Ein numismatisches Relikt aus dem Piemontesischen Bürgerkrieg
Christine Marie, die Frau im Hintergrund neben dem Fürsten Karl Emanuel II., wurde am 10. Februar des Jahres 1606 geboren. Ihr Vater war König Heinrich IV. von Frankreich, eben der ursprünglich kalvinistische Herrscher, dem Paris eine Messe wert gewesen war. Als Christine Marie geboren wurde, war er bereits französischer König. Und für königliche Töchter hieß es nun mal früh heiraten. So ehelichte Christine Marie an ihrem dreizehnten Geburtstag Viktor Amadeus I., den Erbprinzen des Herzogs von Savoyen.
Savoyen war damals zwar nicht allzu groß, aber ein durchaus wichtiger Staat im zentraleuropäischen Machtgefüge. Während der Kriege zwischen Spanien und Frankreich um das reiche Italien hatte sich Savoyen als Zünglein an der Waage etabliert. Sein großes und gut organisiertes Heer machte es zu einem umworbenen Verbündeten. Karl Emanuel I., Großvater des auf dieser Münze abgebildeten Fürsten, hatte die zweite Tochter des spanischen Herrschers Philipps II. geheiratet. Und seinen Sohn, Viktor Amadeus I., verheiratete er mit niemandem Geringeren als der zweiten Tochter des Königs von Frankreich, mit Christine Marie.
Doch die Franzosen machten sich schnell in Savoyen unbeliebt. Karl Emanuel hatte gehofft, sein Reich zu einer Großmacht ausbauen zu können. Richelieu hatte dem im Namen des französischen Königs einen Riegel vorgeschoben und 1630 Savoyen erobert. Im gleichen Jahr starb Viktor Amadeus und hinterließ seinem Sohn die schwere Aufgabe, die vollständige Unabhängigkeit Savoyens zurückzugewinnen.
Dies gelang Viktor Amadeus in den sieben Jahren seiner Herrschaft nicht. Als er 1637 starb, hinterließ er zwei kleine Söhne im Alter von sechs und vier Jahren sowie seine trauernde Witwe Christine Marie, die sich sofort einer Verschwörung gegenüber sah.
Christine Marie von Frankreich als Minerva. Ölgemälde von Charles Dauphin um 1630. Quelle: Wikipedia.
Viktor Amadeus hatte nämlich zwei Brüder: Moritz und Thomas von Savoyen; und die fürchteten, eine Schwester des französischen Königs würde als Regentin des minderjährigen Herzogs von Savoyen das Land endgültig in die Abhängigkeit von Frankreich führen. Als 1638 der ältere Thronerbe starb und der nun fünfjährige Karl Emanuel II. zum savoyischen Herzog wurde, zettelten sie mit spanischer Unterstützung einen Aufstand an, der als Piemontesischer Bürgerkrieg (1638-1642) in die Geschichte eingehen sollte. Principisti, Unterstützer der Prinzen, nannten sich die Aufständischen, madamisti, Unterstützer von Madama Reale, die Anhänger Christine Maries.
Doch Moritz und Thomas hatten auf das falsche Pferd gesetzt. Immerhin befinden wir uns zeitlich gesehen mitten im Dreißigjährigen Krieg, in dem auch Spanien und Frankreich kräftig mitmischten. Zwar gelang es den Brüdern, erste Erfolge zu erzielen; so konnte Thomas in die Festung von Turin eindringen. Das führte zu der Doppelbelagerung von Turin im Jahr 1640: Französische Truppen hielten die Zitadelle und wurden von spanischen Truppen unter Thomas von Savoyen belagert, die ihrerseits von französischen Truppen außerhalb Turins umzingelt waren.
Allerdings waren die Aufständischen auf spanisches Geld angewiesen wie viele andere Kriegsparteien. Doch 1639 fand die spanische Vormacht auf dem Meer in der Seeschlacht bei Downs ein jähes Ende. Aufstände in Katalonien und Portugal banden die spanischen Ressourcen. Und 1640 stellte der Hof in Madrid alle finanziellen Hilfen an ausländische Fürsten ein. Eine bedrohliche Situation für die Aufständischen! Über den jungen Mazarin führte Thomas von Savoyen bereits erste Friedensverhandlungen; doch am 27. Februar 1641 erneuerte er plötzlich seinen Vertrag mit Spanien und nahm den Krieg wieder auf.
Dieses spektakuläre 10-Écu-Stück wird am 28. November 2012 bei Numismatica Genevensis versteigert. Sein Ausrufpreis beträgt 150.000 Franken.
In dieser Situation ließ Christine Marie von Frankreich im Jahr 1641 das bei Numismatica Genevensis angebotene 10-Écus-Stück in Gold herausgeben, das auf der Vorderseite ihren 7-jährigen Sohn zeigt. Sie ist als die Regentin links von ihm, im Hintergrund etwas kleiner dargestellt. Die Aufschrift lautet CAR(oli) EMAN(ueli) DVCE SAB(audiae) – CHR(istina) Fran(ciae), also übersetzt Christina von Frankreich, im Namen des Herzogs von Savoyen Karl Emanuel. Die Rückseite präsentiert den gesamten Stolz des Hauses, das Wappen Savoyens, auf dem all die Herrschaften dargestellt sind, wo Karl Emanuel II. (zumindest nominell) als Staatsoberhaupt agierte.
Zweck einer solchen Münze war es, sie als Geschenk an potentielle Unterstützer zu benutzen. Gabe und Gegengabe oder Gabe und Dienst waren wichtige Werkzeuge in der Diplomatie des 17. Jahrhunderts. Die kluge Christine Marie garantierte mit ihrem Titel als Tochter Frankreichs, der ihr als leibliches Kind eines Königs von Frankreich zustand, für die Stabilität der Herrschaft ihres noch unmündigen Sohnes und für die fortwährende Unterstützung durch Frankreich.
Solche Münzen mögen an all diejenigen geschickt worden sein, die wichtig waren im Piemontesischen Erbfolgekrieg. Die Bande zwischen Regentin und Anhängern wurde durch den Austausch solcher Geschenke gestärkt.
Allerdings war dieses vorsichtige Taktieren gar nicht mehr notwendig. Die aufständischen Brüder hatten begriffen, dass nicht viel Chancen auf einen Sieg bestanden. Also raufte sich die Familie wieder zusammen. Am 14. Juni 1642 wurde der Friedensvertrag unterschrieben. Christine ernannte Thomas zum Oberkommandierenden ihrer Truppen und verheiratete Moritz mit ihrer Tochter.
Karl Emanuel II. blieb Herrscher und das unter der Regentschaft seiner Mutter Christine Marie. Die manövrierte ihr Herzogtum vorsichtig zwischen Frankreich und Spanien. Sie blieb auch im Amt, nachdem ihr Sohn volljährig geworden war. Erst der Tod seiner Mutter zwang Karl Emanuel, die Regierungsgeschäfte selbst zu führen.
Die Vorschau der Auktion Numismatica Genevensis, in der dieser prächtige Écu versteigert wird, finden Sie übrigens hier.