alle News

Wunderwelt Insekten mit Fehldruck: Der verrutschte Hirschkäfer

von Sebastian Wieschowski

Bei der Sichtung seiner prägefrischen Fünf-Euro-Münzen aus der Serie „Wunderwelt Insekten“ konnte der Münzensammler Thomas Egeler zuerst seinen Augen nicht trauen: In drei Rollen tauchten gleich mehrere Exemplare des Hirschkäfers mit einem offensichtlichen Fehldruck auf – die Farbenbracht des Insekts war verrutscht.

Inhalt

Dezentrierter Fehldruck: Bei diesem Exemplar ist die matte Oberfläche der Körperteile des Insekts, die eigentlich bedruckt werden sollten, gut zu erkennen. Foto: Thomas Egeler.

Dezentrierter Fehldruck: Bei diesem Exemplar ist die matte Oberfläche der Körperteile des Insekts, die eigentlich bedruckt werden sollten, gut zu erkennen. Foto: Thomas Egeler.

Egeler machte sich auf die Suche nach weiteren Informationen – und stellte kurz darauf fest, dass er offenbar nicht der einzige Finder dieser numismatischen Kuriosität ist, denn ein ähnliches Exemplar wurde in einer Online-Auktion für 49 Euro angeboten: Mindestens ein Händler hatte ebenfalls welche in einer Rolle gefunden: „Derzeit sind insgesamt 33 Münzen mit diesem Fehldruck bekannt“, resümiert Egeler. Und damit nicht genug: Inzwischen wird in einer Online-Auktion sogar ein Hirschkäfer ganz ohne Farbauftrag angeboten. Kostenpunkt: 299 Euro – ein stattlicher Wertzuwachs im Vergleich zum Nennwert von fünf Euro.

Nun machen also die Insekten-Münzen mit Farbapplikation wieder Schlagzeilen – bereits im Jahr 2023 fielen einzelne Exemplare der „Rostroten Mauerbiene“ durch einen Knick in der Optik auf, genauer gesagt: Die Farbe löste sich. Es schien, als sei die Farbe nicht richtig getrocknet. Zahlreiche große Münzhandelshäuser hatten damals gegenüber der MünzenWoche dieses Problem bestätigt und einen Teil ihrer Münzen reklamiert, dem Vernehmen nach war bei mehreren Unternehmen ein Viertel bis ein Drittel der gelieferten Menge betroffen. Ein Versandhändler entdeckte die Qualitätsmängel sogar als Verkaufsargument und gab eine „Qualitätsgarantie“ für die „geprüften Exemplare“.

Oberflächenspiegelung verwirrt Druckmaschine

Ein solches Ausmaß erreicht das neuerliche Problem beim Farbauftrag auf den Münzen der Serie „Wunderwelt Insekten“ offenbar nicht – und es offenbart wissenswerte Einblicke in die Produktion von Münzen mit Farbapplikationen: „Die Münzen werden zunächst wie gewöhnliche Münzen geprägt und anschließend im Digitaldruckverfahren bedruckt“, erklärt Reinhard Riffel vom Bayerischen Hauptmünzamt gegenüber der MünzenWoche. Das Bedrucken läuft größtenteils automatisiert ab: „Während des Herstellungsprozesses kann es vereinzelt vorkommen, dass das Kamerasystem aufgrund starker Oberflächenspiegelung die Position der Münze falsch erkennt und der Druck so verrutscht“, sagt Riffel.

Eine solche Abweichung komme aber selten vor und werde im Produktionsprozess aussortiert und beim Verpacken nochmal kontrolliert. „Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelte Exemplare sowohl in der maschinellen als auch manuellen Kontrolle durchgerutscht sind“, resümiert Riffel. Er geht von einer sehr geringen Menge, die sich im Bereich „ppm“ bewegt – bei einer Auflage im Millionenbereich dürften also nur einzelne Stücke betroffen sein.

Fehldruck Deluxe: Hier fehlt ein Teil des Beines. Foto: Thomas Egeler.

Fehldruck Deluxe: Hier fehlt ein Teil des Beines. Foto: Thomas Egeler.

Farbauftrag ist technisch durchaus anspruchsvoll

Im Gespräch mit der MünzenWoche macht Reinhard Riffel deutlich, dass das Bedrucken auf ausgeprägten Münzen technisch durchaus anspruchsvoll ist, vor allem in der Massenfertigung: „Bei anderen Münzen mit Farbdruck, z. B. die wirklich gelungene 25-Cent-Münze aus 2024 von den Bahamas, wird im Bereich der Kolorierung kein Motiv vorgeprägt, sondern eine ebene und einfache Fläche im Bereich der Farbapplikation geprägt, so dass beim Drucken dann etwas Spiel für die Position vorhanden ist“, erklärt Riffel.

Auf dieser 25-Cent-Münze von den Bahamas (2024) und einer Dollar-Münze aus Kanada (2022) wird deutlich, dass bei der Position des Drucks durchaus etwas

Auf dieser 25-Cent-Münze von den Bahamas (2024) und einer Dollar-Münze aus Kanada (2022) wird deutlich, dass bei der Position des Drucks durchaus etwas „Spiel“ eingeplant ist, damit leichte Dezentrierungen des Drucks nicht negativ auffallen. Fotos: Reinhard Riffel / Bayerisches Hauptmünzamt

Während der dezentrierte Druck bei den Insekten-Münzen aus Sicht der Produktionsstätte also selten, aber durchaus nachvollziehbar ist, nimmt der Vertreter des Bayerischen Hauptmünzamt die gänzlich unbedruckte Münze mit Verwunderung zur Kenntnis – dass die Münze an der Kolorierung vorbei in die Verpackung gelangt, von dort auf regulärem Weg zur Bundesbank gekommen ist und dann so von der Bundesbank ausgegeben wurde, hält Reinhard Riffel für eher unwahrscheinlich.

Bei unbedruckten Hirschkäfer-Münzen ist eine feine Oberflächenstruktur deutlich zu erkennen. Foto: Reinhard Riffel / Bayerisches Hauptmünzamt.

Bei unbedruckten Hirschkäfer-Münzen ist eine feine Oberflächenstruktur deutlich zu erkennen. Foto: Reinhard Riffel / Bayerisches Hauptmünzamt.

Farbmünze ohne Farbe – wie ist das passiert?

Es drängt sich also die Frage auf, wie es zu diesem Fehldruck – oder besser gesagt „Nicht-Druck“ kam. Wurde die Farbe nachträglich entfernt? Die Oberfläche sieht auffällig gleichmäßig aus. Diese Struktur könnte theoretisch dadurch entstehen, dass die Münze mit einem feinen Polierstrahlsand bearbeitet wurde.

Noch dramatischer wäre der Verdacht, dass die Münze eventuell vor der Kolorierung im Prägeprozess abhandengekommen sein könnte. In den vergangenen Jahren sind immer wieder vereinzelte Fehlprägungen im Münzhandel aufgetaucht, die sich mit herkömmlichen Methoden nicht erklären lassen, beispielsweise das Motiv einer Ein-Euro-Münze auf einem 50-Cent-Rohling oder ein Ein-Euro-Rohling mit Motiven aus zwei verschiedenen Euro-Ländern. Stets werden diese äußerst exotischen Einzelstücke zu hohen Preisen im drei- oder gar vierstelligen Bereich angeboten – ob sie jemals einen Käufer finden, ist fraglich.

Auf die Randschrift kommt es an: Mal ist die Schrift zum Motiv lesbar....

Auf die Randschrift kommt es an: Mal ist die Schrift zum Motiv lesbar….

Fehlprägungen – je exotischer, desto höher die Wert-Phantasie

Wie der farblose Hirschkäfer entstanden ist, lässt sich also mit letzter Gewissheit nicht sagen. Reinhard Riffel vom Bayerischen Hauptmünzamt rät zur Vorsicht beim Kauf von hochpreisigen Fehlprägungen. Zudem ist es fraglich, ob Fehlprägungen in diesem hohen Preissegment überhaupt erfolgreich verkauft werden – immerhin hat die dezentriert bedruckte Insekten-Münze per Sofortkauf zum Preis von 49,90 Euro einen Käufer gefunden.

... und mal zum Motiv kopfstehend. Fotos: Thomas Egeler.

… und mal zum Motiv kopfstehend. Fotos: Thomas Egeler.

Übrigens ist Sammler Thomas Egeler bei der nochmaligen Durchsicht seiner Fehldruckmünzen ein weiteres Detail aufgefallen: Offenbar gibt es zwei verschiedene Lesarten der Randschrift: „Von den Münzen mit der Schrift zum Motiv lesbar besitze ich 7 Stück und von denen mit Schrift zum Motiv kopfstehend 14“, berichtet Egeler. „Die Münzen beziehungsweise Ronden werden als Charge zuerst randbeschriftet und anschließend als Charge geprägt. Bei der Zuführung der randbeschrifteten Ronden in die Prägemaschine wird nicht auf die Richtung der Randschrift geachtet, so dass es immer zwei Varianten jeder randbeschrifteten Münze gibt“, erklärt Reinhard Riffel vom Bayerischen Hauptmünzamt. Dank Fehlprägungen und Fehldrucken hält das Münzensammeln also immer wieder Überraschungen bereit.

Nichts mehr verpassen?

NEWSLETTER HIER ABONNIEREN