Krieg mit anderen Mitteln: Wie Preußen die Habsburger Erblande mit finanzpolitischen Maßnahmen aus dem deutschen Bund drängte
Spätestens seit der Französischen Revolution träumte das bürgerliche Europa vom eigenen Nationalstaat. Das Problem daran war, dass die alte Ordnung alles andere als nationalstaatlich organisiert war. Deutschland zum Beispiel definierte sich über Sprache und Kultur. Wie aber passten die Habsburger Erblande dazu? Immerhin stellten die Habsburger seit Jahrhunderten den Kaiser, doch sie herrschten auch über Böhmen und Ungarn, die Lombardei, Venedig, Dalmatien, Kroatien und wie all die Länder hießen, in denen weder Deutsch gesprochen, noch Deutsch gedacht wurde. Für das aufstrebende Haus Hohenzollern war das ein wunderbares Argument, sich eines Konkurrenten um die deutsche Hegemonie zu entledigen. Deshalb befürwortete Preußen die so genannte kleindeutsche Lösung, also ein Deutschland, das Österreich den Stuhl vor die Tür stellte.
Inhalt
Der deutsche Zollverein als Vorstufe preußischer Hegemonie
Die Mittelstaaten Bayern, Hannover, Sachsen und Württemberg – Mittelstaaten genannt wegen ihrer mittleren Größe zwischen Duodezfürstentum und Hegemonialmacht – bevorzugten die großdeutsche Lösung, weil ihnen die Streitigkeiten zwischen Preußen und Österreich mehr Freiheiten ließen. Dazu kam, dass vor allem Bayern und Sachsen dem Schmuggel an ihren Außengrenzen zu Österreich bzw. Böhmen nicht mehr Herr wurde, seit 1834 auf Initiative Preußens der (klein)deutsche Zollverein ins Leben gerufen worden war. Zum Streit kam es dann allerdings erst wegen der Schutzzölle. Das stark industrialisierte Preußen war gegen Schutzzölle, die Mittelstaaten dafür. So wollten sie ihre eigene Industrie schützen. Preußen kündigte daraufhin kurzerhand den Zollverein auf und machte seine Unterschrift unter einen neuen Vertrag von der Kapitulation der Mittelstaaten in Sachen Schutzzölle abhängig.
Diese Situation nutzte das österreichische Wirtschaftsministerium, um im Januar 1853 zu Verhandlungen über einen großdeutschen Zollverein nach Wien einzuladen. Das setzte Preußen unter Druck. Die süddeutschen Staaten hätten im Verbund mit der Habsburgermonarchie ein potenteres Wirtschaftsgebiet dargestellt als die norddeutschen Staaten unter preußischer Führung. Hätte nicht die außenpolitische Lage – Österreich musste jederzeit mit dem Ausbruch des Krimkriegs rechnen – zur Vorsicht gemahnt, hätte es durchaus zu so einem Szenario kommen können. Doch so lenkte man ein. Die Habsburger Erblande wurden kein vollwertiges Mitglied des erneuerten Zollvereins, aber immerhin gleichberechtige Vertragspartner. Zudem legte der Vertrag vom 19. Februar 1853 fest, dass ihm noch im gleichen Jahr eine Münzkonvention folgen solle.
Das österreichische Münzgesetz von 1852
Das Problem dabei war, dass innerhalb Österreichs kaum Münzgeld, sondern nur Banknoten zum Zwangskurs zirkulierten. Gold- und Silbermünzen wurden ausschließlich für den Außenhandel geprägt. Zunächst musste also Österreich die eigenen Verhältnisse in Ordnung bringen, ehe es an eine internationale Münzkonvention denken konnte. So wurde am 31. Juli 1852 ein österreichisches Münzgesetz erlassen, das – angepasst an die Prägungen der süddeutschen Nachbarländer – eine Feinheit für das neue Münzgeld von 900/1000 festlegte. Doppelgulden (= Konventionstaler), Gulden und 20 Kreuzer wurden mit dieser Feinheit ausgeprägt.
Der Wiener Münzvertrag
Gleichzeitig stritten die preußischen mit den österreichischen Experten darüber, ob die Konventionsprägung nach dem Silber- oder dem Goldstandard ausgeprägt werden sollte. Eine Entscheidung bedeutete selbstverständlich nicht, dass ausschließlich Silber- oder Goldmünzen geprägt wurden. Es ging darum, ob die Währung an den Silber- oder den Goldpreis gekoppelt sein solle. Da Wien damit rechnete, dass der Goldpreis in Zukunft stark fallen müsse – gerade waren die reichen Goldfelder in Kalifornien entdeckt worden – versuchten die Österreicher, den Goldstandard durchzusetzen. So hofften sie, ihre hohen Staatsschulden in billigem Gold abzutragen. Die Preußen aber, denen ein wirtschaftlich starkes Österreich nicht in den Kram passte, setzten den Silberstandard durch. Goldene Dukaten im Wert von 4 1/2 Gulden durften nicht dazu eingesetzt werden, im Lande die Banknoten abzulösen, sondern waren ausschließlich für den Außenhandel gedacht – und selbst diese Sondergenehmigung sollte nur bis 1865 gelten.
Eine bittere Pille. Doch der Zugang zum gemeinsamen Wirtschaftsraum schien dieses Opfer wert. Und so unterzeichnete der Kaiser den Wiener Münzvertrag am 24. Januar 1857.
Das Trauma von Solferino
Österreich begann also, die umlaufenden Banknoten einzuziehen, um sie gegen Silbergeld einzutauschen. Doch schon bahnte sich die nächste Katastrophe an: Der französische Kaiser unterstützte die italienische Nationalbewegung unter Vittorio Emanuele. Natürlich nicht aus uneigennützigen Gründen. Dass Savoyen und Nizza heute Teile von Frankreich sind, verdankt das Land seiner Parteinahme. Und so musste Österreich am 21. April 1859 die Einlösung der Banknoten einstellen, weil es den Krieg um Oberitalien zu finanzieren musste. Die Geldscheine liefen also wieder zum Zwangskurs um.
Der Krieg war schnell vorbei. Er endete mit der Schlacht von Solferino am 24. Juni 1859. Sie wurde zum österreichischen Trauma und zur persönlichen Niederlage von Franz Josef I. Er hatte selbst das Oberkommando übernommen und musste hilflos mitansehen, wie seine Truppen in einer der blutigsten Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts niedergemäht wurden. 30.000 Soldaten starben oder wurden verletzt. Noch unerträglicher waren die zusätzlichen 40.000 Opfer nach der Schlacht, denen Verbandsmaterial, Nahrungsmittel, ja Wasser fehlte. Rotes Kreuz und Genfer Konvention verdanken ihre Existenz dem internationalen Entsetzen über die Gräuel von Solferino.
Preußen war der lachende Dritte. Österreich war durch den Verlust seiner oberitalienischen Besitzungen wirtschaftlich geschwächt und musste aus dem Wiener Münzverein ausscheiden, weil es ihm nicht gelang, das Papiergeld durch Münzen zu ersetzen.
Königgrätz und das Ende der großdeutschen Lösung
1865 landete Preußen den nächsten Coup. Es kündigte den alten Handelsvertrag zwischen deutschem Zollverein und Österreich und schloss einen neuen zu wesentlich schlechteren Bedingungen für Österreich. Österreich wurde damit zollrechtlich Ausland.
Es war ein weiterer Nadelstich, der mit dazu führte, dass die Habsburger sich in die Falle locken ließen, als Bismarck ganz bewusst Reichsrecht brach, um einen Krieg gegen Österreich zu provozieren. Die Schlacht von Königgrätz schrieb das fest, was sich in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr herauskristallisiert hatte: Preußen hatte Österreich im Kampf um die deutsche Hegemonie geschlagen. Die großdeutsche Lösung war Makulatur, die Erhebung des preußischen Herrschers zum deutschen Kaiser vorbereitet.
Fast hätte Franz Josef nach Königgrätz auch noch Ungarn verloren. Er hielt es nur, weil er sein Reich teilte. Waren es bisher zentral von Wien aus verwaltet worden, teilte man die Landesteile der Habsburger Erblande jetzt in Cisleithanien und Transleithanien. Diese Namen entstanden, weil die rund 180 Kilometer lange Leitha so ungefähr an der Grenze der beiden Landesteile verlief. In Cisleithanien herrschte Franz Josef als Kaiser über Österreich, Böhmen, Mähren, Schlesien, Görz, Krain und Galizien; in Transleithanien als König von Ungarn über Siebenbürgen, Kroatien und Slowenien. Die berühmt-berüchtigte k. k. Monarchie war entstanden.
Im Münzwesen lässt sich dieser Einschnitt konkret nachvollziehen. Herrschte vorher auf Scheidemünzen die deutsche Sprache, auf Goldmünzen die lateinische Sprache vor, entschied sich die ungarische Regierung dafür, ungarische Symbolik und die ungarische Sprache zu benutzen. Die Prägungen für Cisleithanien dagegen sind meist in lateinischer Sprache beschriftet oder verzichten ganz auf die Schrift, um der Mehrsprachigkeit der verschiedenen Gebiete Rechnung zu tragen.
Mitglied der Lateinischen Münzunion?
Nachdem Österreich die Zugehörigkeit zum deutschen Wirtschaftsraum versperrt war, versuchte das Land, sich nach Frankreich zu orientieren. Der Anschluss an die Lateinische Münzunion (LMU) wurde debattiert. Der Vertrag war eigentlich schon fertig, doch wurde er nicht ratifiziert. Dennoch entschied sich Österreich-Ungarn, Goldmünzen im Wert von 20 Franken resp. 8 Gulden auszugeben. Auch wenn formell kein Zwang bestand, diese in den Ländern der LMU anzunehmen, waren sie kompatibel und konnten deshalb gleichberechtigt umlaufen. Besonders wichtig machte diese Münzen, dass sie zur k. k. Zollwährung wurden. Wer also Waren nach Österreich importierte, musste den Zoll in dieser Münze erlegen.
Der Übergang zur Goldwährung
Hatte die österreichische Regierung Ende der 1840er Jahre darauf gehofft, sich ihre Schulden mittels billigem Goldgeld vom Halse schaffen zu können, war es durch die gewaltigen Silberfunde in Virginia City / Nevada in den 1860er Jahren zu einer weltweiten Entwertung des Silbers gekommen. Als nun Ende der 1880er Jahre die österreichischen Politiker ihr Währungssystem stabilisieren und erneuern wollten, entschied man sich, für alle Erblande den Goldstandard einzuführen. Das Resultat war die Krone-Währung, deren Ausprägung das Gesetz vom 2. August 1892 festlegte. Zum 1. Januar 1900 sollte die Krone den Gulden vollständig ersetzen.
Als Kaiser Franz Josef am 21. November 1916 für immer die Augen schloss, war die Krone immer noch die österreichische Währung. Sie wurde erst nach der vom Ersten Weltkrieg verursachten Inflation am 1. März 1925 durch den Schilling abgelöst.