Die Schlacht bei der Poltawa und eine Medaille Peters des Großen
Im Spätherbst 1697 übernahm in Stockholm ein 15jähriger König die Regierung. Die Jugend Karls XII. schien es für Dänemark, Polen und Rußland leicht zu machen, auf schwedische Kosten das eigene Gebiet zu vergrößern. Doch man hatte sich in dem Karl verrechnet. Statt hilflos in seiner Hauptstadt herumzusitzen und auf seine Generäle zu hören, übernahm der junge Mann mit seinen 18 Jahren selbst das Kommando und zog in den Krieg. Er sollte Stockholm erst als Toter wiedersehen.
Rußland. Peter I., 1689-1725. Goldmedaille 1709. Auf die Schlacht von Poltawa. Aus der Auktion Hess-Divo 300 (2004), 880.
Nachdem Dänemark zum Frieden gezwungen, und Polen niedergerungen war, wandte sich Karl dem dritten Gegner zu, der bis jetzt als einziger nennenswerte Erfolge im Krieg erzielt hatte. Rußland hatte Narwa und Dorpat den Schweden entreißen können und auf schwedischem Gebiet St. Petersburg gegründet. Nach anfänglichen Erfolgen der Schweden gelang es dem Zaren, Peter dem Großen, Karl von seinem Nachschub abzuschneiden. Hunger war die Folge, und die Kälte des russischen Winter von 1708 auf 1709 kostete viele schwedische Soldaten das Leben.
Schlacht bei Poltawa. Gemälde von Pierre-Denis Martin 1726. Quelle: Wikipedia.
Trotzdem erhielten Karl und seine Generäle die Belagerung von Poltawa aufrecht. Und genau dort wollte Peter den Feind zum Kampf stellen. Erste Scharmützel gab es, als die Vorhut der Russen den Dnjepr oder wie er auf unserer Medaille genannt wird, den Borysthenes, zu überschreiten versuchte. Dabei wurde Karl XII. zum ersten Mal während seiner vielen Kriegszüge ernsthaft verletzt: Eine russische Gewehrkugel traf ihn in den linken Fuß, hinten an der Ferse hinein, bei der großen Zehe wieder hinaus. Mehrere Knochen wurden dabei zersplittert. Karl soll trotzdem seinen Inspektionsritt fortgesetzt haben, im Hauptquartier angekommen fiel er allerdings ohnmächtig vom Pferd. In den nächsten Tagen entzündete sich die Wunde und der König schwebte in Lebensgefahr.
Bisher hatten die schwedischen Soldaten dem Aberglauben angehangen, daß ihr Anführer unverwundbar sei. Hatte er sich nicht immer ins dichteste Getümmel gestürzt? Nie war ihm bisher etwas geschehen. Die Verletzung des Königs wirkte sich demoralisierend aus, auf alle, vom General bis zum jüngsten Tambour. Und Peter nutzte seine Chance. Er befahl sofort seiner gesamten Armee, den Dnjepr zu überqueren. Unbehindert konnten die Russen über den Fluß setzen und bei Poltawa ihr Lager aufschlagen. Die Schweden saßen damit in der Falle. Sie konnten sich nicht mehr ohne eine Schlacht zurückziehen. Dennoch zögerte Karl und dieses Zögern gab Peter die Chance, für seine Truppen eine Befestigung aufzubauen, an der die schwedische Armee sich zerreiben konnte.
Am 28. Juni 1709 war es dann so weit. 19.000 schwedische Soldaten, geschwächt durch die Erfrierungen eines harten Winters und den Hunger der letzten Monate, kämpften gegen 42.000 ausgeruhte russische Soldaten. Karl zog ebenfalls mit in die Schlacht, auf einer Bahre liegend, nur den Himmel sehend, und völlig hilflos. Der schwedische Plan sah vor, die Russen mit einem Überraschungsangriff aus ihren starken Befestigungen zu vertreiben. Allerdings war den Schweden weder bekannt, wie stark diese Feldbefestigungen waren, noch daß der Zar gerade mit so einem Überraschungsschlag gerechnet, und seine Vorkehrungen getroffen hatte. Die Schweden liefen in eine Falle. Diesen Augenblick sehen wir auf der hier abgebildeten Medaille dargestellt.
Im Hintergrund ist – durch eine lateinische Beschriftung kenntlich gemacht – die Stadt Poltawa zu sehen, im Vordergrund der Djnepr, den der Stempelschneider mit seinem lateinischen Namen Borysthenes bezeichnete. Die Aufschrift lautet internecionis terminus, ein hartes Wort. Terminus bedeutet das Ende, internecio ist das völlige Niedermetzeln, die lateinische Umschrift spricht also von dem Ende in der völligen Vernichtung der Schweden.
Der eherne Reiter: Standbild Peters des Großen. Foto: Heidas / Wikipedia.
Im Mittelpunkt sehen wir einen Reiter, dessen Pferd sich aufbäumt, in der Stellung, in der später für Peter den Großen in St. Petersburg eine Statue geschaffen werden sollte. Auch auf der Medaille dürfte es sich wohl um den Zaren handeln, der tatsächlich selbst seine Soldaten in die Schlacht von Poltawa führte. Er war allein schon durch seine Größe gut zu erkennen und den Schüssen der verzweifelten Schweden ausgesetzt. Doch diesmal war es Peter, der unverwundbar schien. Dreimal wurde er getroffen: Eine Kugel riß ihm den Hut vom Kopf, eine andere traf seinen Sattel und eine dritte hätte um ein Haar das Leben des Zaren gekostet, wäre sie nicht an der silbernen Ikone abgeprallt, die Peter um seinen Hals trug.
Am Abend hatten die Schweden die Schlacht verloren. Von den 19.000 Soldaten waren 6.901 Männer tot oder verwundet, 2.760 gefangen, 560 Offiziere verloren und Karl auf der Flucht.
Voltaire, ein Zeitgenosse, überliefert uns in seiner Biographie Karls XII. zur Flucht des schwedischen Königs folgendes: … „Karl XII. wollte nicht fliehen, verteidigen konnte er sich nicht. Nur Oberst Poniatowski … befand sich noch bei ihm … Er gab zwei Gefolgsleuten ein Zeichen, sie faßten den König unter den Schultern und hoben ihn auf ein Pferd, ungeachtet der qualvollen Schmerzen. Jetzt wurde Poniatowski, der bei der Armee kein Kommando hatte, der Not gehorchend zum Führer. Er sammelte 500 Berittene um die Person des Königs … Der kleinen Schar gab der Anblick ihres Königs neue Kraft. Sie bahnte sich mit blanker Waffe durch mehr als zehn russische Regimenter einen Weg und gelangte zum schwedischen Troß. Auf diesem von allen Seiten gehetzten Ritt wurde des Königs Pferd getötet. Oberst Gierta, selbst schwer verwundet, gab ihm das seine. So mußte im Fliehen der Held, der sich während der Schlacht nicht im Sattel zu halten vermochte, zu zwei Malen aufs Pferd gehoben werden.
In all dem Unglück bedeutete dieser Rückzug schon viel, doch war die Flucht noch nicht zu Ende. Bei der Bagage fand man Graf Pipers Karosse. Seit seiner Abreise von Stockholm hatte der König keinen Wagen mehr bestiegen. Jetzt setzte man ihn in die Kutsche und trieb die Pferde über Stock und Stein dem Dnjepr zu. Vom Augenblick, da man ihn aufs Pferd gehoben, bis zur Ankunft bei Pipers Wagen hatte Karl XII. kein Wort gesprochen. Nun fragte er, was aus Piper geworden sei. Er ist mit der ganzen Kanzlei in Gefangenschaft geraten“, war die Antwort. Und General Rehnskjöld und der Herzog von Württemberg? fragte er weiter. Gefangen. sagte Poniatowski. Bei den Russen gefangen! rief Karl. Kommt, da wollen wir lieber zu den Türken gehen.“
Karl XII., 1697-1718. Auf einer Münze aus den schwedischen Besitzungen: Pommern. Doppeldukat 1706. Aus Auktion Hess-Divo 300 (2004), 386.
Tatsächlich fand Karl XII. Zuflucht im türkischen Reich. Bis 1714 blieb er in der kleinen Stadt Bender, im heutigen Moldawien, und versuchte die Türken zu einem Krieg zu drängen, was ihm jedoch nicht gelang. In diesen Jahren zerfiel das schwedische Großreich. Alle umliegenden Fürsten rissen den einen oder anderen Brocken aus der Erbmasse an sich. Karl mußte hilflos dabei zusehen. Zwar kehrte er noch einmal heim nach Schweden, zwar gelang es ihm noch einmal eine Armee zu sammeln, um diesmal gegen Norwegen zu ziehen, aber am 30. November 1718 wurde er während der Belagerung von Frederikshald von einer Kugel getroffen. Der Feldzug wurde sofort abgebrochen. Schweden sollte nie mehr zu seiner einstigen Bedeutung aufsteigen.