Wird der Bayern-Thaler zur lang ersehnten deutschen Bullion-Münze?
Von Sebastian Wieschowski
Es gibt Sammlerträume, die gehen beim besten Willen einfach nicht in Erfüllung – der Traum einer deutschen Anlagemünze gehört für viele Münzensammler und Edelmetall-Investoren dazu. Österreich und Großbritannien haben seit den achtziger Jahren eine, Südafrika hatte zuerst eine und immer mehr Länder haben inzwischen auch eine – die Rede ist von einer so genannten „Bullionmünze“.
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Eine numismatische Überraschung: Bayern produziert ein eigenes Bullion-Produkt – mit einem Motiv, das nicht nur die Herzen der heimatverbundenen Menschen in Bayern, sondern auch von Millionen Touristen höherschlagen lassen dürfte. Foto: Emporium Hamburg Münzhandelsgesellschaft mbH (Münze), Reinhard Riffel / Bayerisches Hauptmünzamt (Hintergrund).
Ein international bekanntes Motiv (das möglichst sofort mit dem Ausgabeland in Verbindung gebracht wird), eine Stückelung in verschiedenen Gewichtseinheiten ausgehend vom weltweiten Investment-Standard („Feinunze“), dazu ein Preis möglichst nah am aktuellen Weltmarktpreis („Spot“) für den zugrundeliegenden Rohstoff – so funktioniert das Erfolgsrezept von Krügerrand, Maple Leaf und Co. Mit dem Wiener Philharmoniker sowie der Britannia gibt es auch zwei Beweise dafür, dass der europäische Kontinent nicht zwangsläufig ein weißer Fleck auf der Bullion-Landkarte sein muss.
Nun kommt ein Land dazu, mit dem wohl kaum jemand gerechnet hatte: Der Freistaat Bayern hat über das Bayerische Staatsministerium der Finanzen das Bayerische Hauptmünzamt damit beauftragt, eine Bullionmünze auf den Markt zu bringen: „Wir spüren eine global hohe Nachfrage nach Edelmetallen“, berichtet Reinhard Riffel vom Bayerischen Hauptmünzamt. Die Prägestätte mit Sitz in München produziert für diverse ausländische Zentralbanken und zeichnet beispielsweise für die Prägung der „African Wildlife“-Silbermünzen für Somalia verantwortlich. „Aktuell fehlt Anlegern in physische Edelmetalle jedoch eine deutsche Alternative“, betont Riffel, der den Anstoß für das Bullionprodukt gab und in den letzten Monaten alle Hände voll zu tun hatte, die Bundesbank, das Staatsministerium und alle anderen beteiligten Stellen zu überzeugen.
Eine deutsche Investment-Alternative: Gold-Gedenkmünzen als Notnagel
Tatsächlich haben sich viele Anleger mangels einer solchen Alternative mit den deutschen 100-Euro-Gedenkmünzen als Investment abgefunden. Allerdings fehlen den Goldmünzen vom Bund wichtige Größen, insbesondere die Ein-Unzen-Standardausführung, die in der Welt der Edelmetalle zum Maß aller Dinge geworden ist. Zudem sind die Motive bei den deutschen Gedenk-Goldmünzen wechselnd, eine bekannte Marke wurde in den vergangenen 23 Jahren nicht aufgebaut. Hinzukommen die hohen Aufgelder – und das Zubehör mit Etui und Echtheitszertifikat, das im Tresor nur unnötig Platz beansprucht. Und beim Silber gibt es bis heute weit und breit keine Angebote vom Bund im Produktsegment der Anlagemünzen.
Hier möchte Bayern ansetzen und eine deutsche Alternative etablieren: „Als Motiv haben wir das Schloss Neuschwanstein gewählt, weil es ein Wahrzeichen Bayerns und Deutschlands ist, das weltweit bekannt und sehr beliebt ist und positiv assoziiert wird“, erklärt Reinhard Riffel. Das Bayerische Hauptmünzamt erhofft sich dadurch eine hohe Nachfrage – nicht nur in Deutschland, sondern auf globalen Märkten, insbesondere in Nordamerika und Ostasien. Die Ansicht auf das Schloss soll jährlich wechseln, um den Münzen einen Sammelcharakter zu verleihen – wie beispielsweise bei den „Australian Koala“ und „Australian Kookaburra“ Münzen oder dem Somalia Elephant. Sie alle werden nicht nur von Anlegern gekauft, sondern auch von Sammlern. Und einzelne Jahrgänge werden inzwischen deutlich über dem Materialwert gehandelt – ein netter Nebeneffekt in Form einer unerwarteten Zusatz-Rendite. Dazu kommt der ästhetische Aspekt durch das jährlich wechselnde Motiv: „Von der Kombination einer Anlage-Münze aus Deutschland mit sehr attraktiven und beliebten Motiven erhoffen wir uns sehr viel“, resümiert Riffel.

Ein tschechischer Löwe von einer Insel im Südpazifik: Bei der Gestaltung nationaler Bullionmünzen greifen manche Prägestätten wie die Czech Mint bisweilen auf kuriose Konstrukte zurück. Foto: Wieschowski
Soweit, so gut – doch der anspruchsvolle Numismatiker hat Fragen: Wie möchte der Freistaat Bayern eine echte „Münze“ herausgeben, also eine Prägung mit offiziellem Charakter als Zahlungsmittel? Der Umweg über ein Drittland und eine Agenturprägung wäre denkbar, doch „Bayern-Bullion“ unter der Flagge der Elfenbeinküste? Das käme beim besten Willen etwas merkwürdig rüber – ebenso wie König Charles als Staatsoberhaupt auf einer bayerischen „Münze“.
Das Bayerische Hauptmünzamt hat sich deshalb für einen Kunstgriff entschieden: Als fiktives Nominal mit historischem Vorbild wird die Prägung den „Thaler“ bekommen. Dadurch wird eine kulturelle Verbindung zu Bayern hergestellt: In verschiedenen Varianten war der Thaler bis zur Einführung der Mark bis 1871 gesetzliches Zahlungsmittel in Bayern. „Den Thaler lassen wir als Neuinterpretation einer historischen Münze wieder aufleben“, erklärt Reinhard Riffel. Dadurch bekommt das Produkt zwar ein Nominal, bleibt aber streng genommen eine Medaille – oder etwas freundlicher und internationaler ausgedrückt, wird dem stetig wachsenden Produktsegment der „Bullion Rounds“ zuzuordnen sein.
Aber dürfen die Bayern einfach den Thaler wiederaufleben lassen? Die einfache Antwort lautet: Ja, denn dieser Münztypus ist seit Jahrhunderten nicht mehr im Einsatz. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Währungseinheit – deshalb ist die Konformität mit dem Münzgesetz gegeben. Dadurch hat sich das Bayerische Hauptmünzamt deutlich weiter von einem Graubereich entfernt als ein äußerst erfolgreicher Mitbewerber: Die Germania Mint hatte im Jahr 2019 ihre Sammler-Medaille „Germania“ mit einem fiktiven Nennwert in „Mark“ versehen – und Irritationen in Deutschland provoziert, immerhin können Münzen aus der Zeit der Deutschen Mark bis heute bei den Bundesbanken in Euro getauscht werden.
Bundesfinanzministerium: Euro und Cent sind geschützt, alles andere nicht
Das Bundesministerium der Finanzen hatte seinerzeit jedoch keinen Handlungsbedarf gesehen. Auf Anfrage der US-Münzzeitschrift „Coin World“ aus dem Herbst 2018 verwies Ministeriumssprecher Martin Chaudhuri auf die geltenden währungsrechtlichen Vorschriften – und diese beziehen sich in erster Linie auf die derzeit gültige Währung in Deutschland, die nicht die „Mark“, sondern der „Euro“ ist. So verbietet beispielsweise die „Verordnung über die Herstellung und den Vertrieb von Medaillen und Münzstücken zum Schutz deutscher Euro-Gedenkmünzen“ (kurz: „Medaillenverordnung“) die Aufschrift „Euro“ oder „Euro Cent“ sowie das Euro-Symbol auf privaten Prägungen. Zudem darf das Design der Münze nicht zu Verwechslungen mit einer gültigen deutschen Euro-Gedenkmünze führen. Das alles ist bei der „Germania“ nicht der Fall – und wird erstrecht bei dem neuen bayerischen Bullion-Produkt nicht passieren. Zudem ist nicht zu vergessen, dass die „Germania Mint“ bei den Sammlern mit dieser kuriosen Namensgebung allerdings einen Erfolg erzielt, offenbar spricht die Nominal-Nostalgie viele Münzensammler an.

Gold-Thaler: Alle Anlageprägungen aus Bayern werden mit einem historischen Nominal geprägt. Zu einem Zahlungsmittel werden sie dadurch nicht. Foto: Bayerisches Hauptmünzamt.
Auffällig ist, dass das Bayerische Hauptmünzamt bei seinem „Bayern-Thaler“ durchaus die klassische Palette eines Investment-Sortiments bedient: Geplant sind in Silber zwei Varianten zu 1 Unze (1 Bayern Thaler) und 1 Kilogramm (30 Bayern Thaler). In Gold werden die gängigen Investment-Stückelungen zu 1/10 Unze (10 Bayern Thaler), ¼ Unze (25 Bayern Thaler), ½ Unze (50 Bayern Thaler), 1 Unze (100 Bayern Thaler), 2 Unzen (200 Bayern Thaler) und 1 Kilogramm (3000 Bayern Thaler) angeboten. Die Silber-Münzen sollen ab sofort im Vorverkauf erhältlich sein und ab dem 2. April 2025 ausgeliefert werden. Die Goldmünzen sind voraussichtlich ab dem Quartal 3/2025 erhältlich. „Die Münzen als reine Anlagemünze gibt es in Stempelglanz, für ein paar Euro Aufpreis auch jeweils in Spiegelglanz-Variante“, erklärt Reinhard Riffel.
Hat der Bayern-Thaler eine Chance im Edelmetallhandel?
Erhältlich sein sollen die Münzen direkt beim Bayerischen Hauptmünzamt, bei teilnehmenden Sparkassen und Geschäftsbanken sowie im Fachhandel. Im Hintergrund ist die BayernLB als wichtiger Großhändler vertreten, das erfahrene Münzhandelshaus „Emporium Hamburg“ (wo auch der African Wildlife Elefant das Licht der Agenturprägungs-Welt erblickt hat) zählt zu den Vertriebspartnern und es sollen möglichst viele Münz- oder Edelmetallhändler dazu kommen.

Deutschlands erste Silberanlageprägung: Erstmals ist die „Silber-Quadriga“ im Jahr 2009 angeboten worden. Durchgesetzt hat sie sich bis heute auf dem internationalen Investment-Markt nicht. Foto: Wieschowski
Die Vertriebskanäle werden entscheidend sein, um den „Bayern-Thaler“ tatsächlich zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz zu machen. Daran kränkelt ein wichtiger Mitbewerber, der sich schon vor vielen Jahren aufgemacht hat, zu einem deutschen Krügerrand zu werden: Die Silber-Quadriga der Münze Berlin wurde bereits seit 2009 als „Deutschlands erste Silber-Anlageprägung“ vermarktet und damals ebenfalls als Alternative zu American Eagle, Maple Leaf und Co. positioniert. Mit einer Auflage von 500.000 Stück im Erstausgabejahr 2009 und dann unlimitiert seit 2010 erreicht sie auch tatsächlich Prägemengen, die vergleichbare Anlagemünzen aus der zweiten Reihe erzielen.
Die Preisgestaltung: Ein Totschlag-Argument für jedes Möchtegern-Anlageprodukt
Doch das Problem: Die Silber-Quadriga ist bis heute bei kaum einem Edelmetallhändler im Sortiment zu bekommen. Sie hat bis heute ihren Exoten-Status nicht ablegen können – dazu trägt einerseits die unzureichende Platzierung im Markt bei, andererseits auch der Preis: Rund 50 Euro sollte der Jahrgang 2025 im März kosten, fast 10 Euro mehr als vergleichbare Silber-Unzen – doch so schön das Motiv mit dem Münzfries von Johann Gottfried Schadow in diesem Jahr gestaltet wurde, das Aufgeld ist für klassische Silber-Anleger, die üblicherweise auf die Nachkommastelle beim Preisvergleich schauen, ein Totschlag-Argument.

Schön, aber leider nicht nah genug am Silber-„Spotpreis“: Die Münze Berlin lässt sich jedes Jahr etwas Neues für ihre „Silber-Quadriga“ einfallen, doch beim Preisvergleich kann sie nicht mit Maple Leaf und Co. mithalten – denn die Zielgruppe achtet auf die Nachkommastelle. Foto: Wieschowski
Hier hat der „Bayern-Thaler“ eine realistische Chance auf eine wohlwollende Reaktion bei Sammlern und Anlegern. Reinhard Riffel vom Bayerischen Hauptmünzamt bekräftigt, dass die Silber-Unze im Edelmetall- und Münzhandel in einer realistischen Range von 39,50 bis 41,50 Euro brutto inklusive Mehrwertsteuer verfügbar sein wird – bei den klassischen Silberunzen lagen die Handelspreise im März 2025 bei rund 38 bis 39 Euro, Lockangebote oder Differenzbesteuerungs-Experimente einmal ausgenommen. Einen Aufpreis von einem bis drei Euro werden viele Anleger für ein neuartiges Produkt mit regionalem Bezug und Wechselmotiv durchaus akzeptieren, dieser Zuschlag ist bei vielen Bullion-Produkten aus der zweiten Reihe üblich.
Der symbolische Wert des Bayern-Thalers
Dass es bis heute nicht gelungen ist, einen gemeinsamen Nenner bei einem „Bundes-Bullion“-Produkt zu finden, ist bedauerlich und nicht unbedingt nachvollziehbar. So wurde beispielsweise im Jahr 2020 – im Zuge eines neuen 100-Euro-Goldmotivs – in der Fachpresse und von Händlern Kritik laut, warum es keinen „Bundes-Krügerrand“ gibt. Ein Handelsblatt-Artikel zitierte damals Händlerstimmen: Man sei überrascht, dass Deutschland noch keine eigene Anlagemünze habe, denn diese wäre sicher ein Bestseller und würde dem Steuerzahler Gewinn bringen. Zudem sind Anlagemünzen seltene Anknüpfungspunkte für den numismatischen Nachwuchs, weil das Risiko eines Wertverlustes bei einem Preis von rund 40 Euro für eine Silberunze überschaubar ist. Trotz solcher Diskussionen und nachvollziehbarer Argumente für ein deutsches Bullion-Produkt blieb es bei Appellen – und der Freistaat Bayern will nun offenbar Tatsachen schaffen.
Der bayerische Vorstoß auf den Bullion-Markt wird sicher Anlass für leidenschaftliche Diskussionen und auch kritische Anmerkungen bieten und der Bayern-Thaler wird wohl nicht über Nacht zur neuen Nummer Eins der Edelmetalle, denn die Marktführerschaft ist hart umkämpft. Der mühsame Weg des Silber-Krügerrand nach der Markteinführung als Anlageprodukt im Jahr 2018 bis heute macht deutlich, dass ein langer Atem nötig ist, um ein neues Investment-Produkt ernsthaft zu etablieren. Denn die meisten Edelmetall-Anleger bleiben, so wie Münzen-Sammler, bei langfristig eingeübten Gewohnheiten und Kaufpräferenzen.
Doch eines ist festzuhalten: Wenn eine deutsche Anlagemünze auf den Agenden der vergangenen Bundesregierungen keinen Platz fand, ist es nur legitim, dass sich ein stolzes Bundesland mit seiner hauseigenen Prägestätte dieses Themas annimmt. Dabei hat es die üblichen Stolpersteine offenbar frühzeitig berücksichtigt: Die Preisgestaltung ist im marktüblichen Rahmen für Anlagemünzen und die Produktpalette orientiert sich an Branchen-Standards. Außerdem wird das fiktive Nominal den deutschen Münz-Nerd ansprechen und Schloss Neuschwanstein den internationalen Investor.