Griechenlands Museen zwischen Kommerzialisierung und Modernisierung
Von Björn Schöpe
Fünf der bedeutendsten Museen Griechenlands sollen mehr Autonomie erhalten und eigenverantwortlich wirtschaften. Ein entsprechender Gesetzesentwurf der griechischen Regierung hat zu heftigen Debatten und Streiks geführt.
Inhalt
Was soll sich in griechischen Museen ändern?
Anfang des Jahres brachte Lina Mendoni, Griechenlands Ministerin für Kultur und Sport und promovierte Archäologin, einen Gesetzesentwurf ein, der am 13. Februar 2023 vom Parlament gebilligt wurde. Im Zentrum ihrer Pläne stehen fünf große Museen des Landes: das Archäologische Nationalmuseum in Athen, das Archäologische Museum in Thessaloniki, das Archäologische Museum in Heraklion, das Museum für byzantinische und christliche Kunst und das Museum für byzantinische Kultur.
Bisher unterstehen diese Museen wie alle anderen auch dem griechischen Kulturministerium als öffentliche Einrichtungen und werden von Archäologen geleitet. In Zukunft sollen diese Institutionen ausgegliedert werden als quasi semiprivate Betriebe, die unter einem von der Regierung ernannten Komitee weitgehende Autonomie genießen würden. Dadurch würden diese Museen auch stärker für ihre Finanzierung verantwortlich und müssten sich um die Bereitstellung von Ressourcen (Fundraising) kümmern. In der Presse kursiert die Vermutung, diese Museen könnten in Zukunft Zweigmuseen im Ausland einrichten, in denen prominente Exponate auf lange Zeit gezeigt werden. Man könnte dabei an Frankreich denken, das 2017 in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten das Museum Louvre Abu Dhabi mit Objekten aus verschiedenen französischen Museen eingerichtet hat.
Wie der griechische Archäologenverband am 14. September 2023 erklärte, habe die Ministerin bei einem gemeinsamen Treffen außerdem Pläne vorgestellt, die nicht nur die Museen, sondern auch die Vergabe von Ausgrabungslizenzen und die allgemeine Verwaltung der Altertümer betreffen. Geplant sei auch auf diesem Gebiet eine Zentralisierung der aktuell dezentralen, lokalen Selbstverwaltung.
Wie steht der griechische Archäologenverband zu der geplanten Gesetzesänderung?
Der griechische Archäologenverband hat sich wiederholt gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen. Im Februar rief er zu Streiks in den Museen auf. Bislang werden die Museen von Archäologen geleitet. In Zukunft dürften Entscheidungen weitgehend unabhängig von ministerialen Vorgaben bei Komitees liegen, deren Mitglieder von der Regierung ernannt werden – und, wie der Verband befürchtet, keine fachliche Kompetenz haben dürften. Der Archäologenverband wetterte am 12. Februar 2023 auf seiner Facebook-Seite: „Der Gesetzesentwurf übergibt das Schicksal der wichtigsten Sammlungen von Altertümern an von der Regierung ernannte Gremien, die über ihr Schicksal entscheiden werden, einschließlich ihrer dauerhaften Ausfuhr ins Ausland … Es handelt sich um eine Methode zur Kommerzialisierung der Museen, ihren Betrieb als Quasi-Privatunternehmen mit Gewinnabsicht auf Kosten des wissenschaftlichen, erzieherischen, bildenden und erholsamen Charakters der Museen und auf Kosten des gleichberechtigten Zugangs Aller zum öffentlichen Kulturgut. … Der Gesetzesentwurf übergibt die Infrastrukturverwaltung der Museen und ihres gesamten Eigentums, für das das griechische Volk bezahlt hat, sowie das kompetente Personal des Ministeriums für Kultur und Bildung, das die Museen betreut, in die Hände der von der Regierung ernannten Verwaltungsräte, damit diese künftige Maßnahmen und Einnahmen als ihren eigenen ,Erfolg‘ darstellen können.“
Dauerleihgabe Parthenonskulpturen?
Unterstützt von der politischen Opposition, allen voran dem früheren Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, sieht der Verband Nachbesserungsbedarf in einem besonders heiklen Punkt. Das neue Gesetz würde erlauben, dass Objekte langfristig oder gar dauerhaft als Leihgabe im Ausland verbleiben könnten. Das, so Tsipras, könnte insbesondere die Parthenonskulpturen im British Museum betreffen, über die kurz zuvor Geheimgespräche geführt wurden.
Dagegen verwahrte sich Ministerin Mendoni bereits im Februar. Sie erinnerte an das Archäologiegesetz von 2002, in dem definiert wurde, dass die „vorübergehende Ausfuhr von Denkmälern zum Zwecke ihrer Ausstellung in Museen oder an ähnlichen Orten gestattet wird, sofern angemessene Garantien für den sicheren Transport, die Ausstellung und die Rückgabe gegeben sind und nach Abwägung der Bedeutung der Ausstellung für die Förderung des kulturellen Erbes des Landes. In der Entscheidung werden die Bedingungen für die vorübergehende Ausfuhr und insbesondere ihre Dauer festgelegt.“ Mendoni zitierte danach aus Artikel 13 Abs. 2G ihres Gesetzesentwurfes: „Die Ausfuhr von Gegenständen aus Museumssammlungen erfolgt gemäß Artikel 34 des Archäologiegesetzes.“ Die Ministerin wandte sich direkt an ihre Kritiker: „Was klingt da verdächtig? Wo ist die dauerhafte Ausfuhr von Altertümern vorgesehen?“ In Bezug auf die Parthenonskulpturen stellte sie sich noch einmal klar hinter die Position der griechischen Regierung: Man halte ihren Verbleib in London für unrechtmäßig und fordere eine Rückgabe.
Momentan wird die Gesetzesänderung weiterhin heiß diskutiert und dient auch der Profilierung von Regierung und Opposition. Wie viel Eigenverantwortung tut Museen gut? Wie wirtschaftlich müssen oder dürfen Museen geführt werden? Diese Fragen stellen sich nicht nur in Griechenland, sondern überall auf der Welt. Eine sachliche Auseinandersetzung wäre wünschenswert, denn es geht um das kulturelle Erbe aller.
Wie sehen Sie das? Haben Sie weitere Informationen zu Griechenlands Gesetzesänderung?
Internationale Medien berichteten im Februar von den ersten Plänen, so ArtNews.
Eine offizielle Stellungnahme gab es auf der Seite des Ministeriums (nur auf Griechisch).
Auch der griechische Archäologenverband veröffentlichte eine Stellungnahme.
Der Archäologenverband veröffentlichte seitdem mehrfach Posts auf seiner Facebook-Seite .