Wer den Pfennig nicht ehrt… – Was tut man mit einer Million Pennies?
von Daniel Baumbach
Vor 9 Monaten machte ein Mann in Los Angeles eine überaus ungewöhnliche Entdeckung. Der 41-jährige Immobilienmakler war dabei, das Haus seines lang verstorbenen Schwiegervaters auszuräumen, als er in einem engen Zwischenraum im Keller über einen vergessenen Schatz stolperte. Vor ihm türmten sich Kisten und Säcke diverser amerikanischer Banken auf, viele davon noch verplombt. Ihr Inhalt: 1-Cent-Münzen im Gewicht von mehreren Tonnen. Es müssen etwa 1 Million Stück sein, schätzt er anhand der Aufschriften der Behälter und des überschlagenen Gewichtes. Keine besonders handliche Art und Weise, sein Erspartes zu lagern. Doch sein Schwiegervater wird sich sehr wohl etwas dabei gedacht haben.
Inhalt
Metall für schlechte Zeiten
Wie der Mann gegenüber der New York Times angab, war sein Schwiegervater, Vorname Fritz, in den 1960er Jahren mit seinem Bruder aus Deutschland in die USA gekommen. Seine Kindheit war vom Elend der Jahre im und nach dem Zweiten Weltkrieg geprägt Die Familie mutmaßt, er habe wie viele andere aufgrund dieser Erfahrungen einen Notvorrat aus Metall angelegt, das auch in den übelsten Krisen seinen Wert behält und gegen Nahrungsmittel eingetauscht werden kann, um die eigene Familie zu ernähren. Doch während andere dafür zumeist auf Gold und Silber setzen, spekulierte Fritz anscheinend auf Kupfer.
Kupfer und sein Wert
Dazu muss man wissen: Vor 1982 wurden die Cent-Münzen der USA aus 95% Kupfer geprägt. Doch der Kupferpreis stieg immer weiter, so dass man ab 1982 kupferbeschichtetes Zink verwendete, damit der Metallwert nicht den Nennwert der Münzen übertraf. Schon damals begannen viele Menschen, die alten Kupfercents zu horten, in der Hoffnung, dass der Kupferpreis immer weiter steigen würden. In der Tat sind die kupfernen Pennies heute deutlich mehr wert als einen Cent: momentan sind es ca. zweieinhalb Cent. Manch einer spekuliert, dass der Preis noch weiter steigen könnte. Sollten die USA 1-Cent-Münzen irgendwann abschaffen – als unwirtschaftlich gelten sie schon lange –, wäre es legal, die Stücke einzuschmelzen. Wenn man über die entsprechende Menge verfügt, macht man dabei einen hübschen Profit. So hatte das Horten von Kupfermünzen ab und an Konjunktur in den USA. Ein solcher Fall scheint auch hier vorzuliegen. Denn alle gefundenen Münzen sind vor 1982 geprägt und aus Kupfer.
Was tun?
All das erfuhr auch der Schwiegersohn von Fritz nach und nach, als er und seine Frau sich verzweifelt fragten, was um alles in der Welt sie mit diesen unpraktischen Tonnen an Kupfergeld anstellen sollten. Zunächst taten sie das, was wohl jeder tun würde, der von Münzen und ihrem potentiellen Wert absolut keine Ahnung hat: Sie versuchten, die Münzen einzuzahlen. Immerhin sind die ca. 1.000.000 Cent-Stücke ja weiterhin offizielles Zahlungsmittel und haben nach Adam Riese einen Geldwert von stattlichen 10.000 US-Dollar. Erfolg hatten sie damit nicht. Die Gebühren der großen amerikanischen Münzautomaten-Kette waren ihnen zu hoch, Banken weigerten sich aus Platzgründen, eine so große Menge an Bargeld anzunehmen.
Goldene Nadeln im Heuhaufen?
Die Filialleiterin einer Bank machte die Familie schließlich darauf aufmerksam, dass sie die Pennies keinesfalls einfach einzahlen sollten. Wer den Markt für US-Münzen kennt, weiß, dass es selbst unter den kleinen Cent-Münzen etliche Raritäten gibt, die in herausragendem Zustand schon allein mehr als 10.000 Dollar wert sind. Die größten Schätze unter den Cents können gar die Millionen-Dollar-Marke sprengen. Darüber scheint die Filialleiterin den Immobilienmakler aufgeklärt zu haben. Bei ihm ist laut New York Times vor allem der Satz hängen geblieben: „Sie könnten einen Millionen-Dollar-Penny haben!“
Was münzaffine Leser sicher sofort bedacht haben, überraschte den Besitzer. Die New York Times zitiert den Mann mit den Worten: „Das war eines der ersten Male, dass ich davon hörte, dass eine Cent-Münze mehr wert sein kann als einen Cent.“
Die Mühe nicht wert?
Was also tun? Die Million an Münzen sichten und nach Schätzen durchforsten? Ein erster Versuch wurde schnell wieder aufgegeben. Der Independent zitiert den Mann wie folgt: „Wir fingen an, uns mühsam die Cent-Stücke anzuschauen, und schnell wurde uns klar: Wir wissen nicht, was wir da tun. Und dann haben wir beschlossen, stattdessen ein paar Biere aufzumachen und die zu trinken.“
Anscheinend überwiegt bei der Familie der Wunsch, diesen unhandlichen Bargeldhaufen endlich los zu werden, statt ihn nach Seltenheiten zu durchsuchen, auch wenn ihnen so jede Menge Geld durch die Lappen gehen könnte – viele Sammler werden sich an dieser Stelle die Haare raufen. Der Immobilienmakler stellte kürzlich die ganze Ladung als Einzelposten bei einer Kleinanzeigenseite ein – nur für Selbstabholer, versteht sich. Preis: 25.000 Dollar, was sich anscheinend grob am Edelmetallwert des Kupfers orientiert.
Seit diese Geschichte durch die Medien geistert, sollen sich zahlreiche Interessenten gemeldet haben. Einige Leute boten ihm Hilfe dabei an, die Münzen nach Raritäten zu durchforsten, doch es scheint nicht so, als würden die Besitzer darauf eingehen. Wer die Kupferkatze im Sack am Ende kaufen wird und ob sich begehrte Seltenheiten darunter verbergen? Ich würde jedenfalls darauf wetten, dass der Käufer seinen Einsatz von 25.000 Dollar nicht bereuen wird. Selten hat das alte Sprichwort besser gepasst: Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.
Hier finden Sie den Artikel der New York Times.
Hier finden Sie den Artikel vom Independent.
Auf der Seite MoneyInc finden Sie eine Liste der höchsten Ergebnisse für Pennies bei Auktionen.
In diesem Artikel erklären wir Ihnen, was auf den amerikanischen Kleinmünzen dargestellt wird.
Hier finden Sie den ersten Teil unserer Reihe zur Geldgeschichte der USA.