alle News

INORCOAT: Wie die Münzherstellung nachhaltiger wird

von Ursula Kampmann

Ärgern Sie sich auch zu oft über Gesetze, die das Leben schwieriger machen, ohne etwas zu bewirken? Wir kennen ein Gegenbeispiel: Das geplante Verbot galvanischer Beschichtung mit ChromVI verhilft einer innovativen Technik zum Durchbruch, die für die Münzprägung entscheidende Vorteile hat. Romain Waidelich von INORCOAT gewährt uns einen Blick hinter die Kulissen.

Inhalt

 Foto: INORCOAT.

Foto: INORCOAT.

Seit 2017 steht ChromVI auf der EU-Liste der Umweltgifte. Und das zu Recht. Es gilt als toxisch und krebserregend. Besonders die Inhalation führt zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko. Deshalb darf seit dem 21. September 2024 ChromVI in Deutschland nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung verwendet werden. Die muss mit einer umfangreichen Dokumentation – und wir sprechen hier von mehreren hundert Seiten – bei der ECHA, der Europäischen Chemikalienagentur, beantragt werden. Selbst wenn ein Betrieb alle Bedingungen für eine Ausnahmegenehmigung erfüllt, ist es zweifelhaft, ob er die noch rechtzeitig erhält. Denn die ECHA ist aktuell mit Anträgen überhäuft, die alle eine umfangreiche Prüfung erfordern…

Wozu braucht es in der Münzherstellung eigentlich ChromVI?

Von diesem geplanten Verbot sind auch die deutschen Münzprägestätten betroffen. Denn die galvanische Verchromung, welche ChromVI als Nebenprodukt produziert, ist ein zentraler Prozess bei der Herstellung von Prägewerkzeugen. Münzstempel werden nämlich vor ihrem Einsatz in einer Prägepresse mit galvanischem Chrom überzogen, um sie so haltbarer zu machen. Die Beschichtung mit ChromVI vermeidet das Phänomen, das numismatische Auktionshäuser als „müden Stempel“ bezeichnen. Sie sorgt dafür, dass der Stempel sich nicht so schnell abnutzt und mehr Münzen aus einem Stempelpaar geprägt werden können, ehe das Prägewerkzeug ersetzt werden muss.

Um nun dieses Galvanische Cr auf den Stempel aufzubringen, braucht es – vereinfacht gesagt – eine sehr lange Reihe von Wannen, in denen sich abwechselnd Säure, Lauge und Spülflüssigkeiten befinden. All diese Wannen durchwandert ein Stempelpaar, um mittels Elektrolyse mit Chrom überzogen zu werden. Natürlich gibt es inzwischen hervorragende Methoden zur Wasseraufbereitung. Aber wie Günther Waadt, der ehemalige Leiter des Bayerischen Hauptmünzamts, erklärt: „Galvanik ist einfach immer etwas unsauber, da können Sie noch so akribisch putzen. Irgendwo spritzen die Säuren durch die Gegend.“

PVD Coatings von Münzstempeln wird in Maschinen wie dieser hier erledigt: der kompakten MS 700 von INORCOAT. Foto: INORCOAT.

PVD Coatings von Münzstempeln wird in Maschinen wie dieser hier erledigt: der kompakten MS 700 von INORCOAT. Foto: INORCOAT.

PVD Coating als Alternative zur Galvanik

Die Beschichtung mittels PVD hat sich in den letzten Jahren als hervorragende Alternative zur Galvanisierung etabliert. PVD heißt zunächst nichts anderes als Physical Vapour Deposition, also physikalische Gasphasenabscheidung. Das bedeutet, dass innerhalb einer Maschine ein Metalldampf erzeugt wird, der auf den zu beschichtenden Gegenstand als dünne, stark haftende Schicht abgeschieden wird. Aufgetragen werden kann eigentlich jedes Metall, entweder in reiner Form oder als Legierung. Der Prozess wird in einer Hochvakuumkammer durchgeführt und ist natürlich wesentlich komplizierter als es diese kurze Erklärung auch nur erahnen lässt. Jede Beschichtung verlangt nämlich eine eigene Rezeptur. Die legt die Zusammensetzung der Materialien und die Reihenfolge, in der sie aufgetragen werden, fest.

In solchen Anlagen werden die Stempel in einer Hochvakuumkammer beschichtet. Foto: INORCOAT.

In solchen Anlagen werden die Stempel in einer Hochvakuumkammer beschichtet. Foto: INORCOAT.

Romain Waidelich verrät, dass die Qualität einer Beschichtung wesentlich von der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Entwickler abhängt. „Wir bei INORCOAT entwickeln die Beschichtung genau nach den Anforderungen unserer Kunden. Dazu führen wir aufwändig kontrollierte Testserien mit Materialmustern und Prototypen unserer Kunden durch. Damit bestimmen wir die perfekte PVD Konfiguration für jede Anwendung.“

Stempel während der Behandlung im Metalldampf. Foto: INORCOAT.

Stempel während der Behandlung im Metalldampf. Foto: INORCOAT.

In der Praxis heißt das, dass die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn das PVD System kundenspezifisch angepasst wird. „Wird in einer kleinen Anlage ein einziger Gaspunkt benötigt, dann wird auch nur eine Ventilinsel verbaut. Das reduziert die Komplexität und die Kosten“, erläutert Romain Waidelich. „Wenn später andere Anwendungen durchgeführt werden sollen, können wir alle unsere Standardanlagen auf diese neuen Bedürfnisse hin ausbauen. Damit genießt der Kunde höchste Flexibilität.“

Neuer Rekord: 14 Millionen kroatische Euro-Münzen aus einem Stempelpaar!

Was eine perfekte Konfiguration ermöglicht, zeigen die Rekorde, die die kroatische Münzstätte anlässlich der Euro-Einführung aufstellte. Das war auch nötig. Die Motivfindung war kompliziert, löste öffentliche Diskussionen im In- und Ausland aus und verschob so die Herstellung der Münzstempel immer weiter nach hinten. Erst am 18. Juli 2022 fiel der Startschuss mit dem offiziellen Prägebeginn der 420 Millionen kroatischen Euro-Münzen. Ein großer Teil davon musste bereits vor dem 1. Januar 2023 bei Banken und Supermärkten sein. Der Termin stellte also für die verhältnismäßig kleine kroatische Münzstätte eine logistische Herausforderung dar, die sie bravourös bewältigte.

Schließlich gehören die kroatischen Münztechniker zur Weltspitze. Sie präsentieren stolz eine technische Meisterleistung nach der anderen. Ob die Kravatte“ von 2023 – zwei Münzen in einer special shape, die sich ineinander legen und so zu einem neuen Objekt zusammensetzen lassen – oder die kleinste Münze der Welt: in Kroatien setzt man auf innovative Technologie im Dienste der Münzprägung.

Die kroatischen Euromünzen wurden mit Stempeln geprägt, die dank einer INORCOAT Beschichtung außergewöhnlich robust waren. Fotos: Kroatische Nationalbank.

Die kroatischen Euromünzen wurden mit Stempeln geprägt, die dank einer INORCOAT Beschichtung außergewöhnlich robust waren. Fotos: Kroatische Nationalbank.

Romain Waidelichs Konzept fiel also auf fruchtbaren Boden. Man entschied sich kurz vor der Euro-Umstellung für das neue System und wurde nicht enttäuscht. Denn die Zahl der Münzen, die aus einem einzigen Stempelpaar geprägt wurde, erhöhte sich durch die INORCOAT Beschichtung drastisch. Normalerweise wechselt man die Prägewerkzeuge von Umlaufmünzen nach 200.000 bis 300.000 Pressvorgängen aus. Dank der neuen Technik war das nicht nötig. Romain Waidelich schwärmt: „Die PVD Technologie ermöglichte es, die Standzeit eines Stempelpaares auf durchschnittlich 1,5 Millionen Prägungen zu erhöhen. Ja, mit einem einzigen Rekordstempel konnten unglaubliche 14 Millionen Münzen hergestellt werden.“

Damit genügten 289 Stempelpaare, um die gesamten 420 Millionen kroatischen Euro-Münzen rechtzeitig fertigzustellen. Diese Leistung trug der kroatischen Münzstätte gemeinsam mit INORCOAT einen Rang unter die Finalisten des renommierten IACA Award 2023 ein.

Stempel aus dem Bayerischen Hauptmünzamt mit umweltfreundlicher Beschichtung

Seit 2024 setzt nun auch das älteste Unternehmen Münchens, das bayerische Hauptmünzamt, auf die neue Technologie. Auslöser war nicht nur die neue Gesetzgebung, sondern auch ein Verantwortungsgefühl für die Mitarbeiter. Günther Waadt schildert das Ausmaß ihrer Gesundheitsgefährdung so: Man könne es daran erkennen, „dass sich die Beschäftigten in einer Galvanik einer jährlichen Vorsorgeuntersuchung unterziehen müssen, die auch nach Beendigung der Tätigkeit fortgesetzt werden muss“.

Statt sich nun in den aufwändigen Prozess zu stürzen, eine Ausnahmegenehmigung durchzusetzen, die das Bayerische Hauptmünzamt als systemrelevante Institution sicher erhalten hätte, entschied Günther Waadt, eine PVD-Anlage von INORCOAT zu erwerben. München ist damit die dritte staatliche Münzstätte, die so eine Anlage einsetzt, nach Portugal und Kroatien und dicht gefolgt von der polnischen Münze und anderen privaten Münzen. Das liegt auch daran, dass es gerade für staatliche Unternehmen immer wichtiger wird, nachhaltig zu produzieren, wie Günther Waadt erklärt: „Wir sind seit 2006 auf die ISO Norm 14001 zertifiziert, mit allem, was dazugehört. Das heißt, wir zeichnen Verbräuche auf, wir definieren Umweltziele, wir wissen, wie viele KWh die Herstellung einer Ein-Cent Münze benötigt, wir machen Aufzeichnungen über CO2-Verbräuche, über Stickoxid-Verbräuche (NOx), über Feinstaub. … Wir haben uns deshalb gegen die Fortführung der Galvanik und für die Einführung von PVD entschieden – obwohl das Verfahren im Vergleich zur bestens etablierten Galvanik sehr komplex ist, da noch kaum Erfahrungswerte vorliegen.“

Diese Erfahrungswerte wurden gemeinsam mit Romain Waidelich von INORCOAT erarbeitet.

Romain Waidelich: Passion for PVD

Mit ihm hatte das Bayerische Hauptmünzamt einen Partner gefunden, der für die PVD Technik brennt. Passion for PVD, so lautet der Wahlspruch des gelernten Industriekaufmanns, und tatsächlich hat sich seine INORCOAT zu einem Technologieführer entwickelt. Sein umfassendes Wissen verdankt er nicht nur dem Studium an renommierten Universitäten in Deutschland und Frankreich, sondern auch mehr als 20 Jahre in technische Berufen rund um den Anlagebau und natürlich auch der PVD Branche.

Romain Waidelich entschloss sich im Dezember 2018, seine eigene Firma zu gründen, die eigentümergeführte INORCOAT. Seitdem hat die einen rasanten Aufstieg hingelegt. Als europäisches Unternehmen mit Standorten in Deutschland und Bulgarien, kommt ab dem dritten Quartal 2025 eine neue Werkhalle im polnischen Przeworsk. Die Baugenehmigung für die 700 Quadratmeter große Produktionshalle ist bereits erteilt und der Bau wird im Februar 2025 beginnen.

5-7 Monate für die Aufnahme des Betriebs in einer komplett neuen Produktionshalle. Das charakterisiert Romain Waidelich hervorragend. Er ist immer in Bewegung, sprüht vor Ideen und sucht ständig neue Herausforderungen. Es macht ihm Spaß, mit Kunden zusammenzuarbeiten und ihnen zu helfen, ihren Produktionsprozess auf PVD-Beschichtung umzustellen. Das klappte – trotz der Vorbehalte von Günther Waadt – auch in München perfekt, wie Romain Waidelich erzählt: „Die Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Münzamt war ausgezeichnet. Dank der guten Vorbereitung, konnte die Beschichtungsanlage innerhalb von 2 Tagen in Betrieb genommen werden und war bereits nach einer Woche im operativen Einsatz.“

Nicht nur auf Prägestempel, auch auf Münzen kann PVD-Coating aufgebracht werden. Das führt einerseits zu zusätzlichem Schutz und ermöglicht andererseits eine breite Palette von Farben, wie diese Münzen der portugiesischen Münzstätte eindrucksvoll zeigen. Foto: INORCOAT.

Nicht nur auf Prägestempel, auch auf Münzen kann PVD-Coating aufgebracht werden. Das führt einerseits zu zusätzlichem Schutz und ermöglicht andererseits eine breite Palette von Farben, wie diese Münzen der portugiesischen Münzstätte eindrucksvoll zeigen. Foto: INORCOAT.

Eine Technik der Zukunft

Wir dürfen also gespannt sein, wie es weiter geht. Denn, so Romain Waidelich: „Wir stehen erst am Anfang. Im Münzbereich ist PVD mittlerweile eine Technik, an der niemand vorbei kommt. Und ich habe schon viele andere Ideen, wofür man unsere Anlagen brauchen kann.“

Dem kann man nur zustimmen. Zum Beispiel nutzen Musiker bereits Instrumente, die PVD-beschichtete Bestandteile enthalten. Das bayerische Traditionsunternehmen Schaller, das seit 1945 E-Gitarren und Bestandteile unter anderem für Jimi Hendrix und Keith Richards produziert, hatte keine Lust auf die bürokratische Hängepartie zur Ausnahmegenehmigung einer Galvanik. Seit April 2024 stehen dort stattdessen zwei Anlagen von INORCOAT.

Nichts mehr verpassen?

NEWSLETTER HIER ABONNIEREN