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Die ersten Jahre der tschechoslowakischen Münzprägung

Am 14. Mai versteigert SINCONA eine beeindruckende Sammlung von tschechoslowakischen Proben. Darunter befindet sich eine nur in zwei Exemplaren existierende Probe zum Wenzelsdukat sowie das Exemplar des Wenzelsdukaten, das Staatspräsident Mazaryk der Familie des ermordeten Finanzministers Rašín überreichte.

Inhalt

Hintergrund: Kremnica. Foto: Lukkon / CC BY-SA 4.0.

Hintergrund: Kremnica. Foto: Lukkon / CC BY-SA 4.0.

Am 28. Oktober 1918 wurde in Prag der neue tschechoslowakische Staat ausgerufen; am 25. Februar 1919 folgte schon Gesetz Nr. 84, das die Umstellung des Währungssystems regelte. Geplant war ein völlig unabhängiges tschechoslowakisches Nominalsystem, bei dessen Herstellung es allerdings erst einmal Schwierigkeiten gab.

Die Münzstätte Kremnica im Jahr 1920

Zwar verfügte die junge tschechoslowakische Republik mit der Münzstätte Kremnica über die älteste Münzstätte Europas, die seit Erteilung ihres Privilegs von 1328 an derselben Stelle prägt. Aber das Gebäude war praktisch leer geräumt. Nach dem Ersten Weltkrieg musste nämlich Ungarn die Slowakei aufgeben. Kremnica, vorher die wichtigste ungarische Münzstätte, kam so zur Tschechoslowakei, und die ungarischen Behörden beschlossen, alle Maschinen, alles Edelmetall nach Budapest zu überführen. Auch die meisten Techniker und Verwaltungsbeamten verließen Kremnica.

Eingang zur Münzstätte Kremnica auf einem Foto von 1961. Foto: CC-BY-3.0 / FORTEPAN / Gyöngyi. Münze: Sincona, Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 2010, Nr. 2010.

Eingang zur Münzstätte Kremnica auf einem Foto von 1961. Foto: CC-BY-3.0 / FORTEPAN / Gyöngyi. Münze: Sincona, Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 2010, Nr. 2010.

Es war ein Glück, dass schnell ein erfahrener Münzmeister engagiert werden konnte. Er hieß Dimitrije Petrović, stammte aus Serbien und war einer der gewieftesten Unternehmer, die je die Wiener Münzstätte geleitet hatten. Er hatte der Monnaie de Paris Stück für Stück ihr Auslandsgeschäft abgenommen, weil die Wiener – ganz im Gegensatz zu den Franzosen – den Ruf besaßen, fristgetreu hervorragende Qualität zu einem fairen Preis zu liefern. Dimitrije Petrović machte aus dem Wiener Hauptmünzamt eine Cash Cow, die dem k. und k. Finanzministerium jedes Jahr einen saftigen Überschuss ablieferte.

Der Münzstättenkomplex in Kremnica von oben gesehen. Foto: Izmaelt, 2009.

Der Münzstättenkomplex in Kremnica von oben gesehen. Foto: Izmaelt, 2009.

Doch nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Untergang des Habsburger Vielvölkerstaates wurden alle nicht aus dem neuen österreichischen Staatsgebiet stammenden Beamten entlassen, auch der in der Vojvodina geborene Petrović. Für die Tschechoslowakei war das ein Geschenk des Himmels: Sie verpflichteten ihn und andere erfahrene Ingenieure für die Wiederinbetriebnahme der Münzstätte Kremnica.

Petrović kannte die Maschinenbauer Europas und besaß ihr Vertrauen. Wir wissen, dass ihm bereits 1921 der belgische Maschinenbauer Ruskin vier Prägepressen lieferte. 1922 folgten weitere Pressen, hergestellt vom deutschen Spezialisten Schuler in Göppingen.

Tschechoslowakei. Probe in Silber zu 5 Sokol 1920, Kremnica. Stempel von Otakar Španiel. Äußerst selten. NGC MS62. Taxe: 25.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1980.

Tschechoslowakei. Probe in Silber zu 5 Sokol 1920, Kremnica. Stempel von Otakar Španiel. Äußerst selten. NGC MS62. Taxe: 25.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1980.

Auf welcher Presse diese Probe in Silber von 1920 hergestellt wurde, wissen wir nicht. Der Stempel stammt von Otakar Španiel, ein Name, dem wir noch anderweitig begegnen werden. Španiel war seit 1919 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Prag und arbeitete immer wieder für die Münzstätte.

Bemerkenswert ist der Name des Nominals: Vor der endgültigen Festlegung auf die Krone wurden nämlich noch andere Namen für das neue Nominal diskutiert. Im Gespräch war in Anlehnung an das eng verbündete Frankreich der Francs, aber auch die Griwna, jene alte russische Einheit, die seit 1918 in der kurzlebigen Westukrainischen Volksrepublik umlief. Unsere Probe nennt als Währungseinheit den Sokol, das tschechische Work für Falke. Die gleichnamige Turnbewegung Tschechiens hatte mit ihren panslawistischen Idealen den tschechoslowakischen Staat vorbereitet.

Tschechoslowakei. Probe in Kupfer-Nickel zu 20 Halér 1921, Kremnica. Stempel von J. Cejka, J. Reisner. Äußerst selten. NGC MS62. Taxe: 5.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1986.

Tschechoslowakei. Probe in Kupfer-Nickel zu 20 Halér 1921, Kremnica. Stempel von J. Cejka, J. Reisner. Äußerst selten. NGC MS62. Taxe: 5.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1986.

Bereits im Januar 1921 wurde mit der Prägung von Umlaufmünzen begonnen. Als erstes wurden die 20 Heller-Stücke geprägt. Eine Alternative zu dem später realisierten, von Otakar Španiel geschaffenem Motiv zeigt diese Probe, die Sincona ebenfalls im Rahmen der Auktion anbieten kann.

Tschechoslowakei. Nummeriertes Exemplar „2“ des Dukaten 1923, Kremnica. Nur 1.000 Stücke geprägt. Dieses Exemplar übergeben an die Familie des ermordeten Finanzministers Alois Rašín. NGC MS66. Taxe: 40.000.- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1991.

Tschechoslowakei. Nummeriertes Exemplar „2“ des Dukaten 1923, Kremnica. Nur 1.000 Stücke geprägt. Dieses Exemplar übergeben an die Familie des ermordeten Finanzministers Alois Rašín. NGC MS66. Taxe: 40.000.- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1991.

Der Wenzelsdukat für Alois Rašín

Das wohl bemerkenswerteste Stück der ganzen Serie ist der Wenzeldukat von 1923 mit der Seriennummer 2, denn wir wissen, an wen er übergeben wurde. Er kann mit dem Finanzminister Alois Rašín in Verbindung gebracht werden, der als Vater des Wenzelsdukaten gilt.

Wahrscheinlich brachte auch Dimitrije Petrović seine Erfahrungen bei der Entwicklung mit ein. Schließlich produzierte die Wiener Münzstätte traditionell Handelsmünzen in Gold und Silber. Auf jeden Fall gelang es, die Rechtsprechung mit Gesetz Nr. 62/1923, §4 so anzupassen, dass eine Emission möglich wurde. Die neuen Dukaten waren aber nicht als offizielles Zahlungsmittel geplant, sondern als eine Handelsmünze, also in etwa das, was wir heute Bullionmünze nennen würden. Der beabsichtigte Zweck war der gleiche: Wer einen inflationssicheren Spargroschen zurücklegen wollte, sollte Wenzelsdukaten kaufen.

Für die Darstellung verantwortlich zeichneten der Maler Jaroslav Benda und der uns schon bekannte Otakar Španiel. Ihr Münzbild zeigt auf der Vorderseite den doppelschwänzigen Böhmischen Löwen, der auf der Brust einen kleinen Schild mit dem slowakischen Wappen trägt. Auf der Rückseite sehen wir ein Brustbild des hl. Wenzel mit Standarte und dem Adlerschild der Přemysliden. Die Signaturen der Künstler sind unten rechts und links neben dem Heiligen zu sehen.

Detailaufnahme von Tschechoslowakei. Nummeriertes Exemplar „2“ des Dukaten 1923, Kremnica.

Detailaufnahme von Tschechoslowakei. Nummeriertes Exemplar „2“ des Dukaten 1923, Kremnica.

Wir sehen aber nicht nur die Signaturen, sondern auch eine kleine Zahl, in unserem Fall eine 2. Die ersten 1.000 Exemplare der Emission wurden nämlich nummeriert und ein Teil von ihnen zu einem Vorzugspreis in Höhe von 150 CZK an hohe Amtsträger abgegeben.

Die ersten drei Stücke mit den Nummern 1, 2 und 3 erwarb Staatspräsident Mazaryk. Die Nummer 1 schenkte er dem Tschechoslowakischen Nationalmuseum in Prag.

Die Nummer 2 – also das hier vorliegende Stück – übergab er der Familie des am 18. Februar 1923 ermordeten Finanzministers Alois Rašín. Das war eine angemessene Würdigung. Rašíns letzte Amtshandlungen als Finanzminister, die er quasi auf dem Totenbett getroffen hatte, war die Genehmigung der endgültigen Entwürfe für den Wenzelsdukaten gewesen.

Die Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus von Alois Rašín; sie erinnert auch daran, dass er direkt vor seiner eigenen Tür ermordet wurde. Foto: Luděk Kovář, cc-by 3.0.

Die Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus von Alois Rašín; sie erinnert auch daran, dass er direkt vor seiner eigenen Tür ermordet wurde. Foto: Luděk Kovář, cc-by 3.0.

Übrigens, wir wissen auch wer die anderen Stücke erhielt: 4 bis 24 gingen an die Regierungsmitglieder und den Präsidenten der Nationalversammlung, 25 bis 431 an die Mitglieder der Nationalversammlung, 432 bis 462 an Regierungsmitglieder und der Bankenausschuss. Ab Nummer 463 konnten Privatpersonen für 300 CZK die Münzen erwerben; schon damals gab es in der Tschechoslowakei viele begeisterte Münzsammler, die es vorzogen, so ein besonderes Stück zu besitzen statt einen „normalen“ Dukaten ohne Seriennummer, auch wenn der „nur“ 120 CZK kostete.

Tschechoslowakei. Probe in Gold zum Dukat 1923, Paris. Stempel von J. Sejnost. Nur 3 Stücke geprägt, nur 2 Stück auf dem Markt erhältlich! NGC PF63 MATTE. Taxe: 100.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1988

Tschechoslowakei. Probe in Gold zum Dukat 1923, Paris. Stempel von J. Sejnost. Nur 3 Stücke geprägt, nur 2 Stück auf dem Markt erhältlich! NGC PF63 MATTE. Taxe: 100.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 1988

Der Wenzelsdukat des Josef Šejnost

Für die Gestaltung des Wenzelsdukaten hatte das Finanzministerium einen Wettbewerb ausgeschrieben. Teilnehmen durften nur Bürger der tschechoslowakischen Republik. Das Thema war mit dem hl. Wenzel festgelegt. In der Jury saß neben bedeutenden Künstlern des Landes der erste Vorsitzende der Tschechoslowakischen Numismatischen Gesellschaft, der bekannte Numismatiker Eduard Fiala. Wie wir schon wissen, entschied sich die Jury unter den 80 anonymisierten Entwürfen für den des Erfolgsduos Benda / Španiel, was den beiden 20.000 CZK einbrachte. Mit diesem Ergebnis war ein anderer, damals sehr bekannter Medailleur unzufrieden. Josef Šejnost hatte sich bereits vor dem 1. Weltkrieg auf Medaillen und Flachreliefs spezialisiert. Er hielt seinen eigenen Entwurf für wesentlich ansprechender und dem Markt leichter vermittelbar, wollte deshalb eine private Alternative zum staatlichen Wenzelsdukat schaffen. Und so trat Josef Šejnost an die Münzstätte Kremnica heran, aus seinem Gold „seine“ Wenzelsdukaten zu prägen.

Doch Kremnica lehnte ab. Deshalb korrespondierte der Künstler über seine Französisch sprechenden Frau mit der Monnaie de Paris. Die prägte für ihn 3 Proben in Gold und 20 in Bronze. Auf dem Markt verfügbar sind heute nur noch 2 Proben, da die Entwürfe und eine Probe vom Sohn des Künstlers in den 1970er Jahren an das Pelhřim-Museum geschenkt wurde.

Tschechoslowakei. 10 Dukaten 1929, Kremnica. Nur 1.327 Stücke geprägt. NGC MS64. Taxe: 20.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 2010, Nr. 2010.

Tschechoslowakei. 10 Dukaten 1929, Kremnica. Nur 1.327 Stücke geprägt. NGC MS64. Taxe: 20.000,- CHF. Aus Auktion 90 (13.-15.5.2024), Nr. 2010, Nr. 2010.

1000 Jahre Martyrium des hl. Wenzel

Übrigens, der hl. Wenzel war keine willkürliche Wahl, sondern Programm. Die junge Republik nutzte die Gestalt des Heiligen, um anlässlich des 1000-Jahr-Jubiläums seines Martyriums ein großes bildermächtiges Fest zu inszenieren. Seit 1922 bereitete sich das ganze Land auf dieses Jubiläum vor, zu dessen Ehren der Prager Veitsdom fertig gebaut wurde. Der Dukat passte also bestens in die Wenzel-Verherrlichung, genauso wie die 5- und 10-fachen Dukaten, die ebenfalls mit dem Bild des hl. Wenzel von Kremnica ab 1929 herausgegeben wurden.

Nur selten kommt ein vergleichbar beeindruckendes Ensemble von frühen Münzen und Proben aus den ersten Jahren der tschechoslowakischen Republik auf den Markt. Versteigert werden die Münzen am Nachmittag des 14. Mai 2024 in Zürich.

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