewesen. Ein reicher Unternehmer erwarb von seinem Landesherrn das Recht, eine Grube auszubeuten. Er allein war befugt, den unter Tage arbeitenden Bergarbeitern, die in einer Art Arbeitsgenossenschaft organisiert waren, das geförderte Silber abzukaufen. Der Wert des rohen, ungemünzten Silbers betrug damals auf dem freien Markt 10 bis 12 Gulden. Doch der Landesherr besaß das Vorkaufsrecht und handelte es dem Gewerken für den festgelegten Betrag von 5 Gulden ab. Für 8 Gulden verkaufte es der Herzog dann weiter, immer noch weit unter dem üblichen Preis. Die 3 Gulden Differenz wurden der Wechsel genannt. Diese sogenannten Wechsel bildeten die Grundlage und das Haupteinkommen für die erzherzöglichen Finanzen. Auch wenn natürlich noch andere Steuern, Zehnten und Fronen dazukamen.
So erhielt der Fürst zum Beispiel von dem im Bergwerk geförderten silberhaltigen Gestein jeden zehnten Eimer, den Zehnten also. Diese Abgabe wurde die Fron genannt, ein Wort, das uns eher aus dem Frondienst der Leibeigenen bekannt ist. Derjenige, der darauf achtete, daß diese Abgabe an den Fürsten auch tatsächlich abgeführt wurde, hieß der „Froner“. Dieses Rohmaterial kam in die Schmelzanstalt des Erzherzogs, so daß der Landesfürst über kostenloses eigenes Silber für seine Münzen verfügte.
Anton Fugger, der „König der Kaufleute“, verlegte zeitweise die Firmenzentrale nach Schwaz. Gemälde von Hans Maler.
Ein Bombengeschäft
Das ganze war für alle Beteiligten ein sehr gutes Geschäft. Sigismund erhielt ohne großen Aufwand riesige Geldsummen, die Gewerke konnten unglaubliche Gewinne aus ihren Bergwerksanteilen herauswirtschaften. Ihnen blieb nicht nur die Differenz zwischen den Förderkosten und den 5 Gulden, die ihnen Sigismund pro Mark zahlte. Sie durften dazu das Kupfer, das neben dem Silber in Schwaz anfiel, ohne jede Auflage auf dem freien Markt verkaufen. So hätten alle ihren Profit gehabt, wenn, ja wenn Sigismund nicht ständig in Schulden gesteckt wäre.
Diese Schulden zahlte Sigismund mit seinem Anteil an den Gewinnen des Bergwerks von Schwaz zurück. Wie so etwas lief, kann man gut an einem Darlehen sehen, das Sigismund am 1. Januar 1456 bei der Augsburger Handelsgesellschaft des Ludwig Meutting aufnahm. 40.000 Gulden stellte der Handelsherr zur Verfügung. Dafür durfte er für einen festgelegten Zeitraum die gesamte Schwazer Silberproduktion für 8 Gulden aufkaufen. 5 Gulden mußte er an die Gewerken zahlen, 3 Gulden an den Landesherren. Sein eigener Gewinn lag bei 2 bis 4 Gulden pro Mark Silber. ? Und da die Handelsherren damals über hervorragende Informationsquellen verfügten, dürfen wir davon ausgehen, daß Ludwig Meutting gut an dem Darlehen verdiente.
Das Beispiel machte Schule, alle Gewerken versuchten, über Anleihen von der Pflicht frei zu werden, an den Landesherren zu verkaufen, um selbst die großen Gewinne zu machen. Und natürlich war Sigismund, der ständig in Geldschwierigkeiten steckte, nur allzu bereit, sich die Rechte an dem geförderten Silber im Voraus abkaufen zu lassen.
1488 brauchte Sigismund 150.000 Gulden. Das entsprach etwa dem Doppelten dessen, was ein einziges Bergwerk, die Alte Grube, dem Fürsten im Jahr 1480 nur für den Wechsel eingebracht hatte. Und die Silberproduktion stieg in den Jahren zwischen 1480 und 1490 jährlich!!! Doch Sigismund brauchte das Geld sofort und die Fugger hatten Bargeld im Überfluß. So verpfändete der Herzog für eineinhalb Jahre alles in Schwaz gewonnene und an die Haller Münze abzuliefernde Silber, das einen Wert von immerhin 200.000 Gulden repräsentierte, an Ulrich Fugger. Das Handelshaus der Fugger gewann also in 18 Monaten etwa 50.000 Gulden an diesem einen Kredit, das entsprach einem Jahreszinssatz von 22 %. Heutige Banken können von solchen Krediten nur träumen!
Nicht nur Sigismund machte solche Dummheiten. Auch unter Maximilian ging diese Politik weiter. Seine Anleihen für den Zeitraum von 1491 bis 1494 beliefen sich auf 286.000 Gulden. Im Jahre 1515 schuldete die landesfürstliche Kammer den Fuggern bereits 300.000 Gulden. Maximilian zog sich aus der Klemme, indem er den Fuggern die Schwazer Silberproduktion auf acht, die Kupferproduktion auf vier Jahre verpfändete. Doch mit dem Pfand, entfielen natürlich auch die Einnahmen aus dieser wichtigsten Geldquelle. Das heißt, Maximilian mußte mehr Geld aufnehmen, aufs Neue die Einnahmen aus Schwaz verpfänden… Mit diesem Kredit verlor der Tiroler Landesfürst endgültig jegliche Kontrolle über die Silber- und Kupferproduktion von Schwaz.
Erzherzog Sigismund von Tirol. Halbguldiner 1484, Hall, Münzmeister: Bernhard Beheim der Ältere, Stempelschneider Wenzel Kröndl. Aus Auktion LHS 95 (2005), 266
Erzherzog Sigismund von Tirol. Guldiner, 1486, Hall, Münzmeister: Bernhard Beheim der Ältere, Stempelschneider Wenzel Kröndl. Aus Auktion LHS 95 (2005), 267.
Der ritterliche Fürst als Spender von Gaben
Aber warum, so wird nun jeder fragen, warum wirtschaftete Sigismund und später Maximilian so unvernünftig. Sie konnten doch ihre Einnahmen berechnen. Warum gaben sie ständig mehr aus, als zur Verfügung stand.
Um diese Frage zu klären, müssen wir uns die Münzen Sigismunds einmal genauer ansehen. Sie sagen uns viel über das Selbstverständnis des Fürsten und darüber, warum er gar nicht anders konnte, als das Geld schneller auszugeben als er es verdiente. Eine Konstante ist auf all seinen Geprägen zu sehen, etwas das uns so selbstverständlich scheint, daß wir gar nicht mehr darüber nachdenken. Die Münzen zeigen ihn im ritterlichen Harnisch, bereit für den Krieg. Die linke Hand liegt auf dem Schwertgriff, symbolische Waffe des ritterlichen Kriegers, die ihm in der feierlichen Zeremonie der Schwertleite überreicht wurde. Auf der Rückseite reitet er mit der Lehnsfahne, um die er sein „Fähnlein“ sammelte, in den Kampf.
Das war mehr als eine veraltete Form der Selbstdarstellung. Sigismund fühlte sich immer noch als Ritter. Er hegte und pflegte Ideale und Gebräuche des militärisch inzwischen schon längst veralteten Standes. Er nahm selbst an Turnieren teil und ließ an seinem Hof die alten Heldendichtungen sammeln. An manch einem Abend werden Sänger die alten Dichtungen wieder zu neuem Leben erweckt haben. Mut, Tapferkeit und Treue, Sigismund wird diese Ideale eingesogen haben mit den Ritterromanen, von denen er gar nicht genug bekommen konnte.
Die Tugend der Freigebigkeit
Mut, Tapferkeit und Treue – nun das ist eigentlich alles, an das wir denken, wenn wir von Rittern hören. Und dabei spielt uns unsere Erziehung einen Streich. Wir nehmen nur das wahr, was uns heute noch gut und edel erscheint. Daß es eine weitere Tugend gab, die wir heute nicht mehr pflegen, überlesen wir gerne. Doch wenn wir einmal die Brille unseres Jahrhunderts ablegen, werden wir schnell feststellen, daß die höfische Dichtung die Freigebigkeit genauso pries wie Mut, Tapferkeit und Treue.
Zum edlen Ritter gehörte es, das Geld genauso schnell zu verschwenden, wie er es verdiente, raubte, im Spiel gewann. Besitz errang man, um ihn zu behalten und an seine Erben weiter zu geben, mit Kleidern und Waffen schmückte man sich selbst oder die Angehörigen des eigenen Gefolges, aber Geld, das war nur nütze dazu, es zu verschwenden, um sich damit den Ruhm eines freigebigen Herren zu erkaufen. Nur der, der mit leichter Hand gab, konnte sich Anhänger schaffen. Nur der, dessen Geld Bauten und Kunst förderte, erkaufte sich damit den Ruhm der Ewigkeit. Ein Ritter war eben kein Händler, der das Geld hortete, um dann damit einen Gewinn zu machen.
Und genauso verhielt sich Sigismund. Er baute Schlösser, finanzierte Künstler und Wissenschaftler. Überall wo er hinkam, verteilte er Geld. Sigismund war berühmt dafür, daß er sich gerne von schönen Bürgerstöchtern einfangen ließ, um sich für einen Gulden wieder freizukaufen. Einen Gulden verdienten damals die Bergarbeiter von Schwaz in der Woche. Und sie waren immerhin die bestbezahlten Handwerker der ihrer Zeit!
Beobachten wir Sigismund bei seinen Besuchen in seiner Münzstätte:
8. Februar 1486
Und aber den Münzern geben nach ihrer Gewohnheit am Aschermittwoch 1 Gulden und als mein gnädigster Herr auf den selben Tag in der Münze gewesen ist, schuf er in seiner Gnade zu vertrinken 1 Gulden, facit 2 Gulden.
17. Mai 1486
Aber seine Gnaden geben, als sein Gnad an Mittwoch in den Pfingstfeiertagen anno 1486 in der Münze gewesen ist, hat seine Gnade den Gesellen, die ihn tragen, geschenkt einen Zain, dafür man ihm gegeben hat 24 Pfund Pfennige; denselben Zain hat seine Gnaden behalten und einen dazu, daraus hat seine Gnaden einen Kranz um den Hut gemacht, wiegen die zwei Zain ein Mark ein Lot, tun in Geld 9 Gulden. … und den Münzern auf die Zeit geschenkt zu vertrinken 1 Gulden, facit 15 Gulden.
Es war ein Fest für die Angestellten der Münzstätte von Hall, wenn ihr Herr sie besuchte. Da gab es doppelte und dreifache Wochen-, ja manchmal Monatslöhne. Und überall, wo der Fürst hinging, verhielt er sich so. Er gab. Sein Volk erlebte ihn als Spender eines Überflusses an Geld. Was spielte es da für eine Rolle, daß dieses Geld nur geliehen war? Wen interessierte es, daß der Fürst die Wirtschaft des Landes hätte sanieren können, wenn er ordentlich gespart hätte?
Welten prallten aufeinander, wenn ein Sigismund mit einem Fugger verhandelte. Da war der Erzherzog, verliebt in seine Rolle als Gnadenspender, dem das Geld genauso schnell zwischen den Fingern zerrann wie er Kredite erhielt. Und da war der Fugger, Bürger einer neuen Zeit, der begriffen hatte, daß alles in einer Welt käuflich war, in der die Fürsten noch nicht verstanden, daß das geliehene Geld sie von ihren Leihgebern abhängig machte.
Das mittelalterliche Sterberitual
Wollen wir wirklich heute darüber urteilen, wie Sigismund sein Einkommen verschwendete? Sollten wir uns nicht eher einmal im Spiegel des Mittelalters selbst betrachten, wie unsere Spar- und Versicherungswut auf einen Menschen dieser Zeit gewirkt haben mag? Sigismund hätte reich sterben können, wenn er es denn gewollt hätte.
Aber das war nicht der Fall, denn es gehörte zum ritterlichen Sterberitual, sich vor dem Tode aller irdischen Güter zu entledigen. Der plötzliche Tod, der die Regelung des Erbes einem schriftlichen Testament überläßt, galt im Mittelalter als arger Tod. Nicht weil der Tod an sich als furchtbar galt. Man hatte angst vor dem unvorbereiteten Tod, der einem keine Chance ließ, all seine Güter unter seine Mitmenschen zu verteilen, um dann vor Gott so nackt zu stehen wie man einst auf die Erde gekommen war.
Natürlich verschenkte ein Fürst nicht all seinen Besitz an irgendwelche Fremden. Nein, es gab feste Regeln, nach denen er Amt, Land, Gut und Geld weitergab. Im Laufe der wochenlangen Vorbereitungen des Sterbens erhielten Kinder und Gefolgsleute, Klöster und Institutionen das, was der Sterbende zu übergeben wünschte. So hatten Ritter und Herrscher es Jahrhunderte lang gemacht.
Und die Wahrheit?
Die Legende vom sterbenden Erzherzog, der noch einmal die Finger in Münzen kühlen möchte, ist nachträglich erfunden. Was sich tatsächlich damals zugetragen hat, dürfte eher eine Chronik wiedergeben, die für den 6. März 1496 folgendes notiert:
Auch hat man (um sein Totenbett, Anm. der Verf.) aufgestellt drei Becken mit Geld, eins mit Gold, das andere mit neuen Sechsern, das dritte mit neuen Kreuzern. Desgleichen Spende mit Sechsern gegeben armen Leuten.
Bis zuletzt blieb Sigismund also der Verschwender, der sein Geld nicht für strukturelle Verbesserungen des Landes einsetzte, sondern lieber denen, die ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, eine Freude machte.