Die Edelmetall- und Rohstoffmesse ist tot – es lebe das „Forum One“
von Sebastian Wieschowski
Die „Internationale Edelmetall- und Rohstoffmesse“ ist vielen Privatanlegern in Deutschland als bodenständige Veranstaltung in Erinnerung geblieben. Alljährlich stand man in herbstlicher Kälte vor dem S-Bahn-Museum in München, ließ sich auch von fiesem Regen nicht abschrecken und diskutierte im Dunstkreis von dichtem Zigarettenrauch über die Zukunft der Finanzmärkte. Drinnen konnten Münzen und Barren nach Herzenslust gekauft werden, außerdem gaben sich hochkarätige Redner die Klinke – oder besser gesagt: das Mikrofon – in die Hand.
Inhalt
Die Veranstaltung hatte sich – zuerst in der Event-Arena des Olympiaparks in München und zuletzt als Präsenzveranstaltung im Jahr 2022 im MVG-Museum in der Ständlerstraße – zum Treffpunkt für diejenigen entwickelt, die einen Teil ihrer Rücklagen in Gold und Silber angelegt haben, um es vor der Inflation zu schützen – oder gar vor dem ganz großen Crash, der seit Jahren beschworen wird, aber weiterhin auf sich warten lässt. Trotzdem wurde die Edelmetall- und Rohstoffmesse zu einem festen Termin im Kalender vieler Gold-Fans. Umso erstaunlicher war die Nachricht, dass es die „alte“ Edelmetall- & Rohstoffmesse nicht mehr geben würde.
Treffpunkt der Poster-Boys der Gold-Fans
Die Nachfolge-Veranstaltung hatte auf den ersten Blick nur noch wenig mit ihren Ursprüngen gemein: „Forum ONE – Wo Expertise auf Exklusivität trifft“, heißt es geradezu glamourös auf der Internetseite des neuen Veranstaltungsformates – „mit dem besonderen Flair“, wohlgemerkt. Die Veranstalter versprachen: „Inmitten eines stilvollen Ambientes führt ForumONE Investments und Investoren zusammen.“
Danach ging es blumig weiter: „Alles ist im Wandel, doch eine Konstante bleibt: Ohne Rohstoffe und kreative Innovationen gibt es weder Fortschritt noch Wohlstand.“ Oder mit anderen Worten: Reichlich Marketing-Sprech. Dazu ein gepfeffertes Eintrittsgeld von 125 Euro für das Tagesticket anstelle von 10 Euro in den „goldenen“ Jahren der ursprünglichen Edelmetallmesse.
Und damit nicht genug: In der Redner-Liste fanden sich illustre Namen wie Dr. Markus Krall, der als Chef des Edelmetallhändlers Degussa mit streitbaren politischen Positionen auffiel und schließlich seinen Hut nehmen musste, oder Ronald Tichy, der einst Chefredakteur der Wirtschaftswoche war und inzwischen mit „Tichys Einblick“ ein „liberal-konservatives Meinungsmagazin“ etabliert hat, dass nach Einschätzung vieler Kritiker irgendwo zwischen CDU und AFD zu verorten ist.
Wird die neue Rohstoffmesse also zum Sammelbecken der „Neuen Rechten“, die Themen wie „Vermögensschutz mit Gold“ oder „Anlagenotstand“ nutzen, um die Untergangs-Angst ihrer Jünger zum Verkauf von Büchern, Online-Abos oder gar Investment-Fonds zu animieren? Die nüchterne Antwort nach dem ersten Tag der Veranstaltung lautet: Nein.
Zwar waren viele „Poster-Boys“ der Crash-Szene vertreten, darunter Fondsmanager & Autor Dr. Uwe Bergold, Experte mit Fokus auf Minenaktien, Goldfonds-Manager Martin Siegel oder Investoren-Legende Doug Casey, der nach eigenen Angaben „über 155 Länder besucht und in zehn von ihnen gelebt hat und aktiv im Polo, Fallschirmspringen, Kampfsport, Tauchen, Autorennen, Wettkampfschießen war sowie darin, kleine rückständige Länder zu einer radikalen Marktwirtschaft zu bewegen.“ Kurzum: Er war Experte für „Alles“.
Crash-Propheten rissen sich am Riemen
Am Ende des ersten Konferenztages stand jedoch fest: Einzig Casey nutzte die Gelegenheit, ein wenig über die Stränge zu schlagen, indem er der deutschen Zuschauerschaft ernsthaft empfahl, nach Uruguay auszuwandern, weil sich die deutsche Kulturnation im Untergang befände. Ansonsten beschränkte sich jedoch sogar der Großmeister, der sich aus Kanada zuschalten ließ, auf alltagstaugliche Ratschläge. Kleine Kostprobe: Anleger sollten vor allem kleine Goldmünzen kaufen, um beim Zoll nicht dumm aufzufallen.
Die üblichen Redner lieferten – ein paar unvermeidliche Seitenhiebe auf die Lieblingsfeinde von „den Grünen“ und „der Regierung“ oder „den Mächtigen“ ausgenommen – solide Fachvorträge, mit denen sie die Möglichkeiten des Edelmetall-Investments aus ihren jeweiligen Blickwinkeln anschaulich und kurzweilig aufbereiteten.
Auf der Spur der Erfolgsgeschichte des Goldes
In seinem Eröffnungsvortrag zeichnete Dr. Uwe Bergold die Erfolgsgeschichte des Goldes nach, das sich seit 2005 „ver-acht-facht“ hat. Bergold betonte immer wieder, dass man niemals den Goldpreis an sich betrachten solle, sondern die Währungen in Relation zum Goldpreis: „Der Goldpreis ist das Urgeld und ein Indikator für die Entwertung der Währungen.“ Bergold verwies auf die Notierung von Gold in vielen Währungen, in denen Gold seit Jahrzehnten immer wieder neue Allzeithochs liefert, beispielsweise Argentinien oder die Türkei, wo der Goldpreis im Jahr 2011 bei 3000 Lira lag und aktuell über 50.000 Lira notiert. „Er kann problemlos auf 500.000 oder fünf Millionen steigen, das entscheidet nur die Notenbank“, orakelte Bergold.
Nach ihm nahm der Hedgefonds-Gründer Matthew Piepenburg eine kritische Haltung gegenüber seiner amerikanischen Heimat ein und kontrastierte das „ikonische Amerika“ mit dem „schuldengeplagten Amerika“. Er kritisierte die US-Politik und vor allem die früheren Präsidenten, die ihre Wahlsiege auf Kredit finanziert hätten und das Schuldenproblem durch immer neue Schulden zu lösen versuchen. Bei allerlei ökonomischen Binsenweisheiten wurden jedoch auch Fakten präsentiert, die ernsthafte Besorgnis auslösen könnten: So seien nach der Berechnung von Piepenburg seit 1981 die US-Schulden um das 53-fache gestiegen, während das US-BIP „nur“ um das 22-fache zugelegt habe.
Viele starke Worte, die nachhallten
Abseits der erwartbaren Plädoyers für Gold, Silber und Co. gab es jedoch auch einige Überraschungsmomente – beispielsweise die Verleihung des Preises der „Deutschen Edelmetallgesellschaft“ an den früheren Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele. Er gilt als der Vater der Transparenz-Offensive rund um die deutschen Goldreserven und plauderte aus dem Nähkästchen eines obersten Währungshüters – beispielsweise von Ortsterminen an den Lagerstätten des deutschen Staatsgoldes in Frankreich, England und den Vereinigten Staaten – während die deutschen Goldbarren in Paris fein säuberlich in Behältnisse von der Anmutung eines Schuhkartons verpackt waren, lagen sie in der Bank of England immerhin gebündelt auf Stahlträgern und bei der New Yorker Fed ganz lieblos wie Ziegelsteine aufeinander.
Thiele fand Worte, die auch nach dem Ende der Veranstaltung nachhallten: „Ich plädiere dafür, dass die deutschen Goldreserven nicht verkauft werden, sondern in der Bundesbank verbleiben, um das Vertrauen der Bevölkerung in die deutschen Währungsreserven aufrecht zu erhalten.“
Nach dem ersten Tag des „Forum One“ wurden diejenigen, die einen Flop erwartet hatten und sich die „alte“ Edelmetall- und Rohstoffmesse zurückgewünscht haben, enttäuscht. Die Exklusivität, die auf der Veranstaltungs-Website noch reichlich überheblich rüberkam, war dem Erkenntnisgewinn der zahlenden Gäste durchaus zuträglich – denn so konnten sie sich ohne Gedrängel und Getümmel in den Pausen angeregt unterhalten oder einen von zwölf Unternehmensständen im Foyer des Münchner Sofitel-Hotels besuchen.
Für willkommene Abwechslung sorgte neben Minenbetreibern und Edelmetallhändlern ausgerechnet ein Aussteller aus der Welt der Numismatik: Die Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG aus Osnabrück lud die Messebesucher ein, in die faszinierende Welt der sogenannten „Kurantmünzen“ einzutauchen – denn die Goldmünzen des 19. Jahrhunderts erfreuen nicht nur den leidenschaftlichen Numismatiker, sondern auch den preisbewussten Edelmetall-Anleger.