Wird die amerikanische Zollpolitik Auswirkungen auf den internationalen Münzmarkt haben?
von Ursula Kampmann
Die amerikanische Zollpolitik beherrscht die Schlagzeilen. Gestern Vormittag (MEZ), als Ursula Kampmann diesen Artikel schrieb, drohten vielen Ländern noch hohe Strafzölle. Das ist seit gestern Abend (MEZ) überholt. Nichtsdestotrotz bleibt das Gedankenspiel interessant, was auf dem Münzmarkt passieren würde, wenn die Strafzölle kämen.
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Die MünzenWoche hat eine Anfrage an drei große Münzhändlerverbände geschickt – in die USA, die Schweiz und Deutschland, um folgende Fragen zu stellen:
- Mit welchen Zöllen müssen amerikanische Kunden rechnen, die bei deutschen oder schweizerischen Auktionshäusern kaufen bzw. einliefern?
- Welcher Zolltarif gilt für europäische und asiatische Kunden, wenn sie bei einem amerikanischen Auktionshaus kaufen?
- Welcher Zolltarif gilt für europäische und asiatische Kunden, wenn sie etwas einem amerikanischen Auktionshaus einliefern?
- Gibt es bisher irgendwelche Informationen, wie die Strafzölle umgesetzt werden?
- Wie werden die Strafzölle bei amerikanischen Auktionshäusern umgesetzt, die in Europa oder Asien eine Zweigstelle haben?
Die Antworten zeugen von der aktuellen Verunsicherung und beschränken sich zumeist auf ein „Wir wissen es nicht“. Oder wie John Feigenbaum, Executive Director der Professional Numismatic Guild es viel besser ausdrückt: „Unfortunately, we are in the same situation as you on this matter, and the PNG is not comfortable giving official answers to tariff questions. The matter is still very fluid so any official statement would also run the risk of being nullified by the next news cycle.“ (= Unglücklicherweise sind wir in dieser Angelegenheit in der gleichen Situation wie Sie. PNG fühlt sich nicht wohl dabei, offizielle Antworten in Zollangelegenheiten zu geben. Die Sache ist aktuell derart starken Wandlungen unterworfen, dass jegliches offizielle Statement das Risiko in sich tragen würde, durch die nächsten Verhandlungsrunden ungültig zu werden.“)
Welche Teilnehmer des Münzmarkts sind aktuell von der neuen Zollpolitik betroffen?
Um es ganz klar zu formulieren: Jede Münze, die in die USA eingeführt wird, unterliegt bereits den neuen Zollbedingungen. Eine Ausnahme scheint es nur für Bullion zu geben, wie die National Coin & Bullion Association (NCBA) verlautbaren ließ. Allerdings muss erst geklärt werden, was eigentlich unter Bullion zu verstehen ist: Nur Gold? Andere Materialien wie Silber, Platin und Palladium? Zeitgenössische Prägungen, die weit über ihrem Materialwerk verkauft werden? Die NCBA ist auf jeden Fall im Gespräch mit Verwaltungsbeamten, um diese Frage zu klären.
Für die klassische Numismatik gilt diese Ausnahme jedenfalls nicht. Ältere Münzen und Medaillen unterliegen den Strafzöllen. Dabei richtet sich deren Höhe anscheinend nicht nach dem Land, in dem eine Münze verkauft, sondern in dem sie hergestellt wurde, so liest man jedenfalls im jüngsten Newsletter der Classical Numismatic Group. Das bedeutet, dass Amerikaner, die in Deutschland eine chinesische Münze kaufen, damit rechnen müssen, dass sie den hohen Strafzoll auf chinesische Waren bezahlen. Wer in London griechische Münzen kauft, für den gilt der Tarif der EU, jedenfalls so lange eine griechische Münze in einer Münzstätte des heutigen Italiens oder Griechenlands geprägt wurde; stammt sie aus Kleinasien, träfe der türkische Tarif zu. Wir freuen uns alle schon auf die Verwirrung der Zollbeamten. Ich denke nur an die Tetradrachmen in der Nachfolge Alexanders des Großen oder die römischen Münzen aus dem türkischen Caesarea Cappadocia.

Die Höhe der Zölle sollen sich wohl nach dem Land richten, in dem die Münze hergestellt wurde – freuen Sie sich also auf anregende Diskussionen zu antiken Münzstätten mit Zollbeamten!
Aber auch für die moderne Numismatik wird das interessant: Wie steht es zum Beispiel mit den Gedenkmünzen einer in den USA sehr beliebten Firma aus Liechtenstein, die in München produziert werden, aber das Nominal der Mongolei, der Cook Islands oder Niues tragen? Da kann eigentlich jeder Zollbeamte nur hoffen, dass diese Münzen als Bullion für zollfrei erklärt werden.
Ein entscheidendes Detail: Auch Münzen, die von US-Amerikanern bei ausländischen Auktionshäusern eingeliefert wurden, unterliegen bei der Wiedereinfuhr dem Zoll. Eine erste Folge erleben wir gerade in Zürich, wo das stark auf den Handel mit den Vereinigten Staaten ausgerichtete Auktionshaus Nomos seine Versteigerung 35 verschoben hat. In ihr werden mehrere amerikanische Sammlungen antiker Münzen angeboten. Da sich diese Münzen bereits in Zürich befinden, fällt nach aktueller Rechtslage der Zoll beim Reimport auf jeden Fall wieder an.
Welche Folgen könnte die neue amerikanische Zollpolitik für den Münzmarkt haben?
Für europäische oder asiatische Sammler ändert sich beim Kauf zunächst nichts. Sie zahlen weiterhin den in ihrem Land gültigen Zolltarif.
Die Münzen, die sich aktuell nicht in den USA befinden, werden durch die neuen Zölle für den amerikanischen Sammler teurer. Für den Handel mit US-Münzen, der den größten Teil des amerikanischen Münzhandels ausmacht, hat das kaum Konsequenzen. Für die Sammler, die sich mit Weltmünzen und antiken Münzen beschäftigen, dagegen schon. Ihnen steht wahrscheinlich eine drastische Preissteigerung bevor. Denn durch die (künstliche) Verknappung von ausländischem Material konzentrieren sich mehr amerikanische Sammler auf die überschaubare Menge der Stücke, die derzeit in den USA befindet.
Zollfreilager: Eine Lösung für Investoren
Den Nachteil hat der kleine Sammler. Investoren dagegen können sich den Luxus leisten, alle Münzen zu kaufen, die sie für potentiell interessant halten und sie zwischenzeitlich bis zum Weiterverkauf im Zollfreilager zu deponieren.
Attraktive Bedingungen für ausländische Auktionshäuser bei der Akquise von Einlieferungen
Das Geheimnis des erfolgreichen Münzhandels liegt aktuell nicht im Verkauf, sondern in der Akquise der richtigen Sammlungen. Allein für diesen Zweck halten sich amerikanische Auktionshäuser Filialen in Europa und Asien. Sie lockten Kunden mit den tendenziell höheren Preisen für Investitionsobjekte, die in den USA erzielt werden.
Diese amerikanischen Firmen werden durch die Strafzölle tatsächlich bestraft. Ihr Geschäftsmodell funktioniert so nicht mehr. Was im Ausland akquiriert wird, kann nur mit hohen Zusatzkosten in den USA verkauft werden, während europäische und asiatische Auktionshäuser weiterhin problemlos Einlieferungen in Empfang nehmen und sie zu den gewohnten Bedingungen in ihre Heimatländer importieren können.
Werden nun die amerikanischen Auktionshäuser echte Zweigstellen gründen, die auch ihrerseits Auktionen durchführen? Das bleibt abzuwarten. Manchen wird gar nichts anderes übrig bleiben.
Das Ende der Internationalität amerikanischer Münzbörsen?
Wie wird es um die Internationalität der großen amerikanischen Münzbörsen stehen? Von den rund 100 Ausstellern, die zum Beispiel die New York Internationale Numismatic Convention besuchen, kommen immerhin 30% aus dem Ausland. Diejenigen, die tatsächlich zum Verkaufen gekommen sind, dürften sich das in Zukunft überlegen. Doch auch die Käufer könnten mit der Zeit ausbleiben, wenn die Preise für die verknappten antiken und Weltmünzen in den USA tatsächlich steigen. Dann wäre es vorbei mit der weltweiten Bedeutung der amerikanischen Münzbörsen.
Exquisite Erhaltungen könnten in Europa wieder günstiger werden
Eine letzte Folge der Zollpolitik könnte eine Veränderung in der Preisstruktur sein. Der von den amerikanischen Gradingfirmen betriebene Erhaltungsfetischismus hat sich in Europa noch nicht so verbreitet wie in den USA. Wenn amerikanische Investoren 20% mehr auf ausländische Münzen zahlen, werden sie weniger im Ausland kaufen, und da ihr Anteil unter den Bietern gerade auf besterhaltene Stücke besonders hoch war, tritt diese fehlende Konkurrenz besonders in diesem Sektor zu Tage. Das bedeutet, dass exquisite Erhaltungen in Europa wieder ein bisschen billiger werden könnten.
Abwarten bis zur nächsten Runde
Aber all das ist ein Blick in die Kristallkugel, der demnächst schon wieder überholt sein kann. Denn keiner weiß aktuell, was das Weiße Haus und seine Verhandlungspartner planen. Wie sagte Pressesprecherin Leavitt doch kürzlich: „Boys will be boys“, zu Deutsch „Jungs bleiben halt Jungs“. Jungs probieren sich gerne aus und tun dann gelegentlich auch ganz was anderes. Oder wie es einmal ein sehr populistischer bayerischer Politiker auszudrückte: Was geht mich der Schnee von gestern an.
Wollen wir hoffen, dass die Internationalität des Münzmarkts kein Opfer des gerade entstehenden Handelskriegs wird.
Stand: 9. April 2025