Monnaie de Paris: Zwischen Sammelleidenschaft und Shitstorm
Von Sebastian Wieschowski
Während sich in aller Welt die Teilnehmer an den Olympischen Spielen auf ihre sportlichen Höchstleistungen vorbereiten, hat sich die Monnaie de Paris, Frankreichs renommierte Münzprägeanstalt, aus Sicht vieler Sammler wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert. Sie steht derzeit im Zentrum eines Sturms der Entrüstung. Was war passiert?
Inhalt
Der Grund für die Aufregung ist die kürzliche Ausgabe einer neuen 2-Euro-Gedenkmünze anlässlich der Olympischen Spiele 2024. Diese Münze, die den Eiffelturm in einer geschwungenen Darstellung zeigt, sollte eigentlich ein Höhepunkt der olympischen Münzserie sein, die Frankreich in den letzten Jahren herausgegeben hat. Doch stattdessen sorgt sie für Unmut – und inzwischen sogar für eine Flut an negativen Bewertungen für die erfolgsverwöhnte Monnaie de Paris.
2-Euro-Münzen in allen erdenklichen Formen – und Farben
Die Monnaie de Paris hatte große Pläne für die numismatische Begleitung der Olympischen Spiele – und eine breite Palette an Gedenkprodukten:
- Im April 2024 gab sie insgesamt 4 Millionen Münzen als Geschenk an französische Grundschüler aus. Zudem wurden 19,8 Millionen Münzen in der Standardqualität „unzirkuliert“ („UNC“) in Rollen produziert.
- 0,2 Millionen Münzen wurden in insgesamt 8000 speziell gestalteten Rollen und in der besseren Prägequalität „Fleur de Coin“ („FDC“) gegen Aufpreis angeboten.
- Eine Coincard mit einer Auflage von 10.000 Stück in der Qualität „BU“ (die beste der drei Stempelglanz-Varianten in Frankreich) wurde produziert.
- Dazu gibt es eine Variante in „Polierte Platte” mit einer offiziellen Teilcolorierung in einer Auflage von 20.000 Stück.
- Das numismatische Highlight sollte jedoch eine Spezialausgabe mit einem „Reverse-Proof“-Finish sein – dabei werden die standardmäßig matten beziehungsweise glänzenden Flächen der „Polierte Platte“-Optik sozusagen „vertauscht. Mit lediglich 4.000 Exemplaren zählt diese 2-Euro-Münze zu den Top-Raritäten des Jahres
Am 4. Juni sollten die Sammlerprodukte rund um das Thema „Olympische und Paralympische Spiele Paris 2024“ auf der Website der Monnaie de Paris in den Verkauf gehen. Insbesondere die Münze mit dem Reverse-Proof-Finish zog sofort die Aufmerksamkeit von Sammlern auf sich. Denn bereits vor dem Verkaufsstart war klar, dass nur wenige Exemplare in den regulären Verkauf gehen würden, da ein Großteil der Auflage an einen exklusiven Vertriebspartner weitergegeben wurde.
Pünktlich zum Verkaufsstart passierte erstmal nichts
Doch der Wettkampf um die begehrten Stücke nahm einen unerwarteten Verlauf: Der Verkaufsstart, der um 9 Uhr morgens geplant war, verzögerte sich um mehrere Stunden. Zudem war der Andrang offenbar so groß, dass die Server der Monnaie de Paris dem Ansturm nicht standhalten konnten. Viele Interessenten, die seit den frühen Morgenstunden gewartet hatten, waren frustriert.
Schließlich startete der Verkauf erst gegen Mittag, doch binnen kürzester Zeit waren alle verfügbaren Münzen ausverkauft. Und die wenigen Glücklichen, die eine Bestellbestätigung erhalten hatten, wurden kurze Zeit später enttäuscht: Die Monnaie de Paris teilte mit, dass technische Probleme dazu geführt hätten, dass viele Bestellungen storniert und die bereits gezahlten Beträge zurückerstattet werden mussten. Nur einzelne Kunden dürften wohl am Ende ihre Münze erhalten. Sie haben ein gutes Geschäft gemacht: Anstelle des Erstausgabepreises von 22 Euro kostet die Münze inzwischen rund 200 bis 300 Euro.
In Folge des missglückten Verkaufsstarts entbrannte ein regelrechter Shitstorm in den sozialen Medien und Onlineforen. Verärgerte Sammler forderten in französischsprachigen Facebook-Gruppen dazu auf, die Monnaie de Paris in Bewertungsportalen negativ zu bewerten. Dies führte zu einem raschen Anstieg negativer Bewertungen auf diversen Plattformen, beispielsweise auf „Trustpilot“: Hier hatte die Monnaie de Paris am 10. Juni eine Durchschnittsbewertung von nur 1,6 von bis zu 5 möglichen Punkten, acht von zehn Nutzern geben der Monnaie de Paris nur einen Stern. Das Gesamturteil: „Mauvais“, also „schlecht“. Und es machten in den Facebook-Gruppen sogar Gerüchte die Runde, dass negative Bewertungen entfernt wurden, was die Wut der Sammler nur noch verstärkte.
Sammler lassen ihrem Zorn freien Lauf
Was in den Kommentarspalten der Bewertungsportale zur Kundenzufriedenheit über die Monnaie de Paris zu lesen ist, dürfte die Verantwortlichen am Pariser Quai de Conti nicht erfreuen: Ein Münzensammler namens „Sylvain“ berichtet, dass die Münzen frühestens um 10:15 Uhr im Onlineshop freigeschaltet waren, obwohl eigentlich am, Dienstag, den 4. Juni um Punkt 9:00 Uhr der Verkaufsbeginn erfolgen sollte: „Da fangen die Probleme an. Münzen im Einkaufswagen, aber kein Weiterkommen. Bugs über Bugs. Nach zwei Stunden erbarmungslosen Kampfes beschloss ich, das Spiel aufzugeben – manche müssen arbeiten, im Gegensatz zu den IT-Abteilungen der MDP“, schimpft Sylvain. Sein Fazit: Er verzichtet auf die Reverse-Proof-Ausgabe, die auf dem Sekundärmarkt bereits „zu völlig irrsinnigen Preisen“ angeboten werde. „Spekulation statt Kundenzufriedenheit“, resümiert Sylvain. Und: „Überdenken Sie Ihre Geschäftspolitik.“
Auch Francis, der die französischsprachige Facebook-Gruppe „Euros Passion UNC-BU-BE“ moderiert und zu negativen Bewertungen der Monnaie de Paris aufgerufen hatte, hat ebenfalls einen Kommentar hinterlassen: „Ich habe am 4. Juni, dem Tag der Veröffentlichung der 2 Euro Münze zu den Olympischen Spielen in der Version BE & BU (Anmerkung der Redaktion: Hierbei handelt es sich um die französischen Bezeichnungen für „Polierte Platte“ und „Stempelglanz“, wobei „BU“ üblicherweise einem hohen Stempelglanz-Standard entspricht), enorme Probleme gehabt. Nach mehreren Stunden konnte ich sie endlich in meinen Warenkorb legen und per Kreditkarte bezahlen. Abgebucht am übernächsten Tag, aber Überraschung: Bestellung storniert und Rückerstattung erwartet! Eine Schande! Anstatt so viel belanglosen Schrott zu veröffentlichen, kaufen Sie sich ein zuverlässiges Computernetzwerk und stellen Sie gute Wartungstechniker ein!“
Ein anderer Kunde, der sich „Phil“ nennt, wird noch deutlicher: „Verkauf von nicht verfügbaren Teilen auf der Website !!!“ Lautet der Titel seiner Kritik – und dann kommt es knüppeldick: „Wenn die Pariser Münze ein Privatunternehmen wäre, wäre sie schon lange bankrott gegangen. Aber das ist ihnen egal, denn sie werden von unseren Steuern bezahlt und wir sind es, die ihre Inkompetenz und ihre Defizite finanzieren. Ein verlorener Tag beim Versuch, die neuen 2 Euro Münze zu den Olympischen Spiele zu bestellen. Die IT-Abteilung ist miserabel und inkompetent. Kundenservice, der nicht anwesend ist. Bankkonto zweimal belastet, aber keine Bestellung registriert. Verdient nicht einmal einen Stern!“
Die neuerliche Unruhe rund um die Monnaie de Paris wirft in vielen Onlineforen nicht nur die Frage nach der technischen Ausstattung einer der berühmtesten und renommiertesten Prägestätten der Welt auf, sondern auch nach der Kundenorientierung der Prägestätte – denn die Nerven und Bankkonten von Komplettsammlern werden bei den Franzosen ohnehin strapaziert, und die extrem seltene Sondervariante einer seltenen PP-Sammlermünze, deren Gesamtauflage fast komplett zu einem späteren Zeitpunkt über einen externen Distributor unters Volk gebracht wird, dürfte die Zufriedenheit der treuen Stammkunden der Monnaie de Paris wohl kaum steigern – der Beweis dafür ist in diversen Kommentaren auf „TrustPilot“ und Co. zu lesen.
Update vom 18. Juni: Antwort der Monnaie de Paris
Als Reaktion auf diesen Artikel hat uns die Monnaie de Paris kontaktiert und uns folgendes Statement zukommen lassen, das wir hier gern ergänzen:
Die Monnaie de Paris ist sich der Probleme bewusst, mit denen sich unsere Kunden am 4. Juni konfrontiert sahen, obwohl unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Online- und Einzelhandel, im Kundensupport, in der Kommunikation und der IT ihr Bestes gegeben haben. Wir bedauern sehr, dass einige Kunden die verschiedenen Varianten der 2-Euro-Münze aufgrund der enormen Nachfrage nicht erwerben konnten, die Prägeauflage war dafür nicht ausreichend. Sammlermünzen können innerhalb weniger Stunden ausverkauft sein. Und die beispiellose Nachfrage nach dieser Münze, die mit keiner anderen von uns in den letzten sechs Jahren ausgegebenen Münze vergleichbar ist, hat zudem zu Kapazitätsproblemen auf unserer Website geführt, die erst am Nachmittag behoben werden konnten. Wir möchten uns aufrichtig für diese Unannehmlichkeiten entschuldigen und sind uns bewusst, dass wir den Erwartungen unserer wichtigsten Kunden nicht gerecht werden konnten. Wir werden unser Bestes tun, um diese Probleme zu beheben und unsere Lehren aus dieser Situation für zukünftige Projekte zu ziehen.