Neun Monate und 13 Tage: Die Herrschaft des Galba
Es war eine Kunst, unter Kaisern wie Caligula oder Nero zu überleben, vor allem wenn man der römischen Oberschicht angehörte. Sie tendierten dazu, profilierte Mitglieder des Senats als Konkurrenten zu betrachten und deshalb zu beseitigen. Wer die Kunst, zu überleben, nicht beherrschte, starb. Galba beherrschte sie perfekt. Und überlebte. Er hatte bereits das in römischen Augen ehrwürdige Alter von 73 Jahren erreicht, als ihn im Winter des Jahres 67/68 der Statthalter der Provinz Gallia Lugdunensis kontaktierte. Dieser hatte sich an die Spitze all derer gestellt, die die Extravaganzen Neros nicht länger finanzieren wollten.
Nero. Aureus, Rom, 66/7. Rv. SALVS Salus n. l. thronend, in der ausgestreckten rechten Hand eine Patera. RIC 66. Unbedeutende Randschläge. Fast vorzüglich. Taxe: 2.500 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 85.
Nero hatte versucht, seine unglaublich teuren Infrastrukturprojekte über Steuererhöhungen für die Provinzen zu finanzieren. Wie viel Geld der Kaiser ausgab, dafür haben wir heute noch einen Beweis: Aurei mit dem Porträt Neros sind im Verhältnis wesentlich häufiger als die anderer Kaiser.
Gaius Iulius Vindex, Statthalter von Gallia Lugdunensis, stammte aus der ehemaligen Führungsschicht Aquitaniens. Vielleicht lag ihm deshalb das Wohl seiner Provinz derart am Herzen. Doch auch wenn er auf die Unterstützung der Gallier rechnen konnte, wusste er genau, dass der römische Senat mit ihm nicht zusammenarbeiten würde. Er brauchte einen Verbündeten, einen, den jeder Römer achtete und schätzte. Und so kontaktierte er Servius Sulpicius Galba, Statthalter der benachbarten Provinz Hispania Tarraconensis.
Galba, 68-69. Sesterz, September 68. Rv. AVGVSTA / SC Livia n. l. thronend, Szepter und Patera haltend. RIC 336. Tiber Patina. Sehr schön. Taxe: 1.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 122.
Der galt als der letzte Vertreter der großen, alten Familien der römischen Republik. Schon sein Vater war Konsul gewesen. Seine Mutter führte ihre Herkunft auf das Geschlecht des Quintus Lutatius Catulus zurück. Der war noch zur Zeit Neros als ein bedeutender Politiker bekannt. Viel wichtiger aber war die Tatsache, dass die Kaiserin Livia persönlich Galba gefördert hatte. Damit rückte der Politiker in die Nähe des Augustus, des göttlichen Gründers des julisch-claudischen Kaiserhauses. Ein Pfund, mit dem man wuchern konnte, und eine Tatsache, die Galba nach der Machtübernahme nicht müde wurde, im Münzbild bekannt zu machen.
Galba, 68-69. Denar, Tarraco, April bis Ende des Jahres 68. GALBA IMP Galba die Hand im Sprechgestus erhoben n. l. reitend. Rv. HISPANIA Büste der Hispania n. l., über die l. Schulter zwei Speere, davor zwei Kornähren, unter dem Halsabschnitt runder Schild. RIC 2. Getönt. Gutes sehr schön. Taxe: 500 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 95.
Galba verwaltete seine Provinz Hispania Citerior, die nach ihrer Hauptstadt Tarraco (= Tarragona) auch als Hispania Taraconensis bezeichnet wird, seit dem Jahr 60 n. Chr. Es war ein ausgesprochener Vertrauensbeweis, dass Nero ihm diese Position überließ, denn in dieser Provinz waren wichtige Heeresverbände konzentriert, über die Galba den Oberbefehl führte. Natürlich wusste das der Kaiser. Und als man in Rom vom Aufstand des Vindex hörte, nahm man sofort an, dass Galba zu einer Gefahr werden könnte. Eine Gefahr, die man durch einen Mord möglichst schnell beseitigen sollte.
Galba, 68-70. Denar, Spanien. BON EVENT Kopf des Bonus Eventus n. r. Rv. ROM – RENASC Roma n. r. stehend, auf der ausgestreckten Rechten kleine Victoria, die sie bekränzt. RIC 9. Vorzüglich. Taxe: 1.500 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 88.
Der Mord scheiterte. Und was noch viel schlimmer war, er führte Galba vor Augen, dass auch sein vorsichtiges Taktieren ihn nicht vor einem weiteren Mordversuch von Seiten Neros schützen würde. So blieb nur die Flucht nach vorne, der Aufstand. Aber Galba blieb sich selbst treu und verhielt sich vorsichtig: Am 2. April 68 trat er auf dem Forum von Cartagena vor das Heer. Er hatte sich mit den Statuen all der Opfer Neros umgeben und ließ sich von einem jungen Mann begleiten, den Nero ins Exil geschickt hatte. Sorgfältig wählte Galba seine Worte. Er forderte nicht zum Aufstand auf. Doch das Heer tat trotzdem, was von ihm erwartet wurde: Es rief Galba zum Imperator aus.
Münzen wie diese passen zu dieser Frühphase der Herrschaft des Galba. Unser Beispiel zeigt den Bonus Eventus, die Gottheit, die günstige Gelegenheiten schenkte, die es zu ergreifen galt. Und Roma Renascens, das wiedererstehende Rom, passt vorzüglich zu einem Aufstand, der sich gegen die entartete Regierung eines Nero wendet. Galba, so die Botschaft, werde mit seinen echt römischen Tugenden das alte Rom neu erstehen lassen.
Galba, 68-69. Aureus, Tarraco(?), April bis Ende 68. GALBA – IMP Kopf mit Lorbeerkranz n. r. Rv. ROMA – VICTRIX Roma mit Lanze und Zweig n. l. stehend. RIC 44var. Unpublizierte Variante(?) Sehr schön. Taxe: 10.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 101.
Galba blieb vorsichtig, was man unter anderem an der Titulatur sehen kann, die er für seine Münzen wählte. Um die Prägung eigener Denare und Aurei konnte er sich nämlich nicht drücken, schließlich war er als der neue Imperator für die Besoldung der Truppen verantwortlich. Doch er konnte die Münzen so gestalten, dass man ihm keine juristischen Vorwürfe machen konnte. Galba war Imperator. Er hatte diese Ehre noch von Claudius für seine Dienste in Afrika erhalten. Doch die Titel Caesar oder gar Augustus vermied Galba ostentativ. Damit wartete er, bis sich Nero durch seine eigene politische Unfähigkeit derart desavouiert hatte, dass ihn der Senat am 9. Juni des Jahres 68 absetzte und zum Tode verurteilte. Galba wurde zu seinem Nachfolger ernannt.
Galba, 68-69. Sesterz, Rom, Juni bis August 68. SER GALBA IMP – CAES AVG TR P Drap. Büste mit Eichenkranz n. r. Rv. ROMA / S-C Roma auf Brustpanzer n. l. sitzend. RIC 247. Rotbraune Patina. Hohes Relief. Gutes sehr schön / Sehr schön. Taxe: 2.500 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 105.
Mitte Juni des Jahres 68 erfuhr Galba von seiner Ernennung zum Kaiser. Sofort änderte er die Titulatur und bezeichnete sich fortan ebenfalls als Caesar und Augustus. Er zog nach Rom, das für die wenigen Monate, die ihm noch blieben, zum Mittelpunkt seiner Aktionen wurde. Dort ließ er eine verhältnismäßig hohe Zahl von qualitativ hochstehenden Sesterzen prägen. Stilistisch ausgezeichnete Porträts von hohem Relief wie dieses, sind für seine Herrschaft typisch. Die Darstellungen auf der Rückseite beziehen sich häufig auf Rom und adressieren Anliegen der römischen Bevölkerung.
Galba, 68-69. Sesterz, Rom, August bis September 68. Rv. LIBERTAS – PVBLICA / S-C Libertas mit Pileus und Szepter n. l. stehend. RIC 309. Hellbraune Tönung. Gutes sehr schön / Sehr schön. Taxe: 1.250 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 117.
So wird die Göttin Roma häufig dargestellt genauso wie die Bürgerkrone aus Eichenlaub, die demjenigen verliehen wurde, der das Leben römischer Bürger gerettet hatte. Schon Augustus hatte diese Ehrung gerne auf Münzen dargestellt, um daran zu erinnern, dass er den Bürgerkrieg beendete. Wir finden Anspielungen auf die Getreideversorgung der Stadt und auf die Eintracht. Besonders aussagekräftig ist die Darstellung von Libertas, die in ihrer Hand den Pileus hält, jene Filzmütze, die in Rom jedem freigelassenen Sklaven aufgesetzt wurde. Damit spielt Galba darauf an, dass er das römische Volk von der Tyrannei des Nero befreit habe.
Galba, 68-69. Aureus, Rom, Juli 68 bis Januar 69. Rv. SALVS GEN – HVMANI Salus n. l. stehend opfert aus Patera über brennendem Altar, im l. Arm Ruder. RIC 147. Vorzüglich. Taxe: 10.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 135.
Eine Ausnahme sind die Münzen mit der Aufschrift Salus Generis Humani (= das Heil des Menschengeschlechts). Dabei handelt es sich wohl um einen geheiligten, gegen Nero gerichteten Schlachtruf, wie ihn die Legionen des Westens in ihrem Kampf benutzten.
CLODIUS MACER. Denar, Nordafrika, 68. L CLODI MACRI / SC Büste der Victoria n. r. Rv. LIB AVG Legionsadler zwischen zwei Standarten, darunter LEG – III RIC 15. Eine der großen Seltenheiten der römischen Münzprägung: Weniger als 10 Stücke dieses Typs sind bekannt. Vorzüglich. Taxe: 25.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 87.
Im gleichen Monat, in dem sich Galba in Spanien als Gegenkandidat zu Nero in Stellung brachte, begann Clodius Macer, der kaiserliche Legat für die Provinz Afrika, einen weiteren Aufstand gegen Nero. Viel wissen wir darüber nicht, aber es dürfte relativ sicher sein, dass Galba mit Macer nicht zusammenarbeitete. Im Gegenteil: Macers Ermordung im Oktober des Jahres 68 soll auf Befehl von Galba geschehen sein.
Alle Münzen Macers gehören zu den großen Seltenheiten der römischen Numismatik. Er scheint nämlich nur extrem wenig geprägt zu haben, und zwar ausschließlich Denare. So sind uns verhältnismäßig wenig Stempel überliefert.
Dieser Typ ist in weniger als 10 Exemplaren bekannt. Er ist der Legio III Augusta gewidmet. Dabei handelt es sich um eine in Numidien stationierte Legion, die Macer während seines Aufstands unterstützte.
Galba, 68-69. Aureus, Juli 68 bis Januar 69. Rv. Galba in voller Rüstung hoch zu Ross erhebt die rechte Hand im Sprechgestus. RIC 227. Fast vorzüglich. Taxe: 5.000 CHF. Aus Sammlung Montagu. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 151.
Auch wenn Galba sich auf diesem Aureus als das Idealbild eines Soldatenführers darstellt – im Gestus der Ansprache, voll gerüstet, hoch zu Ross –, wurde ihm sein fehlendes Einfühlungsvermögen gegenüber den Legionären zum Verhängnis. Und dabei hätte Galba eigentlich die optimalen Voraussetzungen gehabt, um den Beifall der Soldaten zu gewinnen. Er hatte schließlich viele Jahre lang im Feld gestanden und Legionen befehligt. Doch sein Ruf beruhte eher auf seinem Beharren auf Disziplin als auf seiner Großzügigkeit. So vergaß Galba, dort zu belohnen, wo eine Belohnung angemessen war. Und die Strafen, die er verhängte, schienen vielen unangemessen hoch.
Statt auf sein Heer konzentrierte sich Galba darauf, die Staatskasse zu sanieren. Er versuchte die 2,2 Milliarden Sesterzen, die von Nero verschenkt worden waren, wieder einzutreiben. Das Orakel von Delphi zum Beispiel musste die 40.000 Sesterzen, die es von Nero bekommen hatte, zurückgeben. Mit solchen Maßnahmen machte man sich natürlich keine Freunde!
Vitellius, 69. Aureus, Juli 68 bis Januar 69. Rv. LIBERTAS – RESTITVTA Libertas mit Szepter und Pileus n. r. RIC 104. Fast vorzüglich. Taxe: 10.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 163.
Das Blatt wendete sich für Galba am 1. Januar des Jahres 69, als alle Legionen aufgerufen waren, in einer feierlichen Zeremonie den Eid auf den Kaiser zu erneuern. Die römische Rheinarmee weigerte sich. Die Legionäre waren aufgebracht darüber, dass Galba sie für ihre Unterstützung des Aufstands nicht angemessen belohnt hatte. Aulus Vitellius, Kommandant der Truppen der Germania Inferior nutzte die Situation und ließ sich am 2. Januar 69 in Köln zum Kaiser ausrufen. Er zog große Teile der Truppen, die eigentlich die Provinz vor einem Einfall der Bataver hätten bewahren sollen, ab, um mit ihnen nach Rom zu marschieren und dort die Kaiserwürde einzufordern.
Otho, 69. Aureus. Rv. SECVR-I-TAS PR Securitas mit Szepter und Kranz n. l. stehend. RIC 7. Sehr schön. Taxe: 5.000 CHF. Aus der Galba Collection, Auktion Hess-Divo 333 (30. November 2017), Nr. 154.
Sobald man in Rom davon hörte, war klar, dass Galba einen Nachfolger würde ernennen müssen. Er selbst hatte in Rom zu tun, und er brauchte einen loyalen Stellvertreter, der für ihn gegen Vitellius ziehen sollte. Viele machten sich Hoffnungen. Doch die wurden enttäuscht. Galba wählte keinen seiner Unterstützer, sondern ein Mitglied einer alten republikanischen Familie, die jedem Kenner der republikanischen Münzprägung nur zu bekannt ist: Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus.
Einer der Enttäuschten reagierte. Marcus Salvius Otho sammelte all diejenigen um sich, die ebenfalls von dem sparsamen, altväterlich regierenden Galba genug hatten. Er erhielt die Unterstützung der Prätorianer, die sich von ihm höhere Geldgeschenke erwarteten. Eine Legion von Marinesoldaten, die von Galba zu hart bestraft worden war, schloss sich ihnen an. Und damit war das Ende eigentlich vorherzusehen.
Galba ließ sich von der Stärke der feindlichen Truppe überraschen. Er versuchte den Kampf aufzunehmen. Eine Fehlentscheidung. Galba, der sich in einer Sänfte in den Kampf hatte tragen lassen, wurde von der Übermacht auf dem römischen Forum getötet.
Sein Nachfolger Otho regierte selbst nur drei Monate lang. Er kam im Kampf gegen Vitellius ums Leben, der es immerhin bis zum 20. oder 21. Dezember schaffte, als die Truppen des Vespasian Rom eroberten.
Damit endete das ereignisreiche Jahr 69 n. Chr. Es ist als das Vierkaiserjahr in die römische Geschichte eingegangen.
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