In God we Trust
von Ursula Kampmann
Die Oesterreichische Nationalbank hat sich für ihre aktuelle Ausstellung eine überaus ambitionierte Frage gestellt: Warum gibt es religiöse Botschaften auf unserem Geld? Und warum streiten Menschen darüber, ob und in welcher Form religiöse Botschaften auf unserem Geld erhalten sein sollen?
Inhalt
Soll Göttliches auf unserem Geld angerufen werden?
Der Katalog illustriert diese Frage mit vier aktuellen Beispielen. Er verweist auf den amerikanischen Dollar und fasst zusammen, seit wann und unter welchen Umständen das Motto „In God we trust“ zum verpflichtenden Attribut amerikanischen Geldes wurde. Es folgt der Fall „Israel“: Dort wird derzeit heiß diskutiert, ob die Banknoten einen Verweis auf den Schöpfer der Welt tragen sollen. Auch in Kambodscha und Indien stellen Aktivisten ähnliche Fragen.
Und von diesen Beispielen geht der Weg direkt in die Vergangenheit: Über Venedig und Alexander den Großen ins alte Griechenland.
Denn die Ausstellung will die Verbindung des Göttlichen mit dem Geld nachzeichnen. Ein hoch spannendes Thema! Leider tut sie das in einer Form, die wir seit dem 19. Jahrhundert kennen: Eine Münze mit einer Götterdarstellung liegt neben der nächsten Münze mit einer anderen Götterdarstellung. Auch das Bild der antiken Religionen, das dieser Katalog vermittelt, greift die neuere Forschung nicht auf. Wie schade!
Warum stellen griechische Münzen Götter dar?
Natürlich geht es bei der Darstellung des Göttlichen immer um Identität, das stellt auch der Katalog fest. Schließlich standen die göttlichen Mächte, die eine Stadt begünstigten, in der Mitte des bürgerlichen Zusammenhalts.
Aber nein, es gab eben keine strenge Rangordnung in ganz Griechenland, in der die Olympischen Götter eine entscheidende Rolle spielten, wie im Katalog postuliert. Hier vermittelt die aktuelle Forschung ein völlig anderes Bild: Jede einzelne Gemeinschaft besaß ihr eigenes Pantheon, das bunt gemischt aus lokalen Varianten der olympischen Götter, aus Naturgottheiten und Heroen bestand. In Ephesos wurde eben nicht die Artemis verehrt, sondern die Artemis Ephesia in ihrer ganz speziellen, Ephesos-eigenen Gestalt, genauso wie in Brauron die Artemis Brauronia.
Überhaupt, die Rituale, statt zu wiederholen, was so schon bei Gustav Schwab zu lesen ist, wäre es schön gewesen, wenn die Ausstellung auf griechische Rituale eingegangen wäre. Denn die Verehrung der städtischen Gottheiten war Bürgerpflicht und ein großes Fest. Deshalb war es für jeden Bürger selbstverständlich, bei den Festen der Hauptgottheit mitzumarschieren.
Wenn also eine Gottheit auf einer Münze erschien, dann war es tatsächlich eine Frage der gelebten Identität; die abgebildete Gottheit mit ihren speziellen Attributen war etwas, mit dem sich alle Bürger einer Stadt identifizieren konnten. Deshalb wäre es sinnvoller gewesen zu beschreiben, was die Stadt mit ihrer Gottheit verband, als das zu wiederholen, was der interessierte Leser auch bei Wikipedia finden kann und die Autoren des Katalogs – wie im Literaturverzeichnis nachgewiesen – dort tatsächlich nachschlugen!
Warum stellen römische Münzen eigentlich Götter dar?
Nein, die römische Götterwelt wurde nicht von Personifikationen der Natur und Naturereignisse geprägt. Stattdessen wurden Teile des Alltags als göttliche Mächte verstanden und ihr Funktionieren durch Rituale mit magischen Zügen gewährleistet. Vesta zum Beispiel wird bis zum Untergang des Römischen Reichs von den Vestalinnen im nie erlöschenden Herdfeuer gehütet.
Und nein, die griechische Götterwelt wurde sicher nicht durch die Etrusker quasi nach Rom importiert. Da in Rom der Gott an den Aufgaben gemessen wurde, übersetzte man seinen Namen in die Namen der Gottheiten, die in anderen Weltgegenden Gleichartiges leisteten. So mutierte Apollon eben zu seinem keltischen Äquivalent Grannus, wenn die römischen Soldaten ihre Glieder in keltischen Heilbädern wärmten. Und wenn es in Rom mal keinen Gott gab, der eine Aufgabe erfüllen konnte, dann importierte man ihn unter großem Aufwand auf Senatsbeschluss aus dem Ausland, so geschehen mit Asklepios und Kybele.
Warum aber in Rom Götter auf Münzen sind, das hat – nach einer Übergangsphase, als griechische Münzschneider für das römische Geld verantwortlich zeichneten – spätestens seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. nichts mit Identität zu tun, sondern mit der Selbstdarstellung der Männer, die für die Herausgabe der Münzen verantwortlich waren. Sie illustrierten durch die Abbildung von Göttern, dass ihre Gens über die Tugend der Pietas verfügte, jener klassisch römischen Verbindung aus Ehrerbietung gegenüber den Göttern, den Regeln der Vorfahren und der res publica. Das war wichtig, denn Römer wählten nun einmal gerne Mitglieder von Geschlechtern, die einen heißen Draht zur Götterwelt hatten. Dass sich die Kaiser systematisch als Lieblinge der Götterwelt gerierten und damit gleichzeitig ihre Tugenden ins rechte Licht rückten, brauchen wir hier wohl nicht auszuführen.
Warum stellte man im Mittelalter Heilige auf Münzen dar?
Ja, und dann geht’s mitten hinein ins Mittelalter, bei dem der Heilige als Identifikationsobjekt die Götter ablöst. Auch in den mittelalterlichen Städten gab es ein stadteigenes „Pantheon“. Das nennt man natürlich anders, aber auch hier spielten die in einer Stadt aufbewahrten Reliquien eine entscheidende Rolle. Deshalb finden wir auf städtischen Münzen häufig Heilige dargestellt, die von den Bürgern einer Stadt – ähnlich wie in der griechischen Antike – mit Festlichkeiten und Prozessionen geehrt wurden, an denen alle Bürger teilnahmen. Identität, Sie erinnern sich!
Dass die Kaiser andere Motive für ihre Münzen wählten, dass sich die Münzdarstellungen in den Städten veränderten, die für sich die Reformation entschieden, das sei hier nur am Rande erwähnt. Es wäre aber natürlich auch ein wunderbares Thema für die Ausstellung gewesen, um zu illustrieren, dass die Frage nach dem Göttlichen im Münzbild letztendlich immer die Frage nach der Rolle ist, die das Göttliche in unserem Staat spielen soll.
Was ist der Zweck einer Ausstellung?
Warum habe ich mit Ihnen diesen kleinen religionsgeschichtlichen Exkurs gemacht? Ganz einfach, weil der Katalog zur Ausstellung „In God we Trust“ es nicht tut. Er ist eine Aneinanderreihung korrekter und fraglicher Aussagen, die bunt gemischt ein ziemliches Durcheinander darstellen.
Ich weiß natürlich, wie schwierig es ist, für eine breite Masse ein komplexes Thema aufzubereiten. Ich weiß, dass man manchmal an einer Vereinfachung nicht vorbeikommt. Aber gerade wenn man mit Nicht-Fachleuten umgeht, ist es umso wichtiger, in allen Aussagen korrekt zu sein. Denn der Laie ist nicht in der Lage zu unterscheiden, was stimmt und was nicht, was ein Wissenschaftler eigentlich können sollte.
Ich kritisiere inzwischen nicht mehr so gerne, wie ich das noch vor einigen Jahrzehnten getan habe. Ich weiß inzwischen selbst gut genug, wie oft die hohen Ansprüche, die ein jeder an sich stellt, vom Zeitmangel eingedampft werden. Aber wir müssen auch über den Bildungsauftrag sprechen, den eine eminente Institution wie die Oesterreichische Nationalbank hat. Ich weiß nicht, wie viele Schulklassen die Ausstellung durchlaufen, aber sie alle werden danach den Eindruck haben, dass die Monster und Götter aus den Percy Jackson Romanen tatsächlich das repräsentieren, woran die Griechen und Römer glaubten.
Für mich ist diese Ausstellung ein wunderbares Exempel dafür, dass die Numismatik eben nur dann sinnvoll betrieben werden kann, wenn man gleichzeitig den gesamten historischen, kulturellen und geistesgeschichtlichen Hintergrund der Münzen auf dem Schirm hat. Und wer für diese Ausstellung verantwortlich ist, der hatte das nicht.
Der Katalog zur Ausstellung liegt in deutscher und englischer Sprache vor.