Wie zwei Betrüger fast Englands Geschichte beeinflusst hätten
von Björn Schöpe
Zwei Männer haben in England versucht, illegal ausgegrabene Münzen aus dem Frühmittelalter über das Internet zu verkaufen. Dafür wurden sie nun verurteilt. Dass es dazu gekommen ist, verdanken wir einem Radiologie-Professor in den USA und einer jahrelangen Polizeiaktion. Das Ergebnis: Ein ganz neuer Blick auf Englands Geschichte zur Zeit Alfreds des Großen.
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Wikingermünzen per Mail anbieten?
Beginnen wir in der Mitte der Geschichte, 2018. Damals schrieb Craig Best, heute 46, eine E-Mail an Ronald Bude, einen Radiologieprofessor an der Universität Michigan – und Münzsammler, der auch über Münzen publiziert hat. Best schickte Bude Fotos von frühmittelalterlichen Silbermünzen und bot sie ihm zum Kauf an. Er wollte dafür 200.000 bis 250.000 Pfund. Tatsächlich waren die Münzen so selten, dass Bude sie zunächst für Fälschungen hielt und sich an Experten des Fitzwilliam Museum in Cambridge wandte. Als Best das hörte, schrieb er verärgert: „Das ist ein Hortfund, wie Sie genau wissen. Da kann ich Ärger kriegen. Sie hätten bloß sagen brauchen, dass Sie sie nicht wollen und das wäre es dann gewesen.“ Tatsächlich informierten die Numismatiker die Polizei in Durham. Die Fachleute vermuteten nämlich gleich, dass diese spektakulären Silbermünzen aus dem bekannten Herefordshire Hort stammten. Best hatte Bude gegenüber geäußert, sie stammten aus der Gegend von Worcester, das rund 30 Meilen entfernt liegt vom Fundort des Hortes.
Der Herefordshire Hort
Der Herefordshire Hort ist ein trauriges Beispiel dafür, dass auch Englands liberale Regelung für Sondengänger Missbrauch nicht ausschließt. 2015 stießen zwei Sondengänger bei Eye in Herefordshire auf vermutlich rund 300 Münzen aus dem 9. Jahrhundert. Sie hatten das Gelände ohne Genehmigung des Grundstückseigentümers begangen und hätten spätestens diese Entdeckung melden müssen. Ein solcher Hortfund wäre als Treasure deklariert worden. Damit wäre der Hort sicher in ein Museum gekommen, die Finder hätten Anspruch auf eine hohe Belohnung gehabt, wären vielleicht sogar als gefeierte Millionäre aus der Sache gekommen.
Die beiden Männer wollten aber mehr, verheimlichten ihren Fund und verkauften immer wieder Stücke. Nur rund 30 Münzen ließen sich noch mit dem Hort verbinden, als die Polizei sie verhaftete. 2019 wurden beide zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Verdeckte Operation Fächerschwanz
Aus eben diesem bedeutenden Fund scheinen auch die Münzen zu stammen, die Best verkaufen wollte. Nachdem Best mit Bude nicht handelseinig geworden war, tat sich eine andere Option auf. In einem Hotel in Durham traf er sich mit Männern, die er für Repräsentanten eines amerikanischen Käufers hielt. Er zeigte ihnen drei Münzen – und hatte Pech. Die Männer waren verdeckte Ermittler der Polizei und nahmen Best sofort fest.
Best hatte die Münzen von einem Sondengänger-Kollegen, dem mittlerweile 75-jährigen Roger Pilling. Pilling soll ihn gebeten haben, die Münzen zu verkaufen und habe ihm versichert, sie stammten aus einem Hort, der vor 1996 gefunden wurde. Damals galt noch nicht die Regelung, dass Hortfunde innerhalb von zwei Wochen den Behörden gemeldet werden mussten.
Das Urteil für Betrug und Verschwörung
Pilling und Best sind nicht vorbestraft und wurden in der zweiwöchigen Verhandlung als hart arbeitende Familienväter beschrieben. Richter James Adkin gab sich überzeugt, dass die insgesamt 44 Münzen, die bei Best und Pilling im Rahmen der Ermittlungen sichergestellt wurden, aus dem Herefordshire Hort stammen. Die Jury verurteilte die Männer wegen Verschwörung, um Diebesgut zu veräußern und Besitz von Diebesgut zu jeweils fünf Jahren und zwei Monaten Haft.
Mit der Entdeckung des Hortes hatten sie offensichtlich nichts zu tun, allerdings gab Pilling nicht preis, wie er an die Münzen gekommen war. Die historische Bedeutung, die diesen Münzen zukommt, dürfte das Gericht darin bestärkt haben, ein Zeichen zu setzen.
Diese Münzen schreiben Englands Geschichte um
Die englischen Medien überschlugen sich geradezu in ihrer Berichterstattung über die Münzen. Bei der Bewertung des Hortes werden bisweilen Zahlen zum vermuteten Wert genannt wie „rund 3 Millionen Pfund“. Das ist natürlich spekulativ, da wir nicht einmal die genaue Zahl der Münzen kennen. Allein die 44 jetzt sichergestellten Münzen sollen auf einen Marktwert von 766.000 Pfund geschätzt worden sein. Vor allem handelt es sich aber bei den von Best angebotenen Münzen um extrem spannende Prägungen. Gareth Williams, Kurator für frühmittelalterliche Münzen im British Museum, wird zitiert mit den Worten: „Diese Münzen erlauben uns wirklich, die Geschichte neu zu schreiben.“ Übertreibt er da?
Die Münzen stammen aus der Zeit um 870, als Alfred der Große, König von Wessex nahezu im Alleingang gegen die in England siedelnden Wikinger kämpfte und dabei die angelsächsischen Königreiche unter seiner Führung vereinte. Im Alleingang? Wohl doch nicht.
Mindestens eine der Münzen ist anscheinend eine gemeinsame Prägung mit einem anderen Herrscher, mit Ceolwulf II., König von Mercia. Historiker hielten Ceolwulf bislang für eine Art Marionettenherrscher, abhängig von der Gnade der Wikinger. Diese Münze zeigt uns hingegen, dass er ganz offensichtlich ein wichtiger Verbündeter Alfreds des Großen war.
Die Münzen werden zur Zeit noch im British Museum eingehend untersucht und sollen ab 2025 im dem bis dahin umgestalteten Museum von Hereford zu sehen sein. Für den Ankauf hat das Museum 776.250 Pfund gesammelt.
Die aktuelle Lage für Sondengänger in England
Es ist völlig klar, dass sowohl die ursprünglichen Finder des Hortes als auch die beiden Sondengänger, die Hehlerware weiterverkaufen wollten, gegen englisches Recht verstießen. Allerdings wurde der Treasure Act von 1996 jetzt noch einmal verschärft. Bisher regelte er, dass nur Objekte, die älter waren als 300 Jahre und Edelmetall enthielten oder aber Teil einer Sammlung bzw. eines größeren Fundzusammenhanges (wie z.B. ein Münzhort) waren als Treasure deklariert werden konnten. Diese Definition schloss zum Beispiel nicht den eminent bedeutsamen Crosby Garrett Helm ein (der nicht Teil eines Horts war und keinen Edelmetallanteil hatte). Er wurde für 2,3 Millionen Pfund von einem anonymen privaten Bieter gekauft, die öffentlichen Museen konnten nicht mithalten. Jetzt wäre das nicht mehr möglich.
Nach der Neufassung des Treasure Act können jetzt alle Objekte, die mindestens 200 Jahre alt sind und Metall enthalten, als Treasure definiert werden. Das schließt auch alle Münzen aus unedlem Metall ein oder eben andere Metallfunde wie Waffen oder Rüstungsteile. Finder müssen solche Funde innerhalb von zwei Wochen nach dem Auffinden melden, ansonsten machen sie sich strafbar.
Der Minister für Kunst und Kulturelles Erbe Lord Parkinson of Whitley Bay ordnete die Gesetzesänderung so ein: „Die Anzahl der Sondengänger hat stark zugenommen – teilweise auch dank TV-Sendungen. Und wir möchten sicherstellen, dass neue Schatzfunde geschützt werden, so dass sich alle an ihnen erfreuen können.“
Alan Tamblyn, der Generalsekretär des Nationalen Rates für Sondengänger, schloss sich an und betonte, dass man die verstärkten Schutzmaßnahmen bedeutender Funde unterstütze.
Was sich nicht ändert, ist die Notwendigkeit der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Vertrauens und Respektes zwischen Sondengängern und Akademikern, die Englands Gesetzgebung so erfolgreich machen.
Die englischen Medien haben ausführlich über die Verhandlung berichtet. So zum Beispiel der Guardian: