Empire
Empire – so nennen Kunsthistoriker eine Epoche, in der Künstler und Handwerker sich an der Antike orientierten. Sie fällt zeitlich zusammen mit der Herrschaft Napoleons und wird in die Jahre zwischen 1799 und 1815 gesetzt. Man sollte das Empire nicht mit dem Klassizismus verwechseln. Während der Klassizismus ein gesamteuropäisches Phänomen war, das sich hauptsächlich an der griechischen Antike orientierte, hängt die Stilrichtung des Empire mit der Expansion Frankreichs zusammen. Deshalb wird im Empire genauso gerne ägyptische wie römische Kunst nachgeahmt. Wichtig ist dabei vor allem eines: Empire wurde systematisch dafür eingesetzt, um das Gegenüber zu beeindrucken. Es sollte dem Betrachter signalisieren, dass Napoleon, seine Familie und seine Vertreter in der Tradition der mächtigen Herrscher der Antike standen und sie an Einfluss sogar noch zu übertreffen wussten.
Die kleine Schwester des großen Napoleon
Menschen mit ihrer Schönheit zu beeindrucken, das verstand die als Paoletta Buonaparte im Jahr 1780 auf Korsika geborene Herzogin von Guastalla durchaus. Noch heute können Besucher der Villa Borghese sich eine Vorstellung ihrer Schönheit machen: Der Bildhauer Antonio Canova verewigte sie nackt als Venus Victrix.
Napoleon Bonaparte setzte seine kleine Schwester Pauline für seine Zwecke ein. 1797 verheiratete er die gerade 17jährige mit einem befreundeten General, den er vier Jahre später nach Saint-Domingue schickte, um dort den Sklavenaufstand niederzuschlagen. Pauline begleitete ihren Mann und kehrte mit seinem Leichnam zurück – auch Leclerc war wie mehr als 25.000 seiner Männer ein Opfer des Gelben Fiebers geworden. Noch vor Ablauf des damals üblichen Trauerjahres verheiratete sie Napoleon mit einem Mitglied des römischen Hochadels, mit Camillo Borghese.
Ob es eine dieser Hochzeiten war, die Napoleon veranlassten, einen ganz besonderen Schmuck für Pauline herstellen zu lassen? Wir wissen es nicht, genau wie uns der letzte Beweis fehlt, dass das goldene Collier und das Armband tatsächlich für Pauline angefertigt wurde.
Paulines Liebe zur Antike
Pauline wäre auf jeden Fall begeistert gewesen von diesem Geschenk. Sie liebte es, sich à la grecque zu kleiden, wie es damals in Paris Mode war. Dazu gehörten Hemdkleider aus fast durchsichtigem Musselin mit einer hoch angesetzten Taille und einem freizügigen Dekolleté. Solche Kleider enthüllten mehr als sie verbargen. Schüchterne Frauen trugen deshalb fleischfarbene Trikots darunter. Pauline nicht. Das hatte sie nicht nötig. Wie andere modebewusste Frauen kombinierte sie diese Kleidung mit antikem Schmuck oder Schmuck nach antiker Manier.
Wir wissen, dass Pauline unter anderem ein Diamant-Collier mit eingesetzten Gemmen, die Porträts römischer Kaiser zeigten, besaß sowie einen aus Mäandern zusammengesetzten Gürtel mit einer Gemme als Schnalle und einen Kamm, der mit sieben antikisierenden Gemmen besetzt war. Das goldene Collier und das dazu gehörige Armband, die bei Künker angeboten werden, hätten wunderbar in ihren Schmuckkasten gepasst.
Eine Femme Fatale?
Pauline – liebevoll von ihren Verwandten Paulette genannt – muss eine sehr unabhängige Frau gewesen sein. Sie heiratete zwar brav die Männer, die ihr Bruder ihr verordnete, aber treu soll sie ihnen nicht geblieben sein, auch wenn sicher nicht alle Geschichten, die über sie kursieren, der Wahrheit entsprechen.
Bleiben wir also bei den Tatsachen, für die wir Zeugnisse haben. Pauline war auffallend schön, das zeigen alle ihre Bilder. Und sie war stolz auf ihren Körper. Wie sonst wäre sie auf die Idee gekommen, nackt für Antonio Canova zu posieren? Der galt als „der“ Bildhauer. Er soll den großen Künstlern der Antike nicht nur gleich gekommen sein, sondern sie übertroffen haben. Seine Venus Victrix löste einen Skandal aus. Dass eine Dame der Gesellschaft nackt für ein Kunstwerk posierte! Shocking! So heißt es, Canova habe Pauline erst als keusche Diana voll bekleidet abbilden wollen. Doch Pauline selbst soll auf ihrer Darstellung als Venus bestanden haben!
Bei all diesem Skandal sollte man nicht vergessen, dass ihr großer Bruder Napoleon sich nur kurz zuvor ebenfalls von Canova nackt darstellen ließ, als Mars der Friedensbringer – in der römischen Mythologie engstens verbunden mit der siegreichen Venus …
Oder eine treue Schwester?
Pauline teilte das Wissen um und die Liebe zur Antike mit ihrem Bruder. Dazu verband die Geschwister eine tiefe Zuneigung. Als Napoleon ins Exil nach Elba gehen musste, verkaufte seine Schwester ihren Besitz – darunter allen kostbaren Schmuck – und brachte ihrem Bruder das Geld. Sie war die einzige aus der Familie Bonaparte, die Napoleon in seinem Exil besuchte!
Nach der Schlacht von Waterloo, als alle Träume von französischer Großmacht ausgeträumt waren, zog sich Pauline nach Rom zurück. Dort bot der Papst einigen Anhängern der Familie Bonaparte ein sicheres Exil.
Nach Sankt Helena schaffte sie es nicht mehr. Pauline litt an Krebs und starb 1825, ohne ihren Bruder noch einmal gesehen zu haben.
Der bei Künker angebotene Schmuck, der ein Zeugnis der geschwisterlichen Liebe zwischen Napoleon und Pauline sein dürfte, wurde der Kunstwelt erstmals im Jahr 1966 vorgestellt, anlässlich der Antiques Fair von Delft, damals eine der wichtigsten Messen für Kunst- und Antiquitäten. Die Tochter von Jacques Schulman verzauberte die Journalisten mit dem jugendlichen Charme, mit dem sie das wertvolle Collier trug und dessen Geschichte erzählte.
Der bei Künker angebotene Schmuck ist sicher nicht dazu gemacht, als Anlage in einem Tresor zu verschwinden. Er muss von einer selbstbewussten Frau getragen werden!
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