Woher wissen wir eigentlich, wann es bei Issos eine Keilerei gab?
Die Sotisperiode
Grundlage ihres bürgerlichen Kalenders war nicht die Sonne selbst, sondern der sich parallel zur Sonne bewegende Sirius, in Ägypten Sotis genannt. Der Aufgang des Sirius zur Zeit des Tagesbeginns fand in Memphis – unserer Zeitrechnung nach – am 19. Juli statt und kündigte die jährliche Nilschwemme an.
Dem Nil verdankte das Land seinen Reichtum. Deshalb kreiste das gesamte bürgerliche Jahr um den Nil und die mit ihm verbundene Fruchtbarkeit. Die ägyptischen Bauern teilten ihr Jahr in drei Jahreszeiten: Überschwemmung von 19. Juli bis November; Saat / Hervorgehen / Anwachsen von November bis März; Hitze / Ernte von März bis Juli.
Das religiöse Jahr richtete sich dagegen nach dem Mond: Jeder Monat war einem Gott gewidmet, unter dessen Schutz der Monat stand und dessen Hauptfest in eben diesem Monat gefeiert wurde.
Einen kleinen Schönheitsfehler hatte das System: Sotis- und Mondkalender waren unterschiedlich lang und wichen deshalb jedes Jahr ein klein bisschen mehr voneinander ab, so dass sich die beiden Systeme untereinander verschoben.
Fiel der Beginn von Sotis- und Mondjahr nach 1.460 Jahren wieder auf denselben Moment, war eine Sotisperiode verstrichen. Und dieses Ereignis fand – so überliefert es uns der römische Astronom Censorinus und so haben es moderne Astronomen nachberechnet – unserer Zeitrechnung nach am 19. Juli 139 statt.
Was ein einziges Datum ausmachen kann!
Die ägyptische Sotis-Periode ist für die moderne Geschichtsforschung von eminenter Bedeutung. Denn für sie gehören nur Daten, die an die moderne Zeitrechnung angeknüpft werden können, zur „absoluten“ Chronologie. Ereignisse, von denen wir lediglich wissen, in welcher Reihenfolge sie stattfanden, nennt man dagegen „relative“ Chronologie.
Wenn Sie sich nun einmal in das originale Werk des Thukydides vertiefen, werden Sie schnell merken, dass er zwar Jahr für Jahr genau das Geschehen des Peloponnesischen Kriegs wiedergibt, dass Sie aber mit seinen Datierungen rein gar nichts anfangen können. Denn Thukydides datierte nach den Beamten der verschiedenen griechischen Städte. Das funktionierte dort hervorragend, weil jeder wusste, wer wann Beamter gewesen war und bei einer Gedächtnislücke die öffentlich angeschlagene Beamtenliste konsultieren konnte. Wir allerdings könnten damit rein gar nichts anfangen, hätte Alexander von Makedonien nicht glücklicherweise Ägypten erobert.
Damit wurde er nämlich zu einem Pharao, also führen ihn alle ägyptischen Königslisten mit seinen Regierungsjahren auf. Und eben diese Königslisten können wir dank der absoluten Chronologie, die uns die Sotisperiode liefert, an unsere moderne Zeitrechnung anhängen. Und das wiederum bedeutet, dass alle Ereignisse der antiken Welt letztendlich mit der ägyptischen Zeitrechnung datiert werden. Denn ein anderer Gelehrter aus Alexandria, Erathostenes von Kyrene, hat uns mit einer relativen Chronologie der griechischen Geschichte beschenkt:
Von der Eroberung Troias bis zur Rückkehr der Herakliden: 80 Jahre
Bis zu der Niederlassung in Ionien: 60 Jahre
Bis zur Vormundschaft des Lykurgos: 159 Jahre
Bis zum Beginn der ersten Olympiade: 108 Jahre
Bis zum Feldzug des Xerxes: 297 Jahre
Bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges: 48 Jahre
Bis zu dessen Ende und dem Sieg über Athen: 27 Jahre
Bis zur Schlacht bei Leuktra: 34 Jahre
Bis zum Tod des Königs Philipp: 35 Jahre
Bis zum Tod Alexanders: 12 Jahre
Nun können wir das Todesjahr Alexanders dank der Kombination von ägyptischen Königslisten und Sotisperiode auf 324/3 vor unserer Zeitrechnung berechnen. Von diesem einen absoluten Datum aus werden alle anderen Daten nach hinten gezählt, wobei wir in dieser Tabelle die Daten, die ans Mythische grenzen, lieber beiseitelassen.
Beginn der ersten Olympiade: 776
Feldzug des Xerxes: 479
Beginn des Peloponnesischen Krieges: 431
Ende des Peloponnesischen Krieges und Sieg über Athen: 404
Schlacht bei Leuktra: 370
Tod des Königs Philipp: 335
Tod Alexanders: 323
Das heißt, unsere gesamte griechische Chronologie würde am seidenen Fädchen der Sotisperiode hängen, gäbe es nicht eine einzige Bestätigung: Thukydides I, 28 erwähnt in seinem Peloponnesischen Krieg eine Sonnenfinsternis, die unsere Astronomen auf den 3. August des Jahres 431 datieren, was es wahrscheinlich macht, dass Erathostenes von Kyrene zumindest bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges recht hat.
Das römische Saeculum
Aber zurück zu Antoninus Pius und seiner Sternzeichen-Serie. Ihm war die Vorstellung, dass sich die Zeit in einer Art Kreis bewegt, wie allen Römern nicht fremd. Sie alle kannten das Saeculum, einen Kreislauf, der dann neu begann, wenn alle Menschen, die seinen Beginn erlebt hatten, nicht mehr unter den Lebenden weilten. Augustus hatte diese Vorstellung genutzt, um nach dem Bürgerkrieg den Anbruch eines neuen goldenen Zeitalters zu inszenieren. Seine Nachfolger sollten das – mit weniger Erfolg – immer wieder nachahmen.
Nun waren sich Historiker über den Beginn so eines Saeculums nicht einig, was jedem Kaiser einen gewissen Spielraum eröffnete, den Antoninus Pius in Ägypten zu nutzen wusste.
Antoninus Pius und seine astrologische Serie
Er prägte nämlich im 8. Jahr seiner Regierung eine Serie, die das Sotisjahr mit Sonne und Mond thematisierte und die verschiedenen Sternzeichen und Häuser aufgriff. Damit befand sich der Kaiser auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. In Alexandria lebte und wirkte der Astronom Claudius Ptolemaios, auf den das „Ptolemäische Weltbild“ zurückgeht.
Er systematisierte die Planetenbewegungen, indem er sie – seiner Vorstellung nach – auf kristallinen Sphären eine vollkommene Kreisbahn beschreiben ließ. Dabei durchliefen sie die 12 Tierkreiszeichen und ermöglichten so genauere Horoskope, wie Ptolemaios in seinem Tetrabiblos festhielt.
Den exakten Anlass, aus dem diese wunderbare Serie geprägt wurde, können wir leider nicht rekonstruieren. Wir sollten auch der Antike den menschlichen Faktor zugestehen. Vielleicht war es der Kaiser selbst, vielleicht sein Stellvertreter in Alexandrien, der nach einer Diskussion mit Claudius Ptolemaios oder der Lektüre seines Werks entschied, dass sich die neuesten astrologischen Erkenntnisse wunderbar für eine Münzserie eignen würden.
Der letzte Sammler, der die Sternzeichenserie in dieser Vollständigkeit und in dieser Erhaltung zusammenbringen konnte, dürfte Giovanni Dattari gewesen sein, jener italienische Münz- und Antiquitätenhändler, der am 18. Februar 1923 in Kairo starb.
Die Künker Auktion 347 bietet also mit der Fülle an Material für jenen Sammler alexandrinischer Münzen eine Gelegenheit, die vielleicht ein ganzes Sammlerleben lang nicht wiederkommen wird.
Alle Lose der Auktion finden Sie im Online-Katalog der Auktion 347 von Künker.
Die Geschichte Ägyptens und Alexandrias lässt sich anhand der antiken Münzen wunderbar nachverfolgen. Hier finden Sie den numismatischen Streifzug von Ursula Kampmann.
Das Instituts für Altertumskunde an der Universität zu Köln erhielt jüngst eine wichtige Schenkung, welche die Münzsammlung zu einer der wichtigsten Sammlungen Alexandrinischer Münzen macht.
Der ehemalige Kustos der Kölner Sammlung veröffentliche 2013 zusammen mit Manfred Weber einen Typenkatalog der alexandrinischen Gaumünzen.