Ein Besuch in der japanischen Münzstätte
von Ursula Kampmann
Japans Umlaufmünzen gehören für mich zu den schönsten, die es gibt. Aber sie sind nicht nur schön: Die 500-Yen-Münze im Wert von ca. 3,20 Euro vereint gutes Design mit modernster Sicherheitstechnologie. Das beginnt mit dem komplexen Aufbau der Ronde in Bicolor mit aufwändiger Drei-Lagen-Struktur, wie sie für die Sicherheit in Automaten entscheidend ist. Für das menschliche Auge sind dagegen die sichtbaren Sicherheitsmerkmale entscheidend: Mikroschrift, Mikrodesign und vor allem das Latentbild in den beiden Nullen der Wertzahl.
Inhalt
Ich habe mich oft gefragt, welche Münzstätte solch schöne und zweckmäßige Umlaufmünzen produziert. Und als ich im April die Tokyo International Coin Convention besuchte, versäumte ich es natürlich nicht, einen Termin in der Japan Mint zu vereinbaren. Dabei erfuhr ich Überraschendes: Hatte ich bisher geglaubt, es gäbe nur eine japanische Münzstätte in Osaka, lernte ich, dass die Japan Mint zwei Zweigstellen hat, in Hiroshima und in Saitama.
Arbeitsteilung innerhalb der japanischen Münzstätten
Das Hauptquartier der Japan Mint ist seit 1871 in Osaka, wo die Umlaufmünzen geprägt und alle Stempel produziert werden, wo überhaupt der Großteil der japanischen Münzen entsteht.
In Hiroshima ist die Rondenproduktion angesiedelt. Damit gehört Japan zu den wenigen Ländern weltweit, in denen dieser Teilbereich der Münzherstellung noch unter staatlicher Kontrolle ist und die Ronden nicht von privaten Lieferanten gekauft werden.
Mein Ziel war Saitama. Dort entstehen ein Teil der Gedenkmünzen aus Edelmetall und die Kleinmünzensätze. Dort gibt es eine Manufaktur für japanische Orden. Außerdem hat die japanische Münzstätte im Rahmen ihres Museums einen Schaubetrieb eingerichtet, der nicht nur Fachbesuchern offen steht.
Was man noch alles in Saitama sehen kann, das erfahren Sie in diesem Artikel.
Japan: Das Land der perfekten Organisation
Ich habe in meinem Leben schon viele Münzstätten besucht. In keiner begann mein Besuch damit, dass mir ein ausgedruckter Zeitplan ausgehändigt wurde, in dem minutengenau niedergelegt war, was wir wann besichtigen würden. Man glaubt es kaum: Wir haben den Zeitplan sogar eingehalten – minutengenau!
Der Weg bis Saitama war weniger gut geplant, was daran lag, dass ich dafür selbst verantwortlich war. Saitama ist eine der vielen Millionenstädte, die um Tokio herum liegen. Es ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln für wenig Geld und in kurzer Zeit erreichbar, nur ist es ein wenig anspruchsvoll, seinen Weg in dem dichten Netz von U- und S-Bahnen zu finden, die ihre Nutzer in Minutenschnelle unter der Erde Tokios von Punkt A nach Punkt B befördern. Es wird noch anspruchsvoller, wenn man diese Reise am zweiten Tag seines ersten Aufenthalts in Japan macht – und sich noch nicht an die öffentlichen Verkehrsmittel gewöhnt hat.
Ich hatte für die Fahrt von einer knappen Stunde vorsichtshalber zwei zusätzliche Stunden einkalkuliert und war völlig verblüfft, dass ich es auf den ersten Anlauf gleich ans Ziel schaffte. Dies gab mir viel Zeit, mich rund um den Bahnhof von Saitama-Shintoshin umzusehen. Und für mich war das sehr interessant!
Denn Saitama ist ein Konglomerat verschiedener Städte, das durch eine Verwaltungsaktion ein neues Zentrum verordnet bekam. Dieses neue Zentrum ist eben Saitama-Shintoshin mit seiner gleichnamigen S-Bahn-Station, von der aus man zu Fuß in wenigen Minuten eine Art gigantischen Marktplatz mit Läden und Restaurants, eine unterirdische Einkaufswelt und ein riesiges Stadion erreicht. 12 Minuten zu Fuß (ja, so genau werden in Japan Entfernungen angegeben!) sind es von Saitama-Shintoshin bis zur Münzstätte. Ich musste mich nicht auf eigene Faust auf den Weg machen. Ich wurde direkt im Bahnhof von Haruna Yano und Yushi Okudaira abgeholt. Sie sind in Saitama verantwortlich für die Kontakte mit dem Ausland und sprachen deshalb beide hervorragend Englisch – eine Seltenheit in der japanischen Geschäftswelt.
Das Münzmuseum
Man kann es nicht anders sagen: Ich fühlte mich wie ein VIP, als ich nicht nur von meinen beiden Betreuern, sondern auch von Mr. Kawano und Mr. Ikeuchi freundlichst empfangen wurde. Nach einer kurzen Einführung ging es direkt in das Museum, das nicht nur mir offen stand, sondern für jeden Münzbegeisterten zugänglich ist.
Dieses Museum ist ein absolutes Muss für jeden, der sich für japanische Münzen interessiert. Es sind nicht nur die neuesten Gedenkmünzen und Medaillen ausgestellt, sondern auch ein ganzer Saal mit Münzraritäten der Vergangenheit.
Die Münzproduktion
Vom Münzmuseum ging es ein Stockwerk höher in die Produktion, wo jeder Besucher dabei zusehen kann, wie die Münzen Japans entstehen. Mit Filmen und Texten in japanischer Sprache werden die einzelnen Vorgänge illustriert und erläutert. Wir hatten noch zusätzliche Unterstützung. Mr. Shibata, der Leiter der Münzproduktion, ließ es sich nicht nehmen, uns persönlich durch seine Abteilung zu führen.
Durch große Glasscheiben kann der Besucher in die Säle sehen, in denen die Arbeit gemacht wird. Er wirft einen Blick in die Rondenvorbereitung, wo man die runden Metallstücke reinigt, entfettet und vorbereitet, um sie dann im Prägesaal weiterzuverarbeiten. Umlaufmünzen entstehen auf den großen und schnellen Prägepressen von Schuler; die Gedenkmünzen werden im aufwändigen händischen Prägeverfahren auf ölhydraulischen Pressen u. a. von Sack & Kiesselbach geprägt.
Die Japan Mint stellt sowohl Umlauf-Gedenkmünzen her, die zum Nominalwert bei Banken erhältlich sind, als auch Gedenkmünzen in Gold- und Silber, die nur über die Japan Mint bezogen werden können.
Bemerkenswert für den Besucher aus Europa ist eine Fertigungsstation, die man nicht in allen Münzstätten sieht. Wegen der hohen Luftfeuchtigkeit sind in Japan besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig, um die Korrosion und Verfärbung von Gedenkmünzen zu unterbinden. Deshalb werden sie alle mit einer leichten, durchsichtigen Beschichtung überzogen.
Modernste Pad-Printing- und Verpackungsanlagen gehören ebenfalls zur Ausstattung der Japan Mint und können bei der Besichtigung in Aktion gesehen werden.
Die Ordensproduktion
In Saitama werden auch Orden produziert, eine aufwändige und arbeitsintensive Tätigkeit. Nicht umsonst wurden Orden früher oft von berühmten Juwelieren wie Fabergé hergestellt. Heute gibt es in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Lösungen dafür, welche Institution für die Ordensproduktion verantwortlich zeichnet. Häufig ist die Münzstätte für beides verantwortlich: Münzen und Auszeichnungen, so auch in Japan. Schließlich handelt es sich dabei um staatliche Hoheitszeichen, deren Herstellung strikt reglementiert ist.
Ein Teil der Reglementierung besteht darin, dass die Herstellungsprozesse nicht fotografiert werden dürfen. Deshalb kann ich Ihnen leider keine Bilder davon zeigen, wie geschickt die Künstler dieser Abteilung ihr Handwerk ausüben. Herr Masuko, Leiter der Ordensproduktion, machte uns persönlich auf alle Finessen der Produktion aufmerksam, die in acht Stufen untergliedert ist: Das Prägen des Rohlings, das Ausstanzen der überflüssigen Metallteile, das Abfeilen von scharfen Stegen, das Emaillieren, das Brennen, das Polieren, das Plattieren und am Schluss das Zusammenstellen der Einzelteile und die Endkontrolle.
Edelmetallprüfung und -zertifizierung
Die letzte Abteilung, Edelmetallprüfung- und zertifizierung, ist nicht öffentlich – und das aus gutem Grund. Wir aber durften sie zusammen mit ihrem stellvertretenden Leiter Mr. Kaki besuchen. Hier lassen private Unternehmen gegen eine Gebühr den Feingehalt ihrer Produkte von staatlicher Seite kontrollieren und durch einen Feinheitsstempel garantieren.
Wer also sichergehen will, dass der Feinheitsgehalt seines in Japan gekauften Gold-, Silber- oder Platinrings auch hält, was der Händler verspricht, sollte auf die kleine japanische Flagge achten. Sie signalisiert, dass die Japan Mint das Produkt untersucht und für gut befunden hat.
Je nach Größe und Beschaffenheit der geprüften Gegenstände, werden die klitzekleinen Punzen maschinell oder von Hand aufgebracht. Das ist ein faszinierender Vorgang, der viel Fingerspitzengefühl braucht.
Numismatische Souvenirs
Die letzte und schönste Station für jeden Besucher, ist der Museumsshop, in dem sich jeder Münzbegeisterte mit numismatischen Souvenirs an Saitama eindecken kann. Da gibt es nicht nur Gedenkmünzen und aufwändig hergestellte Medaillen, sondern auch Münzmodelle als Wandschmuck oder Kekse in Münzform. Kurz, für jeden ist bei diesem Angebot etwas dabei.
Im nächsten Jahr: Osaka
Mir bleibt nur, mich am Ende dieses Berichts bei meinen freundlichen Gastgebern zu bedanken, bei Herrn Okudaira, Frau Yano, Herrn Ikeuchi und Herrn Kawano. Ich fürchte, Sie müssen mich nächstes Jahr noch einmal ertragen, wenn ich mir dann anschauen will, wie die berühmte alte Münzstätte der Meiji-Zeit in Osaka heute aussieht.