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Martin Hirsch im Gespräch

Martin Hirsch leitet seit 1. Juli 2023 die Staatliche Münzsammlung München. Mit über 300.000 Münzen, Banknoten, Medaillen und geschnittenen Steinen gehört sie zu Deutschlands bedeutendsten Münzkabinetten und beherbergt die größte öffentliche numismatische Bibliothek Deutschlands. Neben der Dauerausstellung präsentiert die Sammlung regelmäßig Sonderausstellungen. Wir konnten mit dem neuen Leiter sprechen – über seine Pläne, die Digitalisierung der Sammlung und warum Sammeln viel mehr sein sollte als nur Besitzen.

Martin Hirsch ist der neue Leiter der Staatlichen Münzsammlung München.

Martin Hirsch ist der neue Leiter der Staatlichen Münzsammlung München.

MünzenWoche: Sie sind seit mittlerweile sechzehn Jahren an der Staatlichen Münzsammlung München beschäftigt. Nun haben Sie die Nachfolge von Dr. Klose als Direktor angetreten. Was genau reizt Sie an dieser Aufgabe?

Martin Hirsch: Zunächst will ich Ihnen sagen, dass die Ernennung einen ungemeinen Impuls auslöst. Es ist, als ob im Innern eine neue Sonne aufgeht. Mit der neuen Stelle ändert sich aber auch meine Funktion vollständig. Wir nehmen nun die Erneuerung der eigentlichen Schausammlung in Angriff, die vor sechzig Jahren in ihrer jetzigen Disposition mit Vitrinen in vier Sälen im Damenstock der Residenz begründet wurde. In den nächsten Jahren werden wir die Schausammlung und Didaktik grundlegend neugestalten. Die Ausarbeitung der Konzepte auf inhaltlicher und gestalterischer Ebene bietet eine reizvolle Aufgabe, die ich im Team von Mitarbeitern und externen Ratgebern angehen möchte. Wir wollen das Museum zu einer echten Perle machen, die im Konzert der Münzkabinette der Welt zugleich als schön und innovativ angesehen wird.

MW: Inwieweit werden sich Ihre eigenen Interessen und Forschungsschwerpunkte in Ihrer Leitung der Münzsammlung zeigen?

MH: Meine Projekte liegen im Bereich der Medaillen und Gemmen. Ich plane eine Ausstellung zu Ludwig XIV. von Frankreich, die Weltausstellung moderner Medaillenkunst in München, ein Kolloquium und eine Ausstellung zur frühneuzeitlichen Gemmenkunst. Im Bereich des Mittelalters entwickle ich gerade ein Projekt zu Jerusalem in der Kreuzfahrerzeit. 

Gleichwohl stehe ich für offene Zugänge und verstehe Münzen als ein Medium, das durch unterschiedliche Sichtweisen und Fragen beleuchtet werden kann. Gerade habe ich einen intelligenten Beitrag über die Sammelkultur gelesen, in dem über die Netzwerke alter Klöster wie St. Emmeram in Regensburg im 18. Jahrhundert geschrieben wurde, dass nach damaligem Verständnis Sammeln nicht „Haben“, sondern „Teilen“ bedeutete, nämlich in der Kommunikation zwischen Sammlern und Besuchern.

MW: Sie haben bereits geäußert, dass Sie die Staatliche Münzsammlung innerhalb der Residenz für die Besucher sichtbarer machen möchten. Wie dürfen wir uns das konkret vorstellen?

MH: Weil unser Haus zentral in der Münchner Residenz gelegen ist, liegt es auf der Hand, dass sie unser wichtigster Partner ist, wenn es um die Besucherinnen und Besucher geht. Gerne würden wir verstärkt mit dem Residenzmuseum kooperieren und verbindende Themen entwickeln. Darüber hinaus begrüßen wir Verknüpfungen jeder Art, sei es durch die Öffnung des Rundgangs im Schloss oder die Möglichkeit eines Kombitickets. 

Dem folgend würde ich gerne künftig die Kulturgeschichte der Entstehung der wittelsbachischen Münzsammlung seit dem 16. Jahrhundert darstellen und dabei die prächtigen historischen Münzschränke und Bücher einbeziehen. Es würde mich freuen, wenn es uns gelänge, neben Kennern der Münzen ein breiteres Publikum anzusprechen und so dazu beizutragen, dass die Ausstrahlung der Residenz als großer Herzkammer der Kunst in der Altstadt Münchens noch stärker ins öffentliche Bewusstsein gelangt. 

MW: Sie haben in der Staatlichen Münzsammlung schon länger Digitalisierungsprojekte vorangetrieben. Haben Sie Pläne, wie Sie die Numismatik im digitalen Raum weiter stärken werden?

MH: Die Aufgaben des Digitalen Museums der Zukunft sind vielfältig. Numismatische Datenbanken sollen nicht allein Spezialisten dienen. Denn Wissenschaft ist selbstverständlich nicht alles. Daher nehmen wir stärker jene Formate in den Blick, die eine breite Öffentlichkeit erreichen. Im Rahmen von bavarikon wollen wir unsere 3500 Gemmen für Kunstfreunde weltweit digitalisieren. Wir konzipieren aber auch einen innovativen Mediaguide, der wichtige Stücke in der Ausstellung in verschiedenen Sprachen und barrierefrei anschaulich macht und planen digitale Formate für Jugendliche, in denen eine Zeitreise in die Vergangenheit aber auch eine Flugreise durch die Münzen des Euroraums angeboten werden sollen.

Martin Hirschs Lieblingsstück: Eine Medaille Papst Pauls III. auf Frascati mit der Villa Rufina (1549) von Alessandro Cesati. Foto: Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung.

Martin Hirschs Lieblingsstück: Eine Medaille Papst Pauls III. auf Frascati mit der Villa Rufina (1549) von Alessandro Cesati. Foto: Nicolai Kästner, Staatliche Münzsammlung.

MW: Und noch eine ganz persönliche Frage: Haben Sie ein Lieblingsstück in der Sammlung?

MH: Da würde ich die Medaille Papst Pauls III. auf Frascati (Tusculum) mit der Villa Rufina bei Rom wählen. Sie wurde 1549 von Alessandro Cesati, einem hochinteressanten Künstler, geschnitten und ist eine Kronzeugin für den Beginn der Villenkultur in Italien. Darüber hinaus verbinde ich mit dem Stück eine schöne Erinnerung. Vor Jahren konnte ich mit Adolfo Modesti, einem großen Kenner der Papstmedaillen, Fürst Camillo Aldobrandini in seiner Villa in Frascati im Rahmen eines kleinen Fests besuchen. Die Aussicht vom Balkon der Villa auf das Land vor Rom ist unvergesslich. Die Medaille zeigt wiederum den Blick, der sich bietet, wenn man von Rom kommend Frascati erblickt.

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