Wolfgang Hahn zum 80. Geburtstag
von Ursula Kampmann
Es gibt Numismatiker, die sind aus der Numismatik nicht wegzudenken. Zu ihnen gehört Wolfgang Hahn, der von 1990 bis 2010 die Geschicke des Instituts für Numismatik in Wien prägte. Am 12. März 2025 feierte er seinen 80. Geburtstag.
Byzanz – Bayern – Axum: schon seine drei wichtigsten Forschungsgebiete zeigen, dass Wolfgang Hahn ein Numismatiker ist, der aus dem Rahmen fällt – oder viel besser gesagt, in keinen Rahmen passt. 36 Seiten umfasste sein Schriftenverzeichnis, als er im Jahr 2010 in den so genannten Ruhestand ging. Mittlerweile sind noch einige Seiten hinzugekommen. Aber nicht das ist für mich so bemerkenswert. Viel geschrieben haben auch andere. Ich stehe staunend vor der Vielfalt der Themen, über die sich Wolfgang Hahn fundiert äußerte, und zwar nicht nur für Numismatiker und Mitglieder der hehren Wissenschaft, sondern auch für Leser des MoneyTrends.
Wolfgang Hahn lässt sich eben in keine Schachtel pressen. So eröffnete er schon mal das Semester in Filzpantoffeln, um den Studenten zu signalisieren, dass sie hier ihr Zuhause finden würden. Oder er hielt voller Selbstbewusstsein den Eröffnungsvortrag zu einer großen Ausstellung über Konstantinopel mit einem Fes auf dem Kopfe.
Früh übt sich
Geboren am 12. März 1945 in Hermansreuth, besuchte Wolfgang Hahn das Gymnasium, lernte dort natürlich Latein und sah mit 13 Jahren seine erste römische Münze. Spätestens von da an war es um ihn geschehen. Die Numismatik wurde endgültig seine Leidenschaft. Allerdings interessierte sich der Schüler eher für das europäische Mittelalter und die neuzeitlichen Münzen, denn das war es, was er in die Finger bekam. Nach der Matura begann Wolfgang Hahn 1963 in Wien zu studieren. Was? Natürlich Geschichte und klassische Philologie. Denn Numismatik gab es damals noch nicht an der Uni.
Ein Vertreter der Wiener Schule
Das änderte sich, als Robert Göbl 1965 sein berühmtes Institut gründete. Es hieß damals noch Institut für Antike Numismatik und vorislamische Geschichte Mittelasiens, war also genau auf die Forschungsschwerpunkte seines Leiters zugeschnitten. Wolfgang Hahn wurde quasi zum ersten Schüler Göbls, denn wie er einmal schrieb: „Immerhin besaß ich schon einen Denar des Domitian und einen Antoninian des Philippus Arabs sowie einen Viertelfollis des Justinian … und so setzte mich Göbl zunächst einmal ans Bestimmen römischer Fundmünzen aus Carnuntum.“ Hahn vermutet Jahrzehnte später, dass es sich dabei wohl um eine Art Ausdauerprüfung handelte. Aber „zähledern wie ich bin, ließ ich mich nicht unterkriegen.“ Das mündete in einer Dissertation über die Fundmünzen von Carnuntum.
Wie’s weiterging? Beinahe wäre Wolfgang Hahn ein Teil des damals so aktiven Münchner Münzhandels geworden. Wir hätten ihn brauchen können! Immerhin katalogisierte auch Göbl vor seiner Berufung als Universitätsprofessor als Sachverständiger des Dorotheums die Münzen der Sammlung Apostolo Zeno. Aber Wolfgang Hahn war ein anderer Weg beschieden. Er wurde – nach einigen wissenschaftlichen Umleitungen – der Nachfolger von Robert Göbl und der eigentliche Vater des Wiener Instituts. Denn er war es, der den auf einen einzigen Professor zugeschnittenen Lehrstuhl zum Institut für Numismatik und Geldgeschichte formte, das wir heute alle kennen, immer wieder als Vorbild zitieren, und für seine numismatische Vielseitigkeit so schätzen. Nichts geringeres als ein Leuchtturm der numismatischen Wissenschaft eben!
Universalgelehrter
Wolfgang Hahn war für diese Aufgabe prädestiniert. Nicht nur wegen seines verträglichen Temperaments, das ihn so wohltuend von seinem Vorgänger abhebt. Denn er hat eine weitere Tugend: er interessiert sich für alles und ist in der Lage, diese Begeisterung mit allen zu teilen – Kollegen, Studenten, aber auch Sammlern. Niemand beschreibt das besser, als die Studierenden, die Wolfgang Hahn anlässlich seines Ausscheidens aus dem Institut eine kleine Liebeserklärung ins Stammbuch schrieben: „Für uns ist Hahn das Idealbild einer untergehenden Epoche der Wissenschaft; in einer Welt von Spezialisten ein Universalgelehrter der alten Schule, der durch seinen weiten Horizont nie den Blick für das große Ganze verlieren wird. Mit welcher Frage oder Münze man auch immer an ihn herantritt, er hat schon darüber gelesen, die Münze selbst in Händen gehalten oder weiß, wer darüber geschrieben hat – oft genug war er es selbst.“
Kosmopolit
Auch wenn Wolfgang Hahn natürlich in der ganzen Welt bekannt und ein gern gesehener Vortragender ist, bedeutet für mich das Wort Kosmopolit etwas ganz anderes. Hahn jetsettet nämlich nicht nur von Hauptstadt zu Hauptstadt, von Münzkabinett zu Münzkabinett. Er hat eine Passion für ein Land entwickelt, das der gemeine Bürger eher aus den Abendnachrichten oder den Spendenaufrufen von NGOs kennt: Äthiopien.
Seit 1984 reist Wolfgang Hahn durch das antike Abessinien, um anhand der Numismatik die Geschichte von Axum zu rekonstruieren. Damit tat er schon vor Jahrzehnten das, was aktuell einen Boom erlebt: den Einwohnern Afrikas ihre vorkoloniale Geschichte zurückzugeben.
Kosmos besteht eben nicht nur aus den Orten, die „man“ eben so kennt, sondern aus viel, viel mehr.
Um in Äthiopien die verstecktesten Orte zu erkunden, nutzt Wolfgang Hahn eine Fülle von Verkehrsmitteln – moderne und solche, die schon seit der Antike in Gebrauch sind. Die Strapazen solcher Reisen zu überstehen, dabei hilft ihm sein wunderbarer Humor.
Nur ein kleiner Münzsammler?
Soll ich Ihnen ein kleines Beispiel für typischen Humor à la Wolfgang Hahn geben? Nun, ich zitiere noch einmal aus seiner Rede anlässlich seiner Emeritierung: „Dass ich bei alledem eigentlich nichts anderes als ein kleiner Münzsammler geblieben bin, ermöglichte immerhin des Öfteren die Ausstattung von Lehrveranstaltungen mit originalem Anschauungsmaterial, getreu dem Spruch „Numismatik ist Geschichte zum Anfassen“. Die Institutssammlung hatte ursprünglich kaum nachantike Münzen. Meine im Vorjahre verstorbene Frau, die – obwohl treue Protestantin – doch auch hin und wieder katholisierte, pflegte zu sagen, der Heilige Eligius sorge dafür, dass immer wieder interessante Münzen zu mir kommen wollen. Das galt nicht nur für deren Begutachtung und Kommentierung, sondern auch für ihren Erwerb – worauf sie von meiner Frau mit Engelsgeduld katalogisiert werden mussten. Fürs Münzensammeln brauche ich mich weder zu schämen noch zu entschuldigen, kann ich doch ganz berühmte Numismatiker wie Dannenberg, Luschin oder zuletzt Philip Grierson – Göbl nicht zu verschweigen – als Vorbilder oder Präzedenzfälle vulgo „Vurgang“ nennen, worauf ich mich als Beamter, der die Verwaltungsakademie absolviert hat, berufen kann.“
Nun, es macht mich stolz, dass wir unter den Münzsammlern, Numismatikern und Universitätsprofessoren Menschen wie Wolfgang Hahn haben, die sich selbst nicht ganz so ernst nehmen und stattdessen für ihre Leidenschaft leben.
Alles Gute zum Geburtstag, verehrter Herr Professor Doktor Hahn! Danke für die vielen Jahre, die Sie der Numismatik gewidmet haben! Und wir hoffen, dass wir aus Ihrer Feder noch viel lesen dürfen, Wissenschaftliches, Humorvolles, am besten beides vereint.