Die Entstehung des Römischen Kaiserreichs. Ein neues Zeitalter beginnt

Der Mittelpunkt der Welt war Rom, sein Machtzentrum der Senat, und Jupiter thronte weiter auf dem Kapitol – und doch war alles anders. Wie sehr sich das Römische Reich verändert hatte, zeigt sich wie unter einem Brennglas an den Münzen, die der neue Oberbefehlshaber, Imperator Caesar Divi filius (meist nach seinem früheren Namen einfach Octavian genannt), prägen ließ. Sie müssen den Zeitgenossen völlig neuartig vorgekommen sein.

Wie eh und je war die Hauptmünze im römischen Geldverkehr der Denar. Das hier abgebildete Exemplar weist jedoch eine Vorderseitengestaltung auf, wie sie die Römer noch nicht gesehen hatten – jedenfalls nicht auf ihrem eigenen Geld. Wir sehen den Kopf eines jungen Mannes, zum Zeitpunkt der Prägung etwa 35 Jahre alt. Er hat wohlproportionierte, ebenmäßige Gesichtszüge. Sein Profil und die präzise arrangierten Locken erinnern ein wenig an Alexander den Großen. Das Bildnis wirkt insgesamt überzeitlich, geradezu entrückt. Kaum jemand glaubte daran, dass Augustus wirklich so aussah. Der Archäologe Paul Zanker hat dafür den Begriff „Kunstgesicht“ gefunden.

Römisches Reich. Augustus (30 v. Chr.–14 n. Chr.). Denar, ca. 29 v. Chr., Münzstätte unklar. Silber, geprägt; 3,68 g, 22 mm. Foto: American Numismatic Society, Inv. 1957.172.1500.

Das Bildnis war in einem erkennbar neuen Stil formuliert. Derjenige, der es entwarf, war sehr wahrscheinlich kein gebürtiger Römer. Er dürfte aus dem Osten des Imperiums stammen, vielleicht aus Ägypten, Syrien oder auch der kleinen Region Kilikien. Bevor er in die Dienste des Kaisers trat, war er für andere mächtige Männer tätig gewesen, für die er Schmuck, insbesondere Gemmen, herstellte. Die Bildersprache der hellenistischen Könige mit ihrem zu sanfter Idealisierung tendierenden Realismus war ihm tief vertraut. Sein Name war vermutlich Dioskurides, und er war wahrscheinlich mit Julius Caesar nach Rom gekommen. Von Augustus erhielt er den Auftrag, ein Münzbild zu entwerfen, das dessen Herrschaftsideale zum Ausdruck brachte. Er entwarf das Bildnis eines dynamischen und strengen, aber gerechten Herrschers.

In nahezu all seinen Darstellungen pflegte Augustus ein „Image“, nämlich sein idealisiertes, altersloses Bildnis, das ihn als durchsetzungsstarken, aktiven Politiker zeigte. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Statue von Primaporta.

Um 30 v. Chr. war es immer noch etwas Besonderes, wenn ein Römer sich zu Lebzeiten auf einem hoheitlichen Dokument wie einer Münze verewigen ließ. Julius Caesar, der Adoptivvater des Augustus, war u. a. wegen dieser Anmaßung ermordet worden.

Hinzu kam etwas, das gar nicht da war: eine Legende (Umschrift). Auf römischen Denaren war es jahrhundertelang geübte Tradition gewesen, dass eine Schrift die Darstellung umrahmte und erläuterte. Wenn ein Machthaber, beispielsweise ein Feldherr (Imperator), sein Antlitz auf eine Münze setzte, so fühlte er sich stets verpflichtet, seine Ämter, die ihn zu diesem Schritt legitimierten, möglichst ausführlich aufzulisten. Nicht so Octavian. Die Sparsamkeit, mit der auf dieser Münze die Schrift eingesetzt wird, ist unerhört. Erst auf der Rückseite erfährt man den Namen des Prägeherrn: „IMP(erator) CAESAR“. Von den vielen Titeln und Ämtern, die er hätte nennen können, wählte er nur den Titel aus, den er ohnehin bereits als Vornamen angenommen hatte: Imperator.

Die Legende findet sich an prominenter Stelle auf der Rückseite: als Ehreninschrift auf einem Triumphbogen. Dessen Unterbau wurde zugunsten der Darstellung des geehrten Triumphators grotesk verkleinert. Dieser wird dafür so deutlich gezeigt, dass wir zwar nicht seine Gesichtszüge, dafür aber sein Triumphalgewand, die (purpurfarbene) Toga, gut erkennen. Die Zügel der vier Pferde (vermutlich Schimmel), die seinen Wagen ziehen, hält Octavian fest in den Händen. Dieses Münzbild illustriert zunächst einmal allgemein die Sieghaftigkeit dieses Mannes. Die zeitgenössischen Benutzer der Münze hatten jedoch sehr lebhaft den dreifachen Triumphzug vor Augen, den Octavian im Sommer 29 v. Chr. in Rom feiern durfte, nachdem er als Sieger über Marcus Antonius und Kleopatra sowie ihre Verbündeten aus dem Osten zurückgekehrt war. Vielleicht war dieses außergewöhnliche Ereignis auch der konkrete Prägeanlass dieser Münzemission.

Auffällig war zudem der ungewöhnlich große Durchmesser der Münze. Waren die Denare in den letzten Jahrzehnten der Republik immer kleiner und leichter geworden, ließ Augustus diese Münze wieder mit ihrem vollen Gewicht von 1/84 Pfund, also ca. 3,8 g, prägen. Zudem wurde der Durchmesser um 1 bis 2 mm gegenüber dem üblichen Format vergrößert. Nach Jahrzehnten des Krieges, der Unsicherheit und wirtschaftlichen Unruhe – so sprach es aus diesen Münzen – war nun die Stabilität des guten, alten Denars wiederhergestellt.

Diese Zurückhaltung in der Sprache bewirkt gemeinsam mit dem vergrößerten Durchmesser, dass die Bilder umso eindringlicher wirken. Die ganze Konzentration des Betrachters ruht auf dem Gezeigten. Um dies zu ermöglichen, hatten die Münzmeister Weisung erhalten, die Prägung besonders sorgfältig durchzuführen. Während sonst bei den Massenprägungen römischer Denare Fehlprägungen, eingerissene Schrötlinge und dezentrierte Bilder an der Tagesordnung sind, ist die Fehlerquote bei dieser Emission auffallend gering.

Der hier besprochene Denar ist Teil der sogenannten Triumphalserie. Sie umfasst elf verschiedene Denartypen, die verschiedene Avers- und Reversbilder miteinander kombinieren. Ihr Bildprogramm kreist um die Sieghaftigkeit Octavians, der mal als Sohn der Aphrodite, mal als neuer Neptun oder gar Jupiter dargestellt wird. Nicht nur thematisch bildet diese Serie eine Einheit, sondern auch stilistisch. Sie ist die numismatische Umsetzung dessen, was in der Kunst, v. a. der Literatur, als die Augusteische Klassik bezeichnet wird. In diesen überzeitlich wirkungsvollen Münzen eines selbstbewussten Machthabers scheint be­reits etwas hervor, was erst zwei Jahre später, im Jahr 27 v. Chr., umgesetzt wurde. Octavian ließ sich vom Senat antragen, einen neuen Namen anzunehmen: Augustus, der Erhabene. Dieser Denar zeigt, auf welcher ideologischen Grundlage dies fußte.

 

Zum Weiterlesen:

Das numismatische Standardwerk dieser Periode ist C. H. V. Sutherland, The Roman Imperial Coinage (RIC), Bd. 1, London 1984, Nr. 267. Eine nach wie vor empfehlenswerte historische Darstellung ist K. Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit, München 4. Auflage 2002. Kunstgeschichtlich-archäologisch orientiert ist P. Zanker, Augustus und die Macht der Bilder, München 5. Auflage 2009.

 

Der Artikel ist mit freundlicher Genehmigung des Autors dem Buch „Runde Geschichte“ entnommen.

Eine Vorstellung dieses Buchs lesen Sie hier.

Mehr zum Thema Porträts auf Münzen lesen Sie in unserer umfangreichen Serie „Menschengesichter“.