Münzsammeln um 1600
Was tut ein Reichsritter, wenn es die wirtschaftlichen Mittel nicht erlauben, den Prunk zu finanzieren, den er seinem Stand schuldig zu sein glaubt? Was tut er, wenn er keine gut bezahlte Stelle im Dienst eines Fürsten ergattert und die kleine Eiszeit seine Einkünfte drastisch reduziert? Er versucht, anderweitig Prestige zu erwerben. Welche Möglichkeiten ihm dabei offen standen, das erfahren wir aus den Briefen des Hans von Schellenberg (1552-1609).
Inhalt
Münzsammeln eine Frage des Prestiges?
Der süddeutsche Reichsritter Hans von Schellenberg und der Schaffhauser Pastor Johann Jakob Rüeger korrespondierten in den Jahren zwischen 1587 und 1606 im monatlichen Rhythmus. Sie beschäftigten sich dabei mit allem, was ihnen wichtig war: mit Politik, Religion, Musik, ihrer Gesundheit, der Verwandtschaft, mit Geschichte, Archäologie und natürlich der Numismatik, schließlich waren beide Korrespondenten begeisterte Münzsammler.
150 ihrer Briefe haben sich erhalten. Sie geben uns einen Einblick, welche Rolle das Münzsammeln in der frühen Neuzeit spielte und wie die Bücher der Antiquare zustande kamen. Wir entnehmen ihnen aber auch die kleinen, feinen Unterschiede, die in dieser Welt existierten. Selbst der relativ mittellose Hans von Schellenberg war ein gesuchter Mäzen, bei dem zahlreiche Autoren um Unterstützung ansuchten. Diese Unterstützung konnte vieles umfassen: da wurde ein Buch, eine Urkunde verliehen oder Auskunft über den Inhalt erteilt; Schellenberg gewährte einem Antiquar Gastfreundschaft und Zutritt zu seiner Sammlung; kleine Gaben wurden mit wertvollen Gegengaben beantwortet und – in einigen Fällen – dem Autor für die Widmung eines wissenschaftlichen Werks ein bedeutendes Geldgeschenk überreicht.
Die Schellenberg-Briefe bieten uns einen intimen Blick auf die sogenannte Gelehrtenrepublik. Sie decken auf, wie eng Mäzenatentum mit Reputation und Nachruhm verbunden waren.
Der Alltag des Münzsammelns
Darüber hinaus geben die Briefe zahllose Antworten auf Fragen rund um den Alltag eines Münzsammlers der frühen Neuzeit. Hans von Schellenberg beschäftigt sich darin mit den alltäglichen Fragen, die sich auch heute noch Münzsammler stellen: Wo kann ich die schönsten Stücke am günstigsten kaufen? Welche Münze ist echt, welche falsch und wie kann ich das erkennen? Wonach bestimme ich, und wer hilft mir, wenn ich eine Münze nicht zu bestimmen weiß?
Die Schellenberg-Briefe sind einzigartig: Sie vermitteln uns detaillierte Kenntnisse zur Alltagsgeschichte des frühneuzeitlichen Münzsammelns. Ihr hoher Wert liegt darin, dass Hans von Schellenberg eben kein hoher Fürst war, der sich auf seinen bestens vernetzten Agenten stützen konnte, sondern ein finanzschwacher Reichsritter, der mit begrenzten Mitteln seine Sammlung aufbaute.
Das Projekt Schellenberg-Briefe
Ursula Kampmann arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt an der Publikation und Auswertung dieser Briefe. Sie hat sich der Mühe unterzogen, die 150 Schreiben minutiös zu transkribieren und aus dem Frühneuhochdeutschen ins moderne Deutsch zu übersetzen. Damit kann auch der Laie mit Vergnügen die Schreiben des wortgewaltigen Hans von Schellenberg genießen, der – wie in dieser Zeit üblich – kein Blatt vor den Mund nahm.
Bei dem jetzt erschienen Buch handelt es sich um den ersten von drei Bänden. Das Gesamtwerk erscheint in der Reihe NOMISMATA, herausgegeben von Johannes Nollé und Hertha Schwarz, und wird vom renommierten Habelt-Verlag in Bonn publiziert und vertrieben. Während der erste, 555 Seiten umfassende Band die Quelle selbst enthält, sind die beiden folgenden Bände bereits in Arbeit. Der zweite Band widmet sich der historischen Einordnung, der dritte den Anmerkungen zu den Briefen.