Zwei Überfälle an zwei Tagen – französische Museen ausgeraubt
von Daniel Baumbach
Erinnern Sie sich noch daran, wie Museumseinbrüche früher in Filmen abliefen? Es brauchte ausgeklügelte Pläne, Täuschungsmanöver, Hightech und mindestens einen Akrobaten. Damit wurden die Sicherheitsvorkehrungen überlistet und das begehrte Objekt in einem nächtlichen Coup elegant erbeutet.
Inhalt
In der heutigen Realität führt etwas völlig anderes zum Erfolg: stumpfes, skrupelloses und gewalttätiges Vorgehen. Das bewiesen erst letzte Woche wieder zwei Überfälle auf französische Museen, die sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen abspielten.
Fall 1 – Mittwoch, Cognacq-Jay Museum, Paris
Der erste Einbruch ereignete sich am 20. November im Pariser Museum Cognacq-Jay. Das Museum beherbergt die Sammlung von Möbeln und anderen Kunstgegenständen der gleichnamigen Familie, die 1869 das berühmte Luxuskaufhaus La Samaritaine in Paris gründete. Momentan ist dort die Sonderausstellung „Luxe de poche“ zu sehen, die kleine, aber großzügig mit Edelsteinen und Gold verzierte Objekte aus dem 18. Jahrhundert zeigt. Die Ausstellung hätte eigentlich schon im September vorbei sein sollen, wurde wegen der großen Nachfrage allerdings bis zum 24. November verlängert. Wenige Tage also vor dem Ende der Ausstellung, gegen halb 11 Uhr vormittags und damit während der Öffnungszeiten, sollen vier maskierte Männer das Museum gestürmt haben. Mit Äxten und Baseballschlägern bewaffnet drangen sie in die Ausstellung vor und zerschlugen Vitrinen. Mit ihrer Beute flohen die Täter anschließend auf zwei Motorrollern. Besucher und Mitarbeiter blieben unverletzt und kamen mit dem Schrecken davon.
Die Beute
Wie die Museen der Stadt Paris inzwischen bekannt gemacht haben, wurden bei dem Überfall sieben äußerst kostbare Tabatieren aus dem 18. Jahrhundert gestohlen. Die Schnupftabakdosen gehörten zu den kostbarsten ihrer Art und waren sämtlich Leihgaben aus dem Louvre, dem britischen Royal Collection Trust und dem Victoria and Albert Museum. Ihr Wert wird bei einer Ersteinschätzung mit etwa einer Million Euro beziffert.
Eines der Stücke aus dem Royal Collection Trust soll aus dem Besitz von Friedrich dem Großen von Preußen stammen. Allein dieses Stück ist mit fast 3.000 Diamanten besetzt. Eine vollständige Liste der gestohlenen Tabatieren finden Sie hier.
Fall 2 – Donnerstag, Hiéron Museum, Paray-le-Monial
Bereits am nächsten Tag kam es zu einem sehr ähnlichen Überfall. Opfer wurde dieses Mal das Hieron-Museum in der zentralfranzösischen Kleinstadt Paray-le-Monial, nordwestlich von Lyon gelegen. Das Museum ist auf christliche Sakralkunst seit dem Mittelalter spezialisiert.
Am Nachmittag des 21. November, wieder am helllichten Tag und während der Öffnungszeit, drangen drei bewaffnete Männer in das Museum ein; ein vierter stand vor dem Museum Wache. Sie feuerten Schüsse ab, wohl um die etwa 20 anwesenden Besucher und das Personal zu verschrecken. Anschließend wandten sie sich ihrem Ziel zu: der drei Meter hohen Skulptur „Via Vitae“.
Ein zerstörtes Werk
Das Werk des bedeutenden Goldschmieds Joseph Chaumet galt als der Höhepunkt des Museums und war als nationaler Kunstschatz Frankreichs klassifiziert worden. Es handelt sich um einen Marmorberg mit Dekorationen aus Diamanten, Rubinen, Smaragden und Alabaster, dazu übersät mit 138 Figuren aus Gold und Elfenbein, die das Leben von Jesus Christus nacherzählen. Der Wert des Kunstwerks aus dem Jahr 1906 wurde mit 7 Millionen Euro beziffert.
Mit einem schweren, elektrisch betriebenen Werkzeug zerstörten die Täter zunächst das Panzerglas und durchschnitten dann den Marmorsockel. Anschließend rissen sie die wertvollen Dekorationen und Figuren heraus. Vor der anrückenden Polizei flohen die Täter auf Motorrädern. Zwei Polizeiwägen setzten zur Verfolgung an, wurden jedoch von Nägeln ausgebremst, die die Fliehenden auf die Straße geworfen hatten.
Es war nicht der erste Einbruch in diesem Museum, wie der Guardian berichtet. Bereits 2017 wurden zwei Kronen aus Gold entwendet. Ein weiterer Einbruchsversuch im Jahr 2022 misslang.
Zusammenhänge
Die erbeuteten Gegenstände der beiden Überfälle haben eines gemeinsam: Die Objekte sind mit wertvollen Materialien wie Gold und Edelsteinen verziert, die leicht eingeschmolzen oder herausgerissen werden können, um sie so zu Geld zu machen. Es wäre längst nicht das erste Mal, dass Kunstwerke so verschrottet werden. Wir erinnern an den Fall des Keltenschatzes von Manching, dessen eigentlich unbezahlbare Goldmünzen höchstwahrscheinlich für den vergleichsweise winzigen Goldwert unwiederbringlich vernichtet wurden.
Ob zwischen den Überfällen, die beide von vier Männern begangen wurden, ein Zusammenhang besteht, ist nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht bekannt. Die französischen Polizeibehörden ermitteln. Und die Museumswelt diskutiert verzweifelt, wie sie sich vor solchen Überfällen schützen kann.
Was tun?
Diese Diskussionen werden nicht zum ersten Mal geführt. Längst steht fest, dass Objekte mit Bestandteilen aus hohem Materialwert heute eines besonderen Schutzes bedürfen. Vor allem kleine Museen sollten besser darauf vorbereitet sein, dass selbst ihr Silberbesteck Ziel von Dieben werden könnte.
Das ist leichter gesagt als getan, bei den notorisch fehlenden Mitteln in Museen. Immerhin: Durch die Schlagzeilen machenden Einbrüche in Berlin und Dresden konnten deutsche Museumsleute ihren Trägern verdeutlichen, welche Gefahr heute für Ausstellungsobjekte besteht. Die Folge: Es soll zwischenzeitlich nicht möglich gewesen zu sein, Panzerglas zu bekommen, weil es dermaßen viele Aufträge aus deutschen Museen gab. In der Tat zeigt der missglückte Einbruch im Rheinischen Landesmuseum Trier, dass solches Geld gut investiert ist, verhinderte doch hier das nicht nachgebende Panzerglas den Diebstahl des Trierer Goldmünzenschatzes.
Doch was bleiben noch für Optionen, wenn, wie in Paray-le-Monial, die Täter mit schwerem Gerät anrücken, das selbst Panzerglas durchbrechen kann? Gegen die auch die beste Alarmanlage nichts nützt, weil sie während der Öffnungszeiten durch die Vordertür kommen? Gegen die kein Wachmann etwas unternehmen kann, weil sie über Schusswaffen verfügen? Hier bleibt die bittere Erkenntnis, dass die Museen wohl endgültig an der Grenze ihrer Möglichkeiten angekommen sind.
Wie wir im März dieses Jahres in einem Artikel über Museumseinbrüche in Deutschland berichteten, kam ein Museum in Folge eines Einbruchs zu der traurigen, aber folgerichtigen Entscheidung, seine Objekte mit hohem Materialwert aus Sicherheitsgründen nicht länger in der Ausstellung zu zeigen. Stattdessen sind dort nun Fotos der Objekte zu sehen. Ein deutlicher Hilfeschrei. Museen sollen Objekte der Öffentlichkeit zugänglich machen, aber auch schützen. Beides gleichzeitig zu tun, so scheint es, entwickelt sich zunehmend zu einem Ding der Unmöglichkeit.
Wir haben in der Vergangenheit über viele Fälle berichtet, aber längst nicht über alle. Hier finden Sie eine Auswahl von Museumseinbrüchen der letzten Jahre: