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Das Kanopen-Fiasko: Ein Lehrstück in Sachen Bürokratie

von Ivan Macquisten

In diesem Artikel führt uns Ivan Macquisten anhand eines abschreckenden Beispiels lebhaft vor Augen, was uns nach der Umsetzung der neuen EU-Einfuhrlizenzverordnung im Juni 2025 blühen könnte.

Anfang dieses Jahres erwarb ein Händler in Paris zwei relativ preiswerte Kanopen von ihrem Besitzer in Kalifornien, dessen Urgroßvater – ein Freund des berühmten Ägyptologen und Entdeckers des Grabes von Tutanchamun, Howard Carter – sie seit vielen Jahren besessen hatte.

Die Gefäße wurden Anfang Mai an den Händler in Paris geschickt und der Händler wurde zeitnah über ihre Ankunft in Paris benachrichtigt. Doch sie sollten nie in seiner Galerie ankommen.

Es stellte sich heraus, dass sie vom Zoll zur Kontrolle zurückgehalten wurden. Der Händler legte dem Zoll ordnungsgemäß alle Papiere vor, die er vorliegen hatte. Die Zollbeamten wollten allerdings nur den Kaufbeleg, der ebenfalls ordnungsgemäß vorgelegt wurde. Sie führten ihre Inspektionen und Kontrollen fort und setzten sich auch mit den ägyptischen Behörden in Verbindung, um zu erfahren, ob die Kanopen als gestohlen oder illegal ausgeführt eingestuft worden waren.

Zwei Monate später waren die Zollbehörden zufrieden. Sie hatten sichergestellt, dass die Kanopen rechtmäßig verkauft und nach Frankreich eingeführt worden waren. Sie wurden jetzt dem Kurierdienst übergeben. Doch abermals kamen die Kanopen nicht in der Galerie des Händlers an.

Da der Händler keine Nachricht erhalten hatte, wandte er sich Ende Juli an den Kurierdienst, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. Er erhielt die Antwort, dass die Kanopen bald geliefert würden. Die Verzögerung sei darauf zurückzuführen, dass der Spediteur im Urlaub gewesen sei.

Da der Händler bald selbst in den Urlaub fahren würde, wies er den Kurierdienst an, dafür zu sorgen, dass die Pakete bis spätestens 4. August geliefert würden. Obwohl ihm versichert wurde, dass dies geschehen würde, kamen die Pakete – Sie ahnen es bereits – nicht rechtzeitig an.

„Ihr Paket konnte nicht zugestellt werden“

Als der Händler erneut beim Kurierdienst nachfragte, teilte dieser mit, er habe versucht, die Pakete zuzustellen, aber die Adresse sei falsch. Der Händler bestätigte daraufhin die Zustelladresse, bat aber darum, die Pakete bis zu seiner Rückkehr aus dem Urlaub Ende August zurückzuhalten, was beim Sendungsverfolgungsdienst registriert wurde. Trotzdem wurden drei weitere Zustellversuche unternommen, ohne dass der Händler kontaktiert wurde, und die Pakete landeten wieder im Lager. Am 20. August stufte das Versandunternehmen die Pakete als „unzustellbar“ ein und beschloss, sie an den Absender in die USA zurückzuschicken.

Zufällig entdeckte ein Spediteur am Pariser Flughafen, der an den früheren Zollkontrollen beteiligt gewesen war, dass die Pakete zurückgeschickt worden waren. Er stoppte sie und kontaktierte den Händler am 2. September per E-Mail, um ihn darüber zu informieren. Er stimmte zu, die Pakete am nächsten Tag erneut an den Kurierdienst zu übergeben.

Wieder erhielt der Händler keine Nachricht vom Kurierdienst, und die Pakete kamen nie an.

Als er sich erneut an den Kurierdienst wandte, erfuhr er, dass die Pakete wieder zum Flughafen geschickt worden waren, um in die USA zurückgeschickt zu werden.

Dieses Mal wandte sich der Händler per E-Mail an denselben Spediteur am Pariser Flughafen, der ihm mitteilte, dass er versuchen werde, die Pakete aus dem Flugzeug zu holen. Später informierte er den Händler, dass es ihm gelungen sei. Da der Händler nun nichts dem Zufall überlassen wollte, fuhr er zum Flughafen, um die Pakete persönlich abzuholen, stellte aber fest, dass eines fehlte. Man sagte ihm, es sei wahrscheinlich schon in die USA zurückgeschickt worden. Als er das andere Paket untersuchte, stellte er fest, dass der Zoll es nach den Inspektionen nicht ordnungsgemäß neu verpackt hatte und der Inhalt zerbrochen war.

Das Ergebnis: Obwohl der Zoll die Lieferung inspiziert und freigegeben hatte und die ägyptischen Behörden kontaktiert worden waren, wurde eines der Pakete in die USA zurückgeschickt, wo es gemäß dem Abkommen zwischen den USA und Ägypten Gefahr läuft, vom Zoll beschlagnahmt und nach Ägypten zurückgeschickt zu werden. Das andere Paket wurde unsachgemäß behandelt. Statt durch das Zollverfahren geschützt zu werden, wurde es also zerstört.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Verzögerung bei der Rücksendung des Pakets an den Händler dazu geführt hat, dass die 90-Tage-Frist für die Geltendmachung eines Versicherungsanspruchs für den Schaden überschritten wurde, wie die Absender jetzt bestätigt haben.

Dies ist nur ein Beispiel für die Probleme, mit denen der Kunstmarkt bei der Einfuhr in die Europäische Union konfrontiert ist. Wie wird es nach dem 28. Juni 2025 aussehen, wenn die Zollbehörden eine große Anzahl zusätzlicher Pakete kontrollieren müssen, mit denen sie bisher nicht konfrontiert waren?

Über den Autor

Ivan Macquisten, ehemaliger Redakteur der Antiques Trade Gazette, ist Autor, Kommentator, Analyst, Sammler und Aktivist auf dem internationalen Kunstmarkt. Er berät unter anderem die Antiquities Dealers Association (ADA) und die International Association of Dealers in Ancient Art (IADAA) sowie Handelsorganisationen in anderen Sektoren und die britische Regierung.

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