Militär-Motiv im Wechselgeld – oder: Wie politisch dürfen 2-Euro-Münzen sein?
Von Sebastian Wieschowski
Die Weltgemeinschaft blickte sprachlos nach Europa, als Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfiel – und die numismatische Gemeinschaft nahm mit Bewunderung und Wertschätzung die Idee der drei baltischen Staaten auf, ihre Solidarität in historisch einmaliger Form zu bekunden: Noch im Jahr 2022 gab Estland eine 2-Euro-Münze zu Ehren der Ukraine aus (zum ersten Mal war ein fremdsprachiger Spruch auf einer estnischen Münze zu lesen nämlich „Slava Ukraini“ oder „Ruhm der Ukraine) und 2023 legten Lettland (mit der ukrainischen Sonnenblume) und Litauen (“Kartu Su Ukraina“) nach.
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Auch nach zwei Jahren ist der Krieg zwischen Russland und der Ukraine noch lange nicht vorbei und die Frage, ob die Ukraine möglicherweise nur eine Zwischenstation auf dem russischen Weg zu einer neuen Weltmacht sein würde, bewegt nicht nur die internationalen Institutionen – sondern ganz besonders die direkten Nachbarn.
Baltische Staaten in Sorge vor einem russischen Angriff
Litauen geht deshalb im Hinblick auf die numismatische Aufarbeitung der russischen Aggressionen noch einen Schritt weiter: Am 6. Mai 2024 rief die Litauische Münzprägestätte zu einem Gestaltungswettbewerb auf, dessen Ergebnis eine 2-Euro-Gedenkmünze im Jahr 2025 sein wird. Das Thema der Münze lautet „Die Verteidigung des litauischen Staates gegen ausländische bewaffnete Angriffe“.
Während Künstler aufgerufen sind, ihre Interpretation dieses Anlasses in Münzform zu gestalten, hat die Ankündigung eine lebhafte Debatte in Onlineforen und Facebook-Gruppen der numismatischen Gemeinschaft ausgelöst. Die zentrale Frage: Werden 2-Euro-Münzen hier instrumentalisiert? Und ist es der Öffentlichkeit zuzumuten, dass sie demnächst Abbildungen von Panzern an der Supermarktkasse entdecken?
Wurde hinter den Kulissen bereits eine Zustimmung eingeholt?
Die litauischen Pläne werfen einige Fragen auf – beispielsweise, ob das Münzthema bereits im Vorfeld mit der Europäischen Union abgestimmt wurde. Denn ansonsten könnte es zu Einsprüchen von Mitgliedsstaaten kommen. Bisher war die Darstellung kriegerischer Motive ein Tabu, als Ausnahme gelten lediglich Münzen mit historischen Themen wie beispielsweise dem Zweiten Weltkrieg.
Während die Euro-Länder auf den nationalen Gedenkmünzen tun und lassen können, was sie wollen, ist ihre Freiheit bei der Themenwahl für die 2-Euro-Münzen durchaus eingeschränkt – denn die Münzen können tatsächlich auch in Nachbarländern im Zahlungsverkehr auftauchen. Deshalb hat die Europäische Kommission einen mehrstufigen Prozess festgelegt:
- Zuerst wird der Entwurf der Münze bei der Kommission eingereicht.
- Dort erfolgt eine erste Prüfung im Hinblick auf die Werte und Vorschriften der Europäischen Union.
- Die Kommission informiert danach die anderen Mitgliedstaaten – und hier kann jedes andere Euro-Land ein Veto einlegen.
- Zudem kann auch die Kommission feststellen, dass ein Entwurf unvereinbar mit den europäischen Werten oder provokativ ist – der Entwurf geht dann an das Ausgabeland zurück mit der Aufforderung einer Neugestaltung.
Aber ist ein Münzmotiv, dass sich mit dem legitimen und durchaus aktuellen Thema der Landesverteidigung auseinandersetzt, eine Provokation? Die Europäische Kommission hat Leitlinien für die Gestaltung der 2-Euro-Münzen entwickelt. Demnach sollen anstößige oder provozierende Motive vermieden werden, ebenso politische oder kriegerische Motive, die negative Reaktionen hervorrufen könnte.
Nicht alle 2-Euro-Motive wurden durchgewunken
Diese Formulierungen lassen allerdings Gestaltungs- und Interpretationsspielraum – und die Grenzen des Machbaren sind durchaus unklar:
Italien brachte im Jahr 2023 zum 100. Geburtstag seiner Luftwaffe ohne Widerstand der anderen Euro-Länder einen Kampfjet auf eine 2-Euro-Münze – ein paar Jahre vorher, nämlich 2019, erhielt das Land dagegen ein Veto aus gleich zwei Nachbarländern, als das Jubiläum der Gebirgsjäger gefeiert werden sollte.
Frankreich legte im Jahr 2015 einen Protest ein, als Belgien den 200. Jahrestag der Schlacht von Waterloo auf einer 2-Euro-Münze feiern wollte.
Und San Marino durfte im Jahr 2013 keine 2-Euro-Gedenkmünze zum 50. Todestag von John F. Kennedy ausgeben, weil der Bezug zum Ausgabeland und der Europäischen Union nicht deutlich genug dargestellt wurde.
Estland musste im Jahr 2021 eine 2-Euro-Münze mit einem Wolf überarbeiten, weil das ursprüngliche Design zu nah an einem Symbol der „Grauen Wölfe“, der türkischen Rechtsextremisten, angelehnt war.
In den Sammlerforen und Facebook-Gruppen laufen bereits leidenschaftliche Debatten um die Erfolgsaussichten und den Zweck der 2-Euro-Münze. Einzelne Sammler fragen, welche Botschaft diese Münze tragen soll und wer der Adressat dieser Botschaft ist. Sie befürchten, dass eine solche Münze die Bevölkerung „kriegstüchtig“ machen könnte. Andere argumentieren, dass die 2-Euro-Gedenkmünzen, die im täglichen Zahlungsverkehr genutzt werden, neutral bleiben sollten. Die Darstellung kriegerischer Motive könnte die Neutralität und den harmonischen Charakter der Euro-Münzen untergraben. Historische Themen werden als Ausnahme akzeptiert, da sie meist eine gewisse zeitliche Distanz und Akzeptanz in der Gesellschaft genießen.
Noch ist unklar, ob die 2-Euro-Münze zur litauischen Landesverteidigung im Jahr 2025 in den Geldbörsen in ganz Europa landet – doch eines hat die Debatte gezeigt: Wie politisch Gedenkmünzen sein können und welche Verantwortung mit ihrer Gestaltung verbunden ist.