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Royal Mint stellt die Produktion ausländischer Münzen ein – Das Ende einer Ära oder nur ein weiterer Schritt in Richtung bargeldlose Gesellschaft?

von Michael Alexander, übersetzt von Maike Meßmann

Die Royal Mint hat verkündet, künftig keine Münzen mehr für andere Nationen herstellen zu wollen und beendet damit ein Geschäftsmodell, dass sie seit 700 Jahren betreibt. Michael Alexander ordnet diese Entwicklung ein.

Inhalt

Die Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr ist in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Und selbst diejenigen, an denen diese Realität bisher vorbei gegangen ist, wurden in der vergangenen Woche von der Royal Mint eindrücklich darauf aufmerksam gemacht. Die Zeiten, in denen Münzprägeanstalten den alleinigen Zweck verfolgten, Münzen für ihr Land herzustellen, sind längst vorbei. Viele Münzstätten haben sich neuen Geschäftsfeldern zugewandt, und die Royal Mint scheint eine Vorreiterrolle bei der Abkehr von einem auf die reine Münzproduktion ausgerichteten Geschäftsmodell übernommen zu haben. Ab Dezember dieses Jahres wird die Royal Mint keine Münzen mehr für ausländische Kunden prägen. Um die Bedeutung dieses Schrittes zu verstehen, müssen wir einen Blick auf die lange Geschichte dieser zusätzlichen Einnahmequelle werfen, die vor fast 700 Jahren begann.

Die Royal Mint – Eine unvergleichbare Erfolgsgeschichte

Seit ihrer Gründung im Jahr 886 hat die Royal Mint fast ununterbrochen Münzen für England und Großbritannien geprägt. Die ersten Münzen, die für den Gebrauch in Übersee bestimmt waren, wurden im Jahr 1325 unter König Edward II. hergestellt. Sie wurden dann nach Bordeaux verschifft, um in den südwestfranzösischen Herrschaftsgebieten des Königs verwendet zu werden. 

Einige Jahrhunderte später eröffnete die Royal Mint Zweigstätten an Orten wie Melbourne, Perth und Sydney in Australien, Pretoria in Südafrika, Bombay – dem heutigen Mumbai in Indien – und Ottawa in Kanada, um den Münzbedarf des stetig wachsenden Empires zu decken. Viele dieser Prägeanstalten entwickelten sich zu eigenständigen Münzstätten und sind auch heute noch in Betrieb. Viele Jahre lang war die Royal Mint der weltweit führende Exporteur von Münzen und produzierte für Länder, in denen es keine eigene Münzanstalt gab, oder in denen die nationale Münzstätte die Nachfrage nicht decken konnte. Oft handelte es sich dabei um Länder, die ehemalige Kolonien Großbritanniens waren. Einige dieser Produktions-Verträge bestanden seit mehr als einem halben Jahrhundert und galten seit der Unabhängigkeit dieser Staaten. 

Auf dem Höhepunkt ihrer Produktion ausländischer Münzen stellte die Royal Mint Münzen und/oder Ronden für fast 80 Länder her. Das Aufkommen elektronischer Zahlungsmittel in den letzten zwei Jahrzehnten ging jedoch mit einem Rückgang des physischen Geldes einher. Debit- und Kredit-Karten wurden allgegenwärtig und mittlerweile zahlen Kunden sogar über ihr Smartphone. Die beeindruckende Liste der Kunden der Royal Mint inzwischen auf eine Handvoll Länder in Afrika, der Karibik, Asien und den verbleibenden britischen Überseegebieten geschrumpft. Auch wenn die Royal Mint aus Datenschutzgründen keine Liste ihrer Kundenländer veröffentlicht, ist davon auszugehen, dass sich der Markt mittlerweile auf etwa 22 Länder reduziert hat. Aus dem Jahresbericht der Royal Mint 2022/23 ging hervor, dass sich die Lieferung von Münzen und Ronden an andere Länder damals auf 1,34 Milliarden Stück in 28 Ländern belief. Im Geschäftsjahr 2021/22 wurden dagegen 1,55 Mrd. Stück in 22 Länder geliefert, was einen Rückgang von ca. 210 Mio. Stück bzw. 16 % im Jahresvergleich bedeutet. Der Bericht zeigt zudem, dass der Umsatz der gesamten Münzproduktion 2022/23 auf 74,4 Millionen Pfund angestiegen ist, was gegenüber dem Geschäftsjahr 2021/22 einen Anstieg von etwas mehr als 10,3 Millionen Pfund bedeutet. Allerdings verzeichnete diese Abteilung auch Verluste in Höhe von 13,1 Millionen Pfund, was einen erheblichen Anstieg gegenüber der vorherigen Zahlen von 4,5 Millionen Pfund Verlust darstellt. Keine sehr ermutigenden Zahlen.

Expansion und neue Projekte

Diese Zahlen müssen jedoch in ihrem Kontext betrachtet werden. Und zudem ist wichtig zu betonen, dass die Royal Mint ein profitables Unternehmen ist. Dem Jahresbericht zufolge belief sich der Betriebsgewinn für das am 31. März 2023 endende Geschäftsjahr auf 17,7 Millionen Pfund. Wie erwartet wurden die Einnahmen schon im dritten Jahr in Folge vollständig von der Kundensparte der Royal Mint getragen – und zwar im Wesentlichen vom Verkauf von Edelmetallanlagen, Sammlerstücken und historischen Münzen. Die Abteilung Währung verzeichnete dagegen weiterhin einen vorhersehbaren Rückgang, der mit der weltweit rückläufigen Verwendung von Bargeld zusammenhängt.

Anstelle der Produktion ausländischer Münzen setzt die Royal Mint auf andere Projekte wie die Rückgewinnung von Edelmetallen. Daher hat sie 9 Millionen Pfund in eine spezielle Anlage an ihrem Standort in Llantrisant, Wales investiert. Dort wird Gold aus ausrangierten Elektrogeräten gewonnen. Die Anlage ist seit letztem Jahr in Betrieb und die Royal Mint rühmt sich damit, die weltweit erste Münzstätte zu sein, die eine bahnbrechende Umwelt-Technologie zur Gewinnung von Edelmetallen aus Gegenständen wie Mobiltelefonen und Laptops im großen Stil anbietet.

Im vergangenen Jahr brachte die Royal Mint probeweise eine Silber-Gedenkmünze auf den Market, die als „die erste ihrer Art“ beworben wurde. Die Silbermünze von einer halben Unze wurde zur Feier des 75. Geburtstags von König Charles III. ausgegeben und bestand aus Silber, das aus medizinischen und industriellen Röntgenfilmen zurückgewonnen wurde. Der König selbst, der sich seit langem für ökologische Initiativen einsetzt, hatte dem Projekt anscheinend grünes Licht gegeben.

Neben dem aus Elektrogeräten zurückgewonnenen Gold ist Schmuck ein weiteres neues Geschäftsfeld der Royal Mint. Eine Schmuckserie mit dem Titel „886“ – nach dem Jahr der Gründung der Royal Mint –wurde von Anne Jessop, CEO der Royal Mint, im April 2022 lanciert. In der jüngsten Pressemeldung der Münzstätte teilte die Royal Mint nun mit, dass sie ab Dezember dieses Jahres keine Aufträge für die Produktion ausländischer Münzen mehr annehmen wird. Die Mitarbeiter, die diese Kunden betreuen, werden die Möglichkeit haben, in andere Abteilungen oder das Gold-Rückgewinnungsgeschäft zu wechseln.

Ein Markt mit weniger Münzproduzenten

Die Zahlen aus dem Bericht lassen die Zukunft der Münzproduktion im Vereinigten Königreich sowie weltweit nicht gerade rosig erscheinen. Daher ist es vermutlich keine Überraschung, dass die Royal Mint sich zur Einstellung dieses Geschäftsfeldes entschlossen hat. Die Tatsache, dass die private Münzstätte Pobjoy Mint im November des letzten Jahres ihre Pforten für immer schloss, scheint ein weiteres Indiz dafür zu sein, dass der Markt für die Herstellung weltweiter Umlaufmünzen immer kleiner wird. Es wird spannend zu sehen, ob andere, mit der Royal Mint konkurrierende Münzstätten – wie die Finnische Münze, die Royal Dutch Mint, die US Mint oder die kanadische Münze – den Platz der Royal Mint einnehmen werden. Andererseits könnten sich auch andere Münzstätten sich entschließen, dem Beispiel der Royal Mint zu folgen. Ein derartiger Trend würde vermutlich dazu führen, dass kleinere Länder weitere elektronische Zahlungsmethoden einführen müssten, was wiederum ihre Abhängigkeit von physischem Geld verringern würde – letztendlich war es genau dieser Teufelskreis, der zum Entschluss der Royal Mint führte, die Produktion ausländischer Münzen einzustellen.

2017 hatte die Royal Mint farbenfrohe Broschüren an Entscheidungsträger verteilt, um die erfolgreiche und lange Geschichte ihrer Münzproduktion für ausländische Staaten hervorzuheben. Von der Lieferung von ca. 5 Mrd. Münzen und Ronden in mehr als 40 Länder pro Jahr, über innovative Produktionstechnologien wie ihr „Mono-Ply“-Plating-Verfahren versprach die Royal Mint, ihre Partnern rund um den Globus mit den besten Münzen der Welt zu versorgen.

Was die Produktion von Umlaufmünzen für das Vereinigte Königreich angeht, so hat die Royal Mint, die eng mit dem britischen Finanzministerium zusammenarbeitet und sich zu 100% in dessen Besitz befindet, erklärt, dass sie sich weiterhin voll und ganz der Herstellung britischer Münzen verschrieben hat. Schließlich sei dies seit 1.100 Jahren das Kerngeschäft der Royal Mint. Diese Zusage erfolgte vor dem Hintergrund einer Ankündigung des Finanzministeriums vom September 2020, wonach für mindestens ein Jahrzehnt keine neuen Umlaufmünzen in den Stückelungen 1 Penny, 2 Pence und 2 Pfund geprägt werden sollen, da das Angebot schlicht zu groß sei und die Münzen nur wenig Verwendung finden würden. Gemäß den Zahlen des National Audit Office wurde vor nur 10 Jahren noch bei sechs von zehn Transaktionen Bargeld verwendet. Mit der Entwicklung hin zu elektronischen Zahlungsmethoden waren es im Jahr 2019 schon nur noch weniger als drei von zehn Transaktionen. Durch die Corona-Pandemie wurde das Phänomen noch verstärkt, mit einem möglicherweise dauerhaften Effekt zugunsten kontaktloser Transaktionen in der ganzen Welt. Zum Leidwesen der Münzstätten fallen Münzen der bargeldlosen Gemeinschaft schneller zum Opfer als Banknoten, da die meisten Menschen für den Fall eines Zusammenbruchs des elektronischen Zahlungssystems eher Banknoten zuhause aufbewahren als Münzen. 

Und was jetzt?

Die Royal Mint erklärte, dass sie dank ihrer Erfahrung und ihre Expertise im Bereich der Münzherstellung ihr Geschäft in Felder wie die Edelmetallanlage, die Herstellung von Anlagemünzen oder Barren sowie Luxusschmuck auszuweiten konnte. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Royal Mint bisher nicht ausgeführt hat, ob ihre Entscheidung auch für Gedenk- oder Sammlermünzen gilt. Diese Münzen sind normalerweise profitabler in der Herstellung, da die Ausgabezahlen geringer sind und sie zu Aufpreisen an Sammler verkauft werden können.

Man kann der Logik der Royal Mint kaum etwas entgegenhalten. Ja, die Entscheidung, die Herstellung eines Produktes einzustellen, dass heute weit weniger als früher von der Öffentlichkeit genutzt und gebraucht wird, scheint eine vernünftige Entscheidung für ein Unternehmen zu sein, das wie jedes andere auch auf einen Gewinn ausgerichtet sein muss. Und doch lässt sich anführen, dass Münzen und Banknoten essentielle Bestandteile einer Nation mit identitätsstiftendem Charakter darstellen. Eine bargeldlose Gesellschaft scheint dagegen staatenlos und Transaktionen können überall auf der Welt erfolgen. 

Abgesehen von den Bedenken hinsichtlich der Produktion scheint die Entscheidung düstere Aussichten für all diejenigen zu prophezeien, die beim Zahlen Wert auf Anonymität legen. Die Herstellung von Anlage-Münzen könnte vielleicht das Vakuum füllen, das durch das Ausbleiben physischer Umlaufmünzen entstehen könnte. Bei der Ankündigung der Royal Mint handelt es sich um die Entscheidung eines dynamischen Unternehmens, das sein Geschäftsmodell anpasst, um profitabel, relevant und konkurrenzfähig zu bleiben. Angesicht all der neuen Bewegungen in der Münzwelt können wir der Royal Mint daher wohl kaum einen Vorwurf machen.

Der Autor, Michael Alexander, ist Präsident des London Banknote and Monetary Reseach Centre.

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