Münzen und der Deutsche Kulturrat
von Ursula Kampmann
Kürzlich erfuhren wir, dass der Schwerpunkt der aktuellen April-Ausgabe der Zeitung des Deutschen Kulturrats dem Thema Münzen gewidmet ist. Das ist spannend. Erstens weil ich keine Ahnung hatte, dass es einen Deutschen Kulturrat gibt und der eine monatliche Zeitung herausgibt, zweitens weil sich ein anscheinend einflussreiches deutsches Gremium mit dem Thema Numismatik beschäftigt. Und drittens war ich natürlich fasziniert, wie der Deutsche Kulturrat dieses Thema aufgreift und mit welchen Fragen er sich beschäftigt.
Inhalt
Wer ist der Deutsche Kulturrat?
Also erfolgte erst einmal eine Google-Suche zum Thema „Deutscher Kulturrat“. Der hat eine eigene Website, wo ich lernte, dass der Deutsche Kulturrat „1982 als unabhängige Arbeitsgemeinschaft kultur- und medienpolitischer Organisationen und Institutionen von bundesweiter Bedeutung gegründet“ wurde. Sozusagen ein „Dachverband der Dachverbände“.
Häh? Als Lisa Normalbürgerin bin ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht wirklich schlauer. Ein bisschen weiteres Surfen bringt mich zu den elf Forderungen des Deutschen Kulturrats zur Bundestagswahl von 2025. Die reichen vom Staatsziel – was immer das sein soll – Kultur im Grundgesetz zu verankern über Verbesserung im Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Urheberrecht über Nachhaltigkeit, Vielfalt und Bildung bis zu Finanzierungsfragen. Keine Routine sind die Forderungen zur gesetzlichen Regelung von KI und – man höre und staune! – die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nicht von staatlicher Seite zu vereinnahmen.
Ah, jetzt habe ich es verstanden: Der Deutsche Kulturrat setzt sich für die Belange all derer ein, die in irgendeiner Form mit Kultur zu tun haben, bündelt ihre Anliegen und formuliert sie hübsch politikergerecht. Und weil Deutschland nun mal Deutschland ist, wird das mittels Verbänden erledigt. Wo kein Verband, da keine Stimme.
Warum gibt der Deutsche Kulturrat eine Zeitschrift zu Münzen heraus?
Kommen wir zur nächsten Frage. Warum hat sich der Kulturrat das Thema „Münzen“ ausgesucht? Wahrscheinlich weil er das nun mal so macht. Er braucht jeden Monat ein neues Schwerpunktthema, und da waren Münzen eine nette Abwechslung. Vor zwei Monaten gibt es um das Kulturgut Spielzeug, davor um Jüdisches Leben, Kultur und Sport, Diverse Kultur, Depots, Comics und die üblichen politischen Dauerbrenner wie Kultur auf dem Land (kommt nächsten Monat), die Kunst der Benennung oder Kulturgutschutz.
Mit anderen Worten: Es gibt keinen besonderen Grund. Man wollte halt auch mal was mit Münzen machen.
Wie sieht der Deutsche Kulturrat die Münzen?
Nun, auf jeden Fall politisch korrekt und ziemlich langweilig. Man klapperte wie immer die staatlichen Stellen und Verbände ab. Wir lesen also Beiträge von den üblichen Verdächtigen, von den Kuratoren der verschiedenen Münzkabinette (Berlin 2 3/4 Seiten), München, Stuttgart und Gotha (je 1/4 Seite). Es kommen diejenigen zu Wort, die die deutschen Münzbilder gestalten und einige Mitglieder von Universitäten und Wissenschaft.
Und damit passt diese Darstellung der Münzwelt hervorragend in die 1970er Jahre, nur die digitale Wissensvermittlung und Katalogisierung gab’s damals noch nicht.
Die Schwäche von Verbänden
Also, um das ganz klar zu sagen: Ich finde es toll, dass sich die Zeitschrift des Deutschen Kulturrats mit Münzen beschäftigt. Aber die Recherche war ziemlich oberflächlich. Damit verschenkte die Redaktion eine Gelegenheit, zu illustrieren, welch führende Rolle Deutschland heute in der internationalen Münzwelt spielt.
1.) Deutschland gilt als eine der zehn wichtigsten Sammlernationen weltweit. Deshalb drängen viele internationale Unternehmen auf den deutschen Markt. Die Vernetzung im internationalen Sammler- und Händlerbereich dient der Völkerverständigung über Kulturen und Grenzen hinweg. Immerhin ist es doch bezeichnend, dass seit Jahrzehnten eine Deutsche die American Numismatic Society präsidiert.
2.) Dasselbe gilt für die Wissenschaft. Es stimmt mich traurig, dass nicht einmal erwähnt wird, wie führend Deutschland bei der Erforschung islamischer Münzen ist. Forschungsinstitute wie die Forschungsstelle für islamische Numismatik in Tübingen sind eine wunderbare Brücke zur arabischen Welt. Viele Wissenschaftler, die in diesem Bereich tätig sind, wurden in Tübingen ausgebildet.
3.) Praktisch jede Münze weltweit wird heutzutage mit Hilfe von deutscher Technologie geschaffen. Die drei wichtigsten Prägepressenproduzenten kommen aus Deutschland, und das schon seit Jahrzehnten, teilweise seit einem Jahrhundert. Deutsche Innovation und Handwerkskunst ist auch ein Stück deutscher Kultur.
4.) Wenn es um Gedenkmünzen geht, hat Deutschland Kanada als technologisch führende Nation abgelöst – nein, nicht in den staatlichen, sondern in den privaten Münzstätten. Techniken, die zum Beispiel B. H. Mayer in München heute für Gedenkmünzen entwickelt, werden morgen von den staatlichen Münzstätten weltweit nachgeahmt.
5.) Last but not least: Die weltweit größte und bedeutendste Münzenmesse wird in Deutschland abgehalten. Sie wurde zum Vorbild für die Münzenmessen in vielen anderen Ländern. Wenn heute in China, Japan, den Arabischen Emiraten und vielen anderen Nationen Münzenmessen à la World Money Fair existieren, dann ist das ein perfekter Export deutschen Ideenreichtums.
Das Problem: All diese Entwicklungen finden keinen Niederschlag in den nationalen Verbänden. Und wer nicht im Verband ist, kommt in Deutschland nicht vor.
Eine idiotische Bebilderung
Kommen wir zum Schluss noch auf die wirklich unterirdische Bebilderung zu sprechen. Man hätte genauso gut Farbkleckse nutzen können, um die Leerflächen zu füllen. Die Aussagekraft der Bilder tendiert gegen unter 0. Man hat (bewusst?) Münzen von miserabler Qualität in ultragroßer Vergrößerung, teilweise völlig unscharf fotografiert. Ich frage mich, welche Aussage Fotograf und Bildredaktion machen wollten, außer dass der Fotograf die Tiefenschärfe perfekt beherrscht.
Muss man das lesen?
Ja, muss man das nun lesen? Ach wäre das schön, wenn Politiker es lesen würden. Sie würden zumindest erfahren, dass es Münzen gibt und dass sie in Deutschland gesammelt und wissenschaftlich ausgewertet werden. Allerdings sind Politiker nicht gerade dafür bekannt, dass sie viel Zeit haben. Und ihre knappe Zeit investieren sie lieber in knappe Fact Sheets als in die trockenen Texte von Numismatikern.
Muss ein interessierter Laie es lesen? Sicher nicht. Sie werden nichts Neues erfahren.
Für wen ist das Heft gemacht? Ehrlich, keine Ahnung. Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich da einfach nur nicht genug weiß, um das zu verstehen.