Die Zürcher und ihr Geld 9: Eine Person lebendig mit Feuer abzutun – 7 Pfund 10 Schilling
mit freundlicher Genehmigung des MoneyMuseum
In unserer Serie „Die Zürcher und ihr Geld“ nehmen wir Sie mit in die Welt des vergangenen Zürich. Hören Sie heute Meister Hans zu, was er 1701 dem Seckelmeister in Rechnung stellte – für Foltern, Köpfen und Verbrennen! Dazu gibt es wie auf einer guten DVD ein Making of, also welcher numismatisch-historische Hintergrund zu diesem Gespräch gehört.
Dezember 1701. Hans Jakob IV. Volmar, Scharfrichter und Abdecker zu Zürich, bringt seine halbjährliche Rechnung zum Säckelmeister. Gezeichnet von Daniel Pelagatti / Atelier bunterhund. Copyright MoneyMuseum / Zürich.
Säckelmeister: Ah, Meister Hans, bringt Ihr Eure Rechnung?
Scharfrichter: Ja, Säckelmeister. Dieses Mal ist es mehr als sonst.
Kein Wunder, die Angelegenheit mit den Hexen aus Wasterkingen ist die Stadt teuer zu stehen gekommen. Da habt Ihr als Henker gut verdient.
Ja, allein die erste Hinrichtung. Die Elisabetha Rutschmannin lebendig zu Staub und Aschen verbrennen 7 Pfund, 10 Schilling, ihrer Tochter Anna Wiserin das Haupt vom Körper hinweg schlagen, folglich dieselbe auf dem Scheiterhaufen zu Staub und Aschen verbrennen. 3 Pfund 10 Schilling, desgleichen die Margaretha Rutschmannin 3 Pfund 10 Schilling. Der Abendtrunk für die Stadtknechte 3 Pfund 4 Schilling.
Mir wird Angst und Bang.
Das sind 17 Pfund 14 Schilling.
Und dann noch die peinliche Befragung!
Ja, pro Person für die Visite, um sie zu schrecken, 1 Pfund, für das Scheren 3 Pfund, für die Tortur 3 Pfund.
Was, 3 Pfund, um den Weibern die Haare abzuschneiden! Das ist viel Geld!
Du vergisst, dass bei den Hexen die bösen Mächte oft in den Haaren sitzen. Das gehört zu meinen gefährlichsten Arbeiten.
Also für die drei peinlichen Befragungen 21 Pfund.
Nein, 27 Pfund, diese Elisabetha Rutschmannin hat zweimal widerrufen. Ich musste sie dreimal der peinlichen Frage unterziehen.
Und da hast Du dann auch noch die Salbe berechnet, mit der Du sie nach der Folter behandelt hast.
Ja, 18 Schillinge. Aber dafür war sie trotz ihrer 70 Jahre nach drei Folterungen noch in der Lage, selbst zum Richtplatz zu gehen!
Ich sehe schon, da legt die Staatskasse drauf. Der beschlagnahmte Besitz der drei Hexen hat nur 582 Gulden eingebracht. Die Häuser mussten unter Wert verkauft werden. Keiner in Wasterkingen wollte ein Haus haben, in dem eine Hexe gewohnt hat.
582 Gulden? Na, hör mal, meine Rechnung beläuft sich auf knappe 25 Gulden. Wo ist denn das ganze Geld hingekommen?
Da sind erst einmal die Entschädigungen für die Untersuchungsrichter, dann bekommen die Gerichtsherren ihre Sitzungsgelder. Und natürlich müssen wir auch die Kosten in Rechnung stellen, die wir für Bewachung und Unterhalt der Gefangenen ausgegeben haben. Nicht zu vergessen, die Entschädigungen für die Zeugen. Die mussten alle aus Wasterkingen kommen. Da bleibt nichts übrig!
Aber nur, weil die Ratsherrn sich den größten Teil unter den Nagel reißen! Also, hör auf zu jammern und zahl meine Rechnung. Ich habe nicht mehr gefordert, als recht ist.
Scharfrichter bei der Vorbereitung. Praxis rerum criminalium iconibus illustrata, Antwerpen 1562. Quelle: Wikipedia.
Making of:
„Ich habe nicht mehr gefordert, als recht ist“, mit diesen Worten endet das Hörspiel, in dem der Henker Hans Jakob Volmar seine Rechnung für das zweite Halbjahr 1701 dem Säckelmeister von Zürich präsentiert. Und tatsächlich wissen wir exakt, was der Stadtrat von Zürich für recht und billig hielt, wenn es um den Lohn des Scharfrichters ging. Aus dem Jahr 1701 blieb eine Aufstellung erhalten, eine Art Tarif, in welcher die Entlohnung für jede Handlung des Scharfrichters genau festgelegt ist. Sachlich und emotionslos sind darin die verschiedenen Hinrichtungsarten nach Aufwand unterschiedlich bewertet, genauso wie die „kleineren“ Arbeiten. Zusätzlich zu seiner Entschädigung für Folter und Hinrichtung erhielt der Henker der Stadt Zürich noch ein jährliches Entgelt in Münzen und Naturalien allein dafür, dass er in Zürich lebte und damit dem Rat jederzeit zur Verfügung stand.
Doch auch wenn die Besoldung hervorragend war, und der Henker an einem einzigen Richttag das Vielfache dessen verdienen konnte, was ein normaler Handwerker nach hause brauchte, hätte übers Jahr gesehen, das Einkommen nicht ausgereicht, um seinen Haushalt zu finanzieren. So wurden dem Henker noch weitere Arbeiten übertragen. Zu seinem Aufgabenbereich als Wasenmeister, bzw. Abdecker wie wir heute sagen würden, gehörte die Entsorgung verendeter Tiere und die Reinigung der Kloaken.
Neben seinen Einnahmen aus der Staatskasse betrieb jeder Henker, so auch Hans Jakob Volmar, ein blühendes Nebengeschäft als Arzt, und das nicht nur weil er über so geheimnisvolle Substanzen wie Menschenblut, Menschenfett und die Alraune verfügte. Er sammelte Erfahrungen im Umgang mit dem menschlichen Körper beim Foltern und bei der Behandlung der Wunden und Verrenkungen, die durch die Folter entstanden waren. Es hat also durchaus einen historischen Hintergrund, wenn wir unseren Meister Volmar im Hörspiel 18 Schillinge fordern lassen für eine Salbe, mit welcher er eine der Hexen behandelt hat.
Im Übrigen sind sowohl Meister Volmar wie auch die Hexen von Wasterkingen geschichtliche Persönlichkeiten. Hans Jakob Volmar gehörte zu einer alten Dynastie von Scharfrichtern, welche in Zürich und Schaffhausen bereits seit Generationen dieses Amt bekleideten. Der erste Volmar, Meister Paulus, hatte im Jahre 1587 den Zürcher Dienst angetreten. Ihm waren in direkter Linie seine Söhne gefolgt, Hans Jakob Volmar, der von 1697 bis 1711 in Zürich das Amt des Scharfrichter und Wasenmeister bekleidete, war sein Ururenkel. Nach seiner Amtsniederlegung arbeitete Volmar wie übrigens die meisten seiner Verwandten als Practicus Medicinae, also als praktischer Arzt.
Hexenszene, Umkreis des David Teniers d.J. (1610-1690) um 1700. Berlin, Deutsches Historisches Museum. Quelle: Wikipedia.
Elisabeth Wysser-Rutschmann, an deren Tod Meister Volmar 7 Pfund 10 Schilling verdiente, wurde mit ihrer Tochter Anna Rutschmann, im Urteil genannt Anna Wiserin, und ihrer Schwester Margaretha Rutschmann, am 9. Juli 1701 wegen Hexerei hingerichtet. Die drei Frauen waren im April 1701 von ihren Nachbarn in Wasterkingen beschuldigt worden, Mensch und Tier im Ort durch magische Künste geschadet zu haben. Am 28. April wurden die drei Verdächtigen zusammen mit einer langen Liste von Beschuldigungen nach Zürich überstellt. Dort gestand die 24jährige Anna als erste, schwach geworden durch die Folter des Meister Volmar. Sie bekannte, dass sie sich der Hexerei schuldig gemacht habe. Ihre Mutter und ihre beiden Tanten, sowie eine Anna Vogel hätten sie in die Kunst der Hexerei eingewiesen. Elisabeth und Margaretha Rutschmann schlossen sich nach schwerer Folter diesem Geständnis an. Sie wurden zum Tode durch Verbrennen verurteilt, wobei Elisabeth als der Verführerin ihrer Tochter die schärfste Strafe zuteil wurde: Sie wurde bei lebendigem Leibe verbrannt, während Anna und Margaretha Rutschmann vor dem Verbrennen geköpft wurden.
Noch drei weitere Frauen und ein Mann aus Wasterkingen starben in diesem Jahr als Hexen, bzw. Hexer auf der Richtstätte von Zürich.
Nach ihrem Tod glaubte sich der Kirchenvorsteher Anton Klingler vom Teufel verfolgt. Steif und fest behauptete der jeder Aufklärung abholde Mann, dass in seinem Haus der Teufel umgehe, um sich für sein hartes Durchgreifen im Prozess gegen die Hexen von Wasterkingen zu rächen. Freunde rieten ihm, sein Gesinde zu überprüfen, und es stellte sich heraus, dass der Kirchenvorsteher von seinem Gehilfen genarrt worden war. Dieser hatte sich als „Teufel“ betätigt, um ungestört seinen Liebschaften nachgehen zu können. Einzelheiten des Spuks kamen bei einem Prozess zu Tage. Die ganze Stadt lachte über den genarrten Kirchenvorsteher und hielt auf einmal auch den Vorwurf der Hexerei im Allgemeinen für lächerlich. Die Hexen von Wasterkingen waren die letzten, welche in Zürich verbrannt wurden.
In der nächsten Folge ist der Titel Programm: „Der Querulant“ war Johann Heinrich Waser, einer von Zürichs bedeutenden Bürgern im 18. Jahrhundert – und einer seiner umstrittensten.
Alle anderen Folgen der Serie finden Sie hier.
Die Texte und Zeichnungen entstammen der Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung im MoneyMuseum Zürich. Vertonte Auszüge sind als Video hier erhältlich.