Archäologische Staatssammlung München wiedereröffnet
Die Archäologische Staatssammlung des Freistaats Bayern erstrahlt in neuem Glanz. Bei einem Festakt mit Ministerpräsident Markus Söder und Staatsminister Markus Blume wurde das Haupthaus am Englischen Garten in München wiedereröffnet. Vom 17. April 2024 an stehen die Türen für Besuchende aus aller Welt offen.
Das Gebäude mit seiner markanten Cortenstahlfassade (Architektur: von Werz, Ottow, Bachmann und Marx), seit 1976 Heimat der Bayerischen Staatssammlung, wurde von Nieto Sobejano Arquitectos umfassend ertüchtigt und um eine neue Fläche für Sonderausstellungen und eine bewirtschaftete Dachterrasse erweitert. Ausstellungskonzeption und -gestaltung der neuen Dauerausstellung stammen von Atelier Brückner. Mehr als 15.000 Zeugnisse der Menschheitsgeschichte – jedes von ihnen einzigartig – werden in Beziehung gesetzt.
Der Parcours auf über 1.200 Quadratmetern Ausstellungsfläche gliedert sich in zwei Rundgänge mit je fünf Themenräumen. Der erste Teil widmet sich wesentlichen Aspekten und Methoden der Archäologie als angewandter Wissenschaft; der zweite Teil versteht sich als Sammlungspräsentation.
Inhaltlich gerahmt werden beide Teile von einer Medieninstallation im zentralen Treppenaufgang. Fallende Begriffe häufen sich gleichsam zu archäologischen Schichten und lagern sich ab, darunter Macht, Herrschaft, Werte und Glaube.
Gestalterisches Grundelement aller Räume ist ein quadratisches Raster, das durch die denkmalgeschützte Architektur vorgegeben ist. Es wird im Grundriss und den prägnanten Deckenunterzügen deutlich. Jeder Raum ist annähernd elf mal elf Quadratmeter groß. Aufbauend auf dem Raster wurden individuelle Raumbilder entwickelt. Jede Inszenierung ist autark. Durch Lichtfugen oder Lichthöfe sind die Räume voneinander getrennt.
Archäologie beginnt mit einem Fundobjekt im Erdboden und dessen Interpretation. Auf dem ersten Rundgang lernen die Besuchenden anhand ausgewählter Exponate die Methoden der Archäologie kennen und erfahren mehr über die Erkenntnisse, die die Wissenschaft aus den Funden ableiten kann. Die Exponate sind im Raum platziert. An den Wänden sind Informationen als Interpretation der Objekte angeordnet. Auf dem Rundgang öffnet sich der Ausstellungsboden zunehmend.
Im ersten Raum „Der Mensch“ sind nur kleine Felder des Bodens geöffnet. Die „Spatenstiche“ legen einzelne Objekte frei, die Aufschluss über das Selbstbild des Menschen geben.
Raum 2 „Zeit & Kosmos“ verdeutlicht die Bedeutung der Zeit in der Archäologie. Die Objekte sind halbkreisförmig entlang einer tickenden Zeituhr mit Lichtstrahlen angeordnet. Die Vitrinenhöhe versinnbildlicht die Verweildauer der Objekte in der Erde. Die Sockel erinnern an Sedimentschichten. Unsere Vorstellung von Zeit ist grundlegend für die Einordnung und Klassifizierung der Funde.
Über einen Lichthof, in dem ein eindrucksvoll erhaltener Brunnenschacht aus dem Münchner Marienhof als Großexponat präsentiert wird (13. Jahrhundert), erreicht der Besuchende den Raum „Bewahren und Forschen“. Hier stehen die Methoden der Archäologie im Mittelpunkt. Zentrales Exponat ist ein Grab, das 2011 in Otzing, Landkreis Deggendorf, in Blockform geborgen wurde. Der Grabfund aus der frühen Keltenzeit ist in seiner Erhaltung in Mitteleuropa einzigartig.
Im weiteren Verlauf des Ausstellungsrundgangs weiten sich die Bodenöffnungen. Der Raum „Geschichten“ beeindruckt mit seinen Raumbild-prägenden, betretbaren Bodenvitrinen. Die Exponate liegen hier den Besuchenden buchstäblich zu Füßen. Kontext, Zusammensetzung und Zustand der Funde bilden die Basis für eine Interpretation von Geschehenem. Eine umlaufende Sitzbank ist ausgestattet mit Mediendisplays, die vertiefende Informationen zu den präsentierten Funden bereithalten.
Im letzten Themenraum, betitelt „Tod und Bestattung“, betritt der Besuchende gleichsam ein Grabungsfeld, welches nur über einen Steg begehbar ist. Der frei gelegte Boden bildet das „Archäologische Terrain“. Gräber gehören zu den Hauptquellen der Archäologie. Hier erfährt der Besuchende, welche Informationen die Wissenschaft aus menschlichen Überresten ableitet. Die „Moorleiche“, eine Mumie aus dem Dachauer Moos (13.-14. Jahrhundert n. Chr.), ist eine Hauptattraktion des Hauses.
Die Funde liegen im Boden eingetieft. Großformatige, hinterleuchtete Grafikpaneele können aktiviert werden und bieten eine optisch-illustrative Einordnung, die in ihrer Gestaltung gerade auch junge Leute anzusprechen vermag. Ihre Comic-inspirierte Sprache hat der Illustrator Frank Schmolke geprägt.
Abschluss des Rundgangs ist der zweite Lichthof, der ein römisches Bodenmosaik (3. Jahrhundert nach Chr.) zeigt. Es stammt aus einer römischen Villa im heutigen Landkreis Eichstätt.
Der zweite Rundgang (im Obergeschoss) stellt die Sammlungsbestände des Hauses vor. Die Gestaltung wird von Sammlungsvitrinen geprägt, die großenteils als Wandvitrinen ausgebildet sind. Im ersten Raum „Grundlagen des Lebens“ geht es um Zeichen menschlichen Lebens in Bayern. Alltagsgegenstände, wie Vorratsgefäße und Werkzeuge, geben Rückschlüsse auf die Lebenssituationen vergangener Zeit.
Im anschließenden Themenraum „Der Wert der Dinge“, der an einen Tresorraum denken lässt, künden Münzen, Schmuck und Waffen aus unterschiedlichen Metallen von deren Bedeutung in den jeweiligen Epochen.
Den Römern ist ein eigenständiger Raum gewidmet. „Weltmacht Rom“ betrachtet die Zeit, in der große Teile Bayerns dem Imperium Romanum angehörten. Und um Identität dreht sich alles im darauffolgenden Raum, der den Namen „Ich, Wir und die Anderen“ trägt. Gegenstände, die Silhouetten zugeordnet sind, sagen etwas über die Stellung einzelner Personen in der Gesellschaft aus. Die Besuchenden spiegeln sich in dunklen Glasflächen und sind somit selbst in die Inszenierung eingebunden.
Mit dem Raum „Glaube und Religion“ endet der Parcours im Obergeschoss. Er stellt verschiedene Ausprägungen des Glaubens in der Menschheitsgeschichte vor; darunter auch gestürzte Götter. Die Fragmente einer römischen Jupitersäule sind in der Raummitte platziert. Die Besuchenden der Ausstellung können sie zusammenbauen – an einer kleinformatigen Nachbildung.
Über das Treppenhaus mit der Medieninstallation fallender Begriffe erhalten die Besuchenden schließlich Zugang zur Dachterrasse.
Die Ausstellung lässt Exponate aus sämtlichen Abteilungen der Bayerischen Landesarchäologie in Dialog treten. Die Objekte aus Vorgeschichte, Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit, Mittelmeer und Vorderer Orient sowie Numismatik sind die Attraktion innerhalb der ausdrucksstarken Raumbilder. Sie ziehen die Besuchenden an.
Die Archäologische Staatssammlung in München ist Sammlung und Museum zugleich. Hinter den Kulissen arbeitet das Team an der Bewahrung und Erforschung der archäologischen Bodenschätze, die bei Ausgrabungen in ganz Bayern gefunden werden. Das Museum, das gleichsam als Schaufenster nach „außen“ dient, präsentiert besondere Stücke. Über die ausgestellten Kunst- und Alltagsobjekte, Grabbeigaben und Schatzfunde werden die bayerische Geschichte und der Alltag der hier ansässigen Menschen von ihrem Beginn an greifbar: ein Zeitraum von 250 000 Jahren bis heute.