Auweia, ich glaub’ ich werd’ ein Gott: Numismatische Zeugnisse der Consecration
von Ursula Kampmann im Auftrag von Künker
Künker versteigert am 31. Oktober 2024 den 9. Teil der Sammlung Dr. W. R. Er enthält römische Münzen aus der Epoche zwischen dem Bürgerkrieg 68/9 und dem Ende der severischen Dynastie. Wir nutzen das vielseitige Material, um damit zu illustrieren, welche numismatischen Spuren die Consecration von römischen Kaisern hinterlassen hat.
Inhalt
Vae, puto deus fio – auweia, ich glaub’ ich werd’ ein Gott, so soll Vespasian gescherzt haben, als sich die ersten Symptome der Krankheit zeigten, an der er sterben sollte. Vielleicht erlaubte sich Sueton damit einen Anachronismus, denn beim Tod Vespasians im Jahre 79 n. Chr. war es noch nicht so selbstverständlich, dass Angehörige des Kaiserhauses vergöttlicht wurden, wie es beim Tod Suetons im Jahr 122 sein sollte. Zwischen dem Tod des Augustus und dem des Vespasian war nämlich gerade mal ein Kaiser unter die Götter erhoben worden, und zwar Claudius. Wie komisch das seine Zeitgenossen fanden, lesen wir noch heute in der Apocolocynthosis des Seneca. Dieser Titel ist angelehnt an die römische Bezeichnung der Vergöttlichung apotheosis und bedeutet die Verwandlung in einen Flaschenkürbis.
Erst Titus und sein Bruder Domitian begannen, die Vergöttlichung ihrer Vorfahren systematisch als politisches Mittel zu nutzen. Für das Ritual griffen sie auf die Vergöttlichung des Augustus zurück.
Mensch – Heros – Gott
Aber wie kamen die Römer überhaupt darauf, einen Kaiser zu vergöttlichen? Nun, in der Antike war die Kluft zwischen Menschen und Göttern grundsätzlich nicht so unüberwindlich, wie sie einem gläubigen Christen der frühen Neuzeit erschien. Im Mythos wurden Menschen ständig zu Göttern oder wenigstens zu Heroen, denen ihre Mitbürger nach dem Tod göttliche Ehren erwiesen. Asklepios war dafür ein Beispiel und Herakles und die zahllosen Stadtgründer. Der Übergang war also möglich, und das nutzten viele hellenistische Herrscher, um die für die Götterverehrung entwickelten Formen auf ihre eigene Selbstdarstellung zu übertragen. Da inszenierte sich Demetrios Poliorketes schon mal als Sohn des Poseidon, trug einen blauen Mantel und ließ sich mit Stierhörnern darstellen.
Ob Gott, Heros oder Mensch, entscheidend für ihre Verehrung war die Frage, ob der Gläubige von ihnen Hilfe bei der Bewältigung seines Alltags erwartete. Was das anbelangte, waren Menschen und Kommunen extrem pragmatisch, wie wir einem Hymnus entnehmen können, den die Athener sangen, als sie ihren neuen Gott Demetrios Poliorketes auf die Akropolis geleiteten: „Denn andere Götter sind entweder weit fort oder sie haben kein Gehör oder es gibt sie gar nicht oder sie beachten uns überhaupt nicht, dich aber können wir sehen in voller Gegenwart, nicht in Holz und nicht in Stein, sondern in Wahrheit. Und so preisen wir dich!“ Verdient hatte sich Demetrios Poliorketes die göttlichen Ehren durch sein militärisches Eingreifen, mit dem er eine von den Makedonen unterstützte, oligarchische Regierung aus Athen verjagte und so die Demokratie wieder ermöglichte.
Auch die Römer sahen keine scharfe Grenze zwischen den göttlichen Mächten und den Menschen. Im Lararium bewahrten sie die lares familiares auf. Zu ihnen gehörten die Penaten und die Laren, aber auch der Genius des pater familias und die Manen. Darunter verstand man eine Art Inkarnation der schöpferischen Kraft des Haushaltsvorstands resp. die Geister aller ehemaligen Haushaltsvorstände vor ihm.
Bei großen (und teuren) Beerdigungen, wie sie in der Nobilität üblich waren, wurde der Übergang vom pater familias zu einem Mitglied der Manen augenfällig nachgespielt. Man nahm vom Gesicht des Verstorbenen eine Wachsmaske ab und goss sie aus. Sie spielte eine zentrale Rolle bei der Prozession, die den Leichnam zum Scheiterhaufen geleitete. Die neue Maske wurde nämlich von einem Schauspieler getragen, der sich wie der Verstorbene maskierte und auch so verhielt. Er mischte sich unter die Gruppe der anderen Schauspieler, die sich mit den alten, im Lararium aufbewahrten Totenmasken der Ahnen maskierten und ebenfalls im Trauerzug mitschritten. Damit demonstrierten sie, dass der jüngst Verstorbene nun zu den Ahnen gehörte.
Übrigens, wenn Sie sich jetzt fragen, ob diese naturalistischen Wachsmasken in irgendeinem Zusammenhang stehen mit der römischen Porträtkunst, dann sind Sie auf der richtigen Fährte. Republikanische Münzmeister, die auf ihren Münzen einen lange verstorbenen Ahnen abbilden wollten, mussten nur ins Lararium greifen, um den Stempelschneidern ein detailliertes Vorbild zu liefern.
Das Beispiel Augustus
Für Kaiser wandelte man dieses Zeremoniell ab. Sie wurden nach ihrem Tod eben nicht nur zu Hütern der eigenen Familie, sondern der ganzen Stadt. Ihr Übergang in die himmlische Sphäre wurde anders, aber ebenfalls gut sichtbar inszeniert. Der entscheidende Moment war in diesem Fall die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Irgendwann, gegen Ende der Zeremonie, flog ein Adler aus dem Feuer, der die Seele des Verstorbenen gen Himmel trug. So jedenfalls bezeugte es am 17. September des Jahres 14 n. Chr. der Senator Numerius Atticus. Daraufhin beschloss der Senat eine Reihe von Ehrungen für Augustus, die den Verstorbenen in den Rang eines Gottes erhoben.
Man kann für die Zeit nach den Flaviern geradezu davon sprechen, dass der Senat nach dem Tod jedes einzelnen Kaisers darüber befand, ob der Verstorbene unter die Götter aufgenommen oder dem Vergessen anheim gegeben werden solle. Damit wurde gleichzeitig seine Regierung bewertet.
Der Scheiterhaufen
Viele Prägungen vom 2. und bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts illustrieren das Geschehen. Sie zeigen auf der Vorderseite das Porträt des oder der Verstorbenen mit dem Titel DIVVS oder DIVA vor dem Eigennamen. Auf der Rückseite finden wir unterschiedliche Motive. Wir stellen hier die wichtigsten vor.
Wir beginnen mit dem Scheiterhaufen, einer Darstellung, die erst unter Antoninus Pius auf Münzen auftaucht. Dieser Scheiterhaufen – gerne auch mit dem lateinischen Begriff rogus bezeichnet – gehörte zu jeder besseren römischen Verbrennung, war aber bei Staatsbegräbnissen besonders prächtig. Im privaten Bereich reichte ein einfaches Feuer, in dessen Mitte die Trage mit dem geschmückten Leichnam gesetzt wurde. Während alle Trauernden beim Entzünden des Feuers durch den nächsten männlichen Verwandten zusahen, blieb nur die engste Familie bis das Feuer heruntergebrannt war. Dann löschte man die Flammen mit Wein und sammelte die übrig gebliebenen Knöchelchen aus der Asche, um sie in einer Urne beizusetzen.
Für Kaiser wurde mehr Aufwand getrieben. Für sie baute man aus exotischen Hölzern ein gewaltiges Gestell mit mehreren Stockwerken. Im untersten Geschoss, das mit Girlanden geschmückt war, befand sich leicht brennbares Material um sicherzustellen, dass sich beim Brand genügend Hitze entfaltete, um nicht nur den kaiserlichen Leichnam, sondern auch Weihegaben und Bauwerk zu verzehren. Der Tote wurde mittels einer kleinen Tür, die auf Münzen gelegentlich gut zu erkennen ist, im Inneren des nächsten Stockwerks untergebracht. Darüber befanden sich weitere, mit Statuen geschmückte Stockwerke. Eine Quadriga bekränzte den Scheiterhaufen eines Kaisers, eine Biga den einer Kaiserin.
Adler und Pfau
Irgendwo im Inneren soll ein Käfig verborgen gewesen sein, der einen Adler resp. Pfau so lange beherbergte, bis das Feuer den Käfig verbrannte, und der Vogel sich fliegend aus dem Inferno rettete. Schriftliche Beweise für diese Theorie gibt es nicht. Das ist auch nicht wichtig. Auf jeden Fall entwickelte sich der Adler zum häufigsten Motiv von Consecrationsmünzen.
Wir sehen den Adler stehend oder mit ausgebreiteten Flügeln auffliegend; auf einigen seltenen Prägungen trägt er die Gestalt des Verstorbenen auf seinem Rücken gen Himmel.
Erstaunlich ist die Tatsache, dass noch im Physiologus, einer spätantiken Anthologie mit stark christlichen Zügen aus dem 4. Jahrhundert, die Verbindung zwischen Adler und ewigem Leben erhalten blieb. So liest man dort folgendes: „Wenn der Adler alt wird, werden seine Flügel schwer, und sein Gesicht wird schwach. Was tut er nun? Er sucht eine reine Quelle Wassers und fliegt empor zum Äther der Sonne und verbrennt seine alten Federn und verliert die Stumpfheit seiner Augen und steigt hernieder zur Quelle und taucht dreimal unter und erneut sich und wird wieder jung.“
Es scheint so selbstverständlich, dass nur der Adler für die Aufgabe geeignet war, einen Kaiser in die Unsterblichkeit zu tragen, dass wir gar nicht mehr darüber nachdenken, warum dieses Tier gewählt wurde. Wahrscheinlich hängt dies mit orientalischen Vorstellungen zusammen, denn im Osten galt der Adlers als Verbindung zwischen menschlicher und göttlicher Welt. So lässt sich die erste Himmelfahrt via Adler bis ins sumerische Zweistromland zurückverfolgen: Etana, der nach der großen Flut herrschte, soll dem Mythos nach noch zu Lebzeiten versucht haben, auf einem Adler bis in den Himmel vorzudringen, was natürlich scheiterte.
In Rom scheint dies längst vergessen gewesen zu sein. Dort assoziierte man den Adler mit dem obersten Gott Iuppiter und deshalb gab es keine Diskussion, welcher Vogel angemessen war für die Himmelfahrt der Kaiserin. Während die ersten vergöttlichten Frauen noch mit Adlern kombiniert wurden, setzte sich Mitte des 2. Jahrhunderts der Pfau als Reisetier durch. Schließlich gehörte dieser Vogel zu Iuno.
Iuno war Teil der kapitolinischen Trias bestehend aus Iuppiter, Iuno und Minerva. Sie galt als Gattin des Göttervaters Iuppiter und wurde während der römischen Kaiserzeit mit Hera identifiziert. Eines der mit Hera assoziierten Tiere war der Pfau, der ihr seine schönen blauen „Augen“ auf den Schwanzfedern verdankte. Sie hatte diese dem hundertäugigen Hirten Argos genommen, um sie dem Pfau zu schenken.
Die enge Verbindung zwischen Pfau und Hera übertrug sich auf Iuno. Wir finden ihren auf den Consecrationsmünzen stehend, Rad schlagend und fliegend.
Weitere Motive
Neben Adler, Pfau und Scheiterhaufen existieren noch weitere Motive, die mit der Consecration in Verbindung stehen. Dazu gehört Aeternitas. Für sie existierte seit Vespasian ein eigener Kult, der die ewige Dauer der kaiserlichen Herrschaft mit ihr verband. Wir sehen Aeternitas entweder mit dem Phönix oder dem Uroboros, einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt und so einen endlosen Kreis bildet. Sie wird auch in einem von Elefanten gezogenen Wagen dargestellt, ein Motiv, das ebenfalls auf Prägungen zu Ehren von vergöttlichten Angehörigen der Kaiserfamilie auftaucht.
Unser Stück zeigt Aeternitas in ihrer typischen Ikonographie mit dem Phönix auf der ausgestreckten rechten Hand und dem kreisrunden Diadem, das gemäß dem spätantiken Autoren Martianus Capella die Ewigkeit symbolisierte.
Während der Altar auf vielen Consecrationsmünzen des 2. und 3. Jahrhunderts v. Chr. zu sehen ist, sind Kaisertempel eher den provinzialen Prägungen vorbehalten. Das mag damit zusammenhängen, dass in der Hauptstadt für viele römische Kaiser kein eigener Tempel errichtet wurde, sondern ihr Kult im Tempelbezirk eines anderen Gottes ausgeübt wurde.
Allerdings verweisen die Neokorietempel, die wir gelegentlich auf Prägungen aus den römischen Provinzen finden, auf eine völlig andere Kultpraxis als in Rom.
Der Titel neokóros hatte nämlich nicht nur religiös-zeremonielle Aspekte, sondern auch politische. Wer neokóros war, dem hatten die Römer das Recht verliehen, einen Kaisertempel in der eigenen Stadt zu unterhalten. Dafür wurde nur selten ein eigener Tempel errichtet; zumeist brachte man den Kaiserkult im Tempel eines anderen Gottes unter. Dort trafen sich alle Städte der Provinz regelmäßig, um ein großes Fest zu Ehren des Kaisers zu feiern. Dabei fanden nicht nur religiöse Zeremonien und sportliche Wettkämpfe statt; die Treffen boten den Lokalpolitikern eine Bühne für ihre Selbstdarstellung und die Möglichkeit, Probleme und Anliegen den römischen Magistraten mitzuteilen.
Für die Verleihung einer Neokorie war es nicht notwendig, dass der betreffende Kaiser bereits tot und vergöttlicht war. Das bedeutete aber, dass so manche Provinzstadt in Verlegenheit geriet, weil sie eine Neokorie zu Ehren eines Kaisers besaß, der nach seinem Tod der damnatio memoriae verfiel.
Politische Implikationen
Kommen wir nach diesem kleinen Exkurs noch einmal zurück zum Grund, welchen Sinn so eine Consecration überhaupt hatte. Kaiser wie Titus, Domitian oder Traian nutzten sie, um die Dynastie zu etablieren. Längst verstorbene Verwandte unter die Götter zu erheben, wertete die eigene Herkunft auf. Ein gutes Beispiel dafür sind die vielen Münzen, die Traian zu Ehren seines längst verstorbenen Vaters Marcus Ulpius Traianus prägten ließ.
Besonders spannend ist dieser Aureus des Traian, der sowohl die Büste seines vergöttlichten Adoptivvaters Nerva wie die seines vergöttlichten leiblichen Vaters zeigt.
Selbst seine Schwester Marciana, die am 29. August 112 starb, ließ Traian vom Senat für göttlich erklären.
Glaubten die Römer an die Göttlichkeit des Kaisers?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns von dem verabschieden, was wir von einer Religion erwarten. In der Antike waren religiöse Zeremonien kein Beweis des persönlichen Glaubens, sondern eine Loyalitätserklärung gegenüber der Gemeinschaft. Es war nicht wichtig, ob z. B. ein Bürger von Ephesos an die Größe der Artemis Ephesia glaubte. Aber es war entscheidend, dass er bei ihrer Prozession seinen Platz einnahm. Weder die griechischen noch die römischen Götter verlangten Frömmigkeit in unserem Sinn. Sie erwarteten aber, dass ihnen alle traditionsgemäßen Opfer dargebracht wurden. Bzw. die Menschen waren der festen Überzeugung, dass sich die Götter rächen würden, würde man ihnen die ihnen zustehenden Opfer und Rituale vorenthalten.
Wir mögen heute darüber lächeln, sollten aber nicht vergessen, dass auch die Römer so mache unserer festen Überzeugungen vielleicht für lachhaft gehalten hätten.
Literatur:
- Hans-Joseph Klauck, Die religiöse Umwelt des Urchristentums II. Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis. Stuttgart 1996
- Peter n. Schulten, Die Typologie der römischen Konsekrationsprägungen. Frankfurt 1979